Welt(kultur)erbe – ja oder nein?
11. März 2008
Nach der Verleihung des UNESCO-Welterbetitels im Jahr 2004 haben sich die Dresdner noch gar nicht bewusst gemacht, welch außergewöhnliche Auszeichnung unsere Heimatstadt erhalten hat.
Die folgenden beiden Abschnitte zeigen anhand von Beispielen, welche Orte neben Dresden den Welterbetitel tragen – und welche Orte ihn verloren haben und warum.
Welterbestätten
Die historische Altstadt von Florenz wurde 1982 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen, wobei es hierzu im Antrag heißt, dass „jede Rechtfertigung hierfür lächerlich und unverfroren sei,“ da sich hier die „weltgrößte Anhäufung universell bekannter Kunstwerke“ befinde.
1979 erfolgte die Aufnahme von Versailles in das Weltkulturerbe. Die Begründung der UNESCO lautet hierzu: „Das repräsentative Ensemble des Palasts, des Trianons und des Parks von Versailles ist das Ergebnis von eineinhalb Jahrhunderten Arbeit, in Auftrag gegeben von den französischen Königen, die es ihren größten Künstlern anvertrauten.“
Seit 1990 gehört das Historische Zentrum von Sankt Petersburg zum UNESCO-Weltkulturerbe. 15% der Gebäude in Sankt Petersburg – 2.400 Gebäude – wurden von der UNESCO als Denkmäler der Architekturgeschichte eingestuft. Damit wird Sankt Petersburg in dieser Hinsicht nur noch von Venedig übertroffen.
Seit dem Jahr 2000 gehört das Gartenreich Dessau-Wörlitz zum Weltkulturerbe der UNESCO. Das Welterbekomitee begründete seine Aufnahme folgendermaßen: „Das Gartenreich Dessau-Wörlitz ist ein herausragendes Beispiel für die Umsetzung philosophischer Prinzipien der Aufklärung in einer Landschaftsgestaltung, die Kunst, Erziehung und Wirtschaft harmonisch miteinander verbindet.“
Die UNESCO nimmt 2002 das Obere Mittelrheintal in die Welterbeliste auf. Sie würdigt es als eine Kulturlandschaft von großer Vielfalt und Schönheit: „Die Landschaft weist einen außergewöhnlichen Reichtum an kulturellen Zeugnissen und Assoziationen historischer wie auch künstlerischer Art auf. […] Mit seinen rebenbesetzten Talhängen, seinen auf schmalen Uferleisten zusammengedrängten Siedlungen und den auf Felsvorsprüngen wie Perlen aufgereihten Höhenburgen gilt das Tal als Inbegriff der romantischen Rheinlandschaft.“
Im Jahr 2004 wird das Dresdner Elbtal in das Weltkulturerbe aufgenommen. Die UNESCO begründet das u.a. so: „Das Dresdner Elbtal ist eine herausragende Kulturlandschaft, ein Ensemble, das barocke Umgebungen und vorstädtische Gartenstädte in eine künstlerische Gesamtheit innerhalb des Flusstals integriert.“
Es drängt sich die Frage auf:
Liebe Dresdnerinnen und Dresdner, sind Sie nicht stolz darauf, dass unsere Heimatstadt in einer Reihe mit diesen großartigen Stätten des Welterbes der Menschheit steht?
Zerstörte Welterbestätten
1994 wurde ein Wildschutzgebiet in der Wüste Omans in die UNESCO-Weltnaturerbeliste aufgenommen. Die UNESCO strich dieses Gebiet 2007 von der Liste des Welterbes, da die Regierung von Oman entschieden hatte, die Größe des geschützten Areals um 90 Prozent zu reduzieren, um ihren Plänen zur Erdgas- und Ölförderung nachzugehen. Es handelt sich um die erste Streichung eines Welterbes von der UNESCO-Liste.
Am 12.03.2001 sprengten Taliban-Milizen auf Anordnung von Mullah Mohammed Omar die Buddha-Statuen von Bamiyan. Zuvor wurde bereits 26 Tage lang vergeblich versucht, die Buddhas durch Beschuss mit Panzern, Geschützen und Raketen zu zerstören.
Die UNESCO nimmt die Kulturlandschaft und die archäologischen Stätten des Bamiyan-Tals 2003 in das Weltkulturerbe auf. Die Begründung hierzu lautet u.a.: „Das Bamiyan-Tal birgt außerordentliche Zeugnisse einer kulturellen Tradition Zentralasiens, die verschwunden ist. […] Das Bamiyan-Tal ist das monumentalste Zeugnis des westlichen Buddhismus. Es war über viele Jahrhunderte ein bedeutendes Pilgerzentrum.“ Unmittelbar mit der Aufnahme in die Welterbeliste setzt die UNESCO das Bamiyan-Tal auf die Rote Liste. Damit wird signalisiert, dass ernsthafter Schaden eingetreten ist und alle Anstrengungen unternommen werden müssen, den Verlust des Welterbes abzuwenden.
Im Jahr 2008 könnte die UNESCO dem Dresdner Elbtal den Welterbestatus wieder aberkennen. In der Begründung wird es heißen, „dass die visuellen Auswirkungen der projektierten Waldschlösschenbrücke gravierend sind. Unter Berücksichtigung der eingegrenzten Fragestellung muss man sogar zu dem Ergebnis kommen, dass der Bau der Brücke an dieser Stelle eine irreversible Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals wäre.“
Mithin stellt sich die Frage:
Liebe Dresdnerinnen und Dresdner,
wollen Sie das wirklich?
Diejenigen unter den Brückenfreunden, die sich im übrigen jetzt gänzlich zu Unrecht mit den Taliban verglichen fühlen, sollten sich einmal folgende Frage stellen: Hielten Sie die Sprengung der Buddha-Statuen denn dann für gerechtfertigt, wenn es vorher in Bamiyan einen Bürgerentscheid dazu gegeben hätte?