Brief an Friederike de Haas
6. März 2008
Den folgenden Brief schrieb Pfarrer i.R. Manfred Bauer, nachdem er am 04.03.2008 am CDU-Stammtisch mit Staatsministerin a.D. Friederike de Haas (MdL) unter dem Motto „Brücken verbinden – Brücken bauen“ teilgenomen hatte.
Sehr geehrte Frau de Haas,
da bin ich doch heute als Welterbeverteidiger, Kompromisssucher, Tunnelbefürworter, SPD-Mitglied (und als Christ auch) der Einladung zu Ihrem Stammtisch gefolgt. Freude über den vollen Saal! Ich bekam nur noch einen guten Stehplatz ganz hinten an der Wand, obwohl ich einigermaßen pünktlich war. Das Interesse am Brückenschlagthema ist erfreulicherweise auch in Ihrer Partei recht groß. Freude auch über Herrn Burgers Beitrag! Leider wurde seine Anregung, sich um einen runden Tisch zu versammeln, von Ihnen und anderen eher skeptisch bis ablehnend beantwortet. Dann wurden leider auch wieder Unterstellungen als Tatsachen hingestellt: Die Tunnelbefürworter würden doch alles dafür tun, dass überhaupt nichts gebaut werden kann und sie hätten das Tunnelbegehren im Wissen um seine Nichtzulässigkeit initiiert, nur um dann dem RP die Schuld geben zu können usw. So hat natürlich ein runder Tisch keinen Sinn, wenn man dem anderen von vorn herein Unredlichkeit unterstellt und wenn man nur erwartet, dass am Ende die eigene Meinung siegen wird.
Die Wahrheit ist: Tatsächlich gibt es unter den Tunnelbefürwortern und Welterbeverteidigern nicht wenige, die an der Sinnhaftigkeit des ganzen Projektes „Verkehrszug …“ erhebliche Zweifel haben. Aber sie sind nach meinem Eindruck gute Demokraten und zu großen Teilen rekrutieren sie sich aus denjenigen, die 1989 die Wende mit herbeigeführt haben. Sie wollen bürgernahe Demokratie und deshalb akzeptieren Sie den Bürgerentscheid! Aber weil sie auch das Erbe der Welt nicht beschädigen wollen, kämpfen sie mit erstaunlicher Ausdauer für den Erhalt der Elbwiesen am Waldschlösschen bei gleichzeitiger Realisierung des Bürgerbegehrens nach einer Elbquerung an dieser Stelle. Da sehen sie im Tunnel den einzig logischen und möglichen Kompromiss. Leicht ist dieser Kompromiss den meisten wahrhaftig nicht gefallen. Dass trotzdem über Monate hinweg so viele dafür mobilisiert werden konnten, halte ich für einen Beweis dafür, dass in Dresden die Demokratie lebt! Die Ernsthaftigkeit dieses Anliegens sollte also nicht in Frage gestellt werden. Gerade das musste ich aber heute Abend feststellen, dass Ihre Parteifreunde die Bemühungen der Welterbeverteidiger weder ernst nehmen noch für ehrlich halten.
Zu den technischen Fragen kann ich als Theologe nur begrenzt urteilen. Allerdings scheint mir bei der Frage, ob ein Tunnel machbar ist, die eine Ingenieurauffassung gegen die andere Ingenieurauffassung zu stehen. Die Ingenieure des Tunnelbegehrens haben doch auch Zahlen zu Grunde gelegt. Die gleichen Zahlen! Aber sie kommen nicht auf längere Rampen, selbst bei 3,5 m unter Elbsohle. Da hilft wohl kein runder Tisch sondern nur die Prüfung durch unabhängige Gutachter. Wenn es um Zahlen geht, kann am Ende wirklich nur eine Seite Recht haben. Bei Mathematik gibt es nun mal nicht gut oder schlecht, sondern nur richtig oder falsch. Und weil es um Aussagen von Ingenieuren geht (die im allgemeinen mit Mathematik umgehen können), darf man annehmen, dass entweder die einen oder die anderen wissentlich und willentlich die Unwahrheit sagen. Wenn sie es öffentlich tun, ist es – aber das wissen Sie selbst.
Mein Eindruck ist – und das hat sich heute Abend stark bestätigt: CDU und die Ingenieurkammer und das RP und Teile der Stadtverwaltung wollen keinen Tunnel und deshalb finden sie natürlich Argumente, die gegen eine solche Lösung sprechen. Und die Angst scheint groß zu sein, dass womöglich das ganze Projekt scheitern könnte. Und wo Angst im Spiel ist, da ist die Aggression nicht weit. Und wo den Aggressionen Raum gegeben wird, da wird der Blick auf die Wirklichkeit verzerrt. Ich jedenfalls habe heute Abend bei einem großen Teil der Versammelten einen stark verzerrten Blick auf die Wirklichkeit wahrgenommen. Was mich sehr traurig gestimmt hat, ist der Eindruck, dass in Ihrer Partei der Welterbetitel wohl eher als Hindernis gesehen wird. Sie haben das mit dem Beispiel Potsdam wiederholt zum Ausdruck gebracht. Hier stehen momentane wirtschaftliche Erwägungen gegen die generationenübergreifende Erhaltung von Naturschönheiten und Kulturgütern. Dieser Konflikt ist schmerzlich und bedarf gründlicher Abwägung. Man sollte es aber nicht dulden, dass es der Lächerlichkeit preisgegeben wird, wenn die UNESCO das Dresdner Elbtal auf einer Stufe mit den Pyramiden sieht. Die Einstufung als Erbe der Menschheit ist eine hohe Ehre und eine enorme Verpflichtung. Dresdner Stadträte haben es über Jahrhunderte geschafft, die Elbwiesen von jeder Bebauung freizuhalten. So ist eine einmalige innerstädtische Landschaft entstanden, die es nicht wert ist, momentanen wirtschaftlichen Interessen geopfert zu werden.
Empört hat mich schließlich am Ende des Abends der Umgang mit der jungen Frau, die ihre Betroffenheit angesichts des Umgangs mit der Buche an der Angelikastraße äußerte. Die Reaktionen waren beschämend. Zu diesem Zeitpunkt war ich mit meiner Geduld am Ende und ich habe die Versammlung verlassen. Das war vielleicht nicht unbedingt ein angemessenes Zeichen des Mitgefühls. Aber wenn zum Gespräch eingeladen wird, sollten auch kritische Äußerungen ausgehalten werden können. Sehen Sie also bitte diese Zeilen als ein Zeichen der Gesprächsbereitschaft.
Trotz allem: Freundliche Grüße!
Manfred Bauer