ICOMOS-/UNESCO-Bericht zur Waldschlößchenbrücke
15. März 2008
Auf Einladung der Stadt Dresden waren am 4. und 5. Februar 2008 zwei Abgeordnete der UNESCO – Jaroslav Kilian, Vertreter von ICOMOS, und Giovanni Boccardi, Referatsleiter bei der UNESCO – in der sächsischen Landeshauptstadt. Sie informierten sich über den Status des Baus der Waldschlößchenbrücke. Bei dem Besuch wurde den beiden Experten die „Burger-Brücke“ vorgestellt, mit der die Stadt den Welterbetitel zu retten glaubte.
Das Treffen fand abgeschirmt von der Öffentlichkeit statt und verlief „in einer sehr sachlichen und offenen Atmosphäre“, wie die Stadt in einer Pressemitteilung einschätzt.
Inzwischen liegt der Bericht der beiden Abgeordneten vor. Seine Zusammenfassung lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig und hat bei einigen für Ernüchterung gesorgt:
Die Experten empfehlen den Bau des Elbtunnels anstatt einer Brücke. Auch sie sehen, dass eine Wandlung des laufenden Baus der Elbquerung in einen Elbtunnel finanzielle, zeitliche und technische Herausforderungen mit sich bringt. Sie schätzen ein (Seite 20): „Yet, these implications and challenges would appear to be surmountable, especially if balanced with the irreversible loss of the integrity of a key component of the cultural landscape of the Dresden Elbe Valley. [Dennoch: diese Auswirkungen und Herausforderungen erscheinen beherrschbar, insbesondere wenn man sie ins Verhältnis setzt zum irreversiblen Verlust der Unversehrtheit einer Schlüsselkomponente der Kulturlandschaft des Dresdner Elbtals.]“
Der Bericht schließt mit einer deutlichen Aufforderung (Seite 21): „The mission encourages the authorities to come to a rapid decision to halt the construction of the current bridge and to reconsider alternative options. The mission encourages the authorities to consider the existing tunnel option as a priority. [Die Abgeordneten ermutigen die Behörden, kurzfristig den Beschluss zu fassen, den laufenden Bau der Brücke zu stoppen und Alternativen zu prüfen. Die Abgeordneten ermuntern die Behörden, die bestehende Tunneloption mit Priorität zu betrachten.]“
Der gesamte Vorgang hat in der Öffentlichkeit zwei Fragen aufgeworfen:
Welche Funktion hat ICOMOS?
Der Internationale Rat für Denkmalpflege (International Council on Monuments and Sites, ICOMOS) ist eine nichtstaatliche Organisation, die sich weltweit für Schutz und Pflege von Denkmälern und die Bewahrung des historischen Kulturerbes einsetzt. ICOMOS beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbe-Komitees der UNESCO. ICOMOS übernimmt hier also die Funktion eines Fachgutachters.
Wie kann es sein, dass die UNESCO bereits am 10.03.2008 in einer Pressemitteilung den Bau des Elbtunnels empfiehlt, obwohl die Sitzung des Welterbekomitees erst im Juli in Québec (Kanada) stattfindet?
Alle Entscheidungen der UNESCO beruhen auf den Gutachten unabhängiger Fachleute, wie der von ICOMOS. Es ist daher geradezu zwangsläufig, dass sich das Welterbekomitee die oben dargestelle Einschätzung und Aufforderung an Dresden im Juli zueigen machen wird.
Wer also meint, das Verhalten der UNESCO gegenüber Dresden ist das Ergebnis von „Kaffeerunden“ mit Nobelpreisträgern oder „Privatbesuchen“ sächsischer Elbtunnelaktivisten, der verkennt nicht nur die strikte Organisation der Arbeitsweise der UNESCO. Er lässt auch den notwendigen Respekt vor dieser internationalen Institution vermissen.