Das Welterbethema braucht positive Schlagzeilen
1. April 2008
Ein Aufruf von
Jana Knauth
Auf der Montags-Demonstration am 31.03.2008 wendete sich Jana Knauth, Initiatorin der Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal, mit diesen Worten an das Publikum.
Liebe Dresdnerinnen und Dresdner, liebe Gäste,
Unsere Bürgerinitiative entstand im Juni 2005 und setzte sich damals das Ziel, die Bauprozesse in unserem Welterbegebiet aufmerksam und kritisch zu beobachten, öffentlich bekannt zu machen und einzugreifen, wenn Planungen konkret werden. Die Planungen zur Waldschlößchenbrücke waren damals schon abgeschlossen, der Planfeststellungsbeschluss ergangen und es stand die Behauptung, die UNESCO hätte mit der Brücke kein Problem, da sie ja in den Unterlagen ausführlich beschrieben gewesen sei und Dresden trotzdem den Titel erhalten hatte.
Unsere Bürgerinitiative hegte Zweifel an dieser Aussage, da die Brücke einen großen Eingriff in die Landschaft darstellt. So nahmen wir unser Recht und unsere Pflicht als NGO (Non-Governmental Organisation, Nicht-Regierungs-Organisation) wahr, um mit einer Mappe an die UNESCO herauszufinden, wie umfangreich die eingereichten Unterlagen zur Brücke waren. Es hätte gut sein können, dass die UNESCO uns antwortet, es sei alles in Ordnung und die Brücke stelle kein Problem dar. Die folgenden Wochen und Monate zeigten aber, dass dies nicht der Fall war. Eine Auswertung der zugänglichen Unterlagen hat denn auch einige Ungereimtheiten ergeben, die ich hier und heute einmal zusammenfassen möchte:
- Zum ersten kann man in den Antragsunterlagen, die die Stadt im Januar 2003 einreichte, sehen, dass die Brücke in keiner der Karten eingezeichnet ist! Noch nicht mal angedeutet durch eine Strichellinie. Dafür, dass die Intension eine Brücke am Waldschlößchen zu errichten eindeutig bestand und in fast fertigen Planungen Niederschlag gefunden hatte, ist diese Tatsache als Täuschung zu bewerten.
- Auch die schriftlichen Hinweise auf die Brücke sind im Antrag nicht so eindeutig, dass daraus hervorgeht, dass die Waldschlößchenbrücke nicht nur eine bloße Option war. Verwirrend scheint außerdem die Tatsache, dass der Bebauungsplan der Brücke nicht erwähnt, jedoch der Plan für ein angrenzendes Festgelände auf dem Altstädter Ufer beschrieben wurde.
- Angeblich wurde den Unterlagen eine Kurzbeschreibung der Brücke beigelegt. In einer deutschen Fassung ist sie auf den Dresdner Internetseiten zu finden, wobei deren Echtheit zu bezweifeln ist, da dort die späteren Aussagen der Gutachter auftauchen. Heißt: die Beschreibung soll vom Dezember 2002 sein, enthält aber Aussagen, die erst Ende 2003 getroffen wurden. Überhaupt steht die Frage, ob eine vergleichbare Unterlage das Welterbe-Komitee erreichte, da Frau Roessler vom Welterbezentrum behauptet, sie wäre im entscheidenden englischen Text nicht vorhanden gewesen.
- Gemeinsam mit den beiden Aussagen des Gutachters Jokilehto, der 2004 in Suzhou den Antrag vortrug, kommt noch ein weiteres Puzzleteil hinzu. Ohne von einem der drei Abgesandten (Feßenmayr, Glaser und Timm), die extra angereist waren, korrigiert zu werden, erklärte der Gutachter, es gäbe keine geplanten Verkehrsarterien im Elbegebiet, obwohl die Möglichkeit neuer Brückenbauten bestünde und eine neue Brücke wäre 5 km flussabwärts vom Zentrum vorgesehen.
Folglich musste das UNESCO-Komitee annehmen, die Brückenplanung wäre noch unkonkret und beträfe das Welterbegebiet gar nicht und somit hat es sich auch nicht näher damit beschäftigt.
Anstatt aber Entschuldigungen und Korrekturen vorzubringen, entschied sich Sachsen dafür, die UNESCO herabzuwürdigen und sich eine Einmischung in seine Angelegenheiten zu verbitten. Selbst die sächsischen Gerichte waren vorerst der Ansicht, dass das Völkerrecht weniger gewichtig ist als ein Bürgerentscheid, wenn auch dazu noch kein abschließendes Urteil gesprochen ist.
Kürzlich hat ein engagierter Dresdner sich um eine Aussage aus dem Kanzleramt bemüht, wie es denn um die Position des Bundes in der Sache bestellt ist. Dazu diesen Auszug aus dem Antwortbrief im Auftrag der Kanzlerin an die Plattform direktzu.de: „Eine Streichung des Dresdner Elbtals aus der Welterbeliste würde das Ansehen Deutschlands und das Verhältnis Deutschlands zur UNESCO erheblich beeinträchtigen.“ Weiter heißt es: „Die Frage der innerstaatlichen Bindungswirkung der UNESCO-Welterbekonvention hat die Bundesregierung kürzlich in einem Gutachten klären lassen. Danach ist die UNESCO-Welterbekonvention bereits wirksam in innerstaatliches Recht übertragen worden und bindet alle staatlichen Ebenen in Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden – gleichermaßen. Die Welterbekonvention ist 1976 gemäß den Regelungen der so genannten ‚Lindauer Absprache‘ ratifiziert worden, d.h. die Länder haben damals ihr Einverständnis zum Abschluss der Konvention gegeben. Damit sind auch die Länder, die sich ja in den vergangenen 32 Jahren in vielen Fällen aktiv und erfolgreich um Aufnahme in die Welterbeliste bemüht haben, an die Welterbekonvention gebunden.“
Lassen Sie mich nun noch ein paar Worte zu unserer Arbeit verlieren.
Dass unsere Bürgerinitiative sich erst im Juni 2005 zusammenfand und dieses Thema wieder aufgriff, liegt schlichtweg auch daran, dass das Welterbethema erst ein Jahr nach der Titelverleihung wieder deutlich und positiv ins Licht der Öffentlichkeit rückte: Als der Direktor des Welterbezentrums Prof. Bandarin die Verleihungsurkunde an die Stadt und symbolisch auch alle Bürger im Rahmen der Eröffnung des Elbhangfestes überreichte. Ich sage deshalb positiv, weil davor und danach hauptsächlich Negativ-Schlagzeilen zum Thema UNESCO-Welterbe in Dresden das Bild beherrschten. Zunächst ging es um die Finanzierung der Tafel an der Loschwitzer Kirche, für die sich einfach niemand finden wollte, danach die Einrichtung des Welterbezentrums im Lingnerschloß, um dessen Sinn heftig gestritten wurde, bis es endlich bewilligt wurde und schließlich die Waldschlößchenbrücke.
Die Dresdner tun sich schwer mit ihrem Welterbe. Eine mangelnde bis gar nicht stattfindende Öffentlichkeitsarbeit seitens der Stadt, verursacht durch Anweisungen von höchster Stelle im Freistaat hat dazu geführt, dass man heute oft hören und lesen muss: Welterbe? – dafür kann ich mir nichts kaufen. Oder: Was haben wir schon davon, die Touristen kommen doch auch so. Das Bewusstsein, Teil des Erbes der Menschheit zu sein, muss wachsen, der Welterbestatus als Instrument für einen umfassenden Kulturgutschutz und die Welterbekonvention als einer der erfolgreichsten völkerverbindenden und friedenstiftenden Verträge anerkannt werden. Dies kann nur geschehen, wenn die Ideale und Ziele der UNESCO und ihrer Welterbekonvention adäquat kommuniziert werden. Dazu braucht es eine Aufklärungskampagne, die vor allem auch die vielen positiven Aspekte des Welterbstatus vermittelt und den hier in Dresden beschädigten Ruf der UNESCO wiederherstellt. Und das fängt mit dem Aufstellen des braunen Autobahnschilds an, das stolz auf die Stätte verweist, wie es andernorts üblich ist in Deutschland!
Die Bürgerinitiative Welterbe Dresdner Elbtal versucht einen kleinen Teil solcher Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. In dem wir eine Vortragsreihe veranstalten, die sich mit Teilen unseres Welterbegebietes aber manchmal auch mit anderen Stätten befasst und auf Festen mit einem Stand vertreten sind, leisten wir einen kleinen Beitrag zum Verständnis des Themas sowie zur Vernetzung und zum Erfahrungsaustausch verschiedener im Welterbegebiet sich punktuell engagierender Vereine. Schaut man sich abseits der Waldschlößchenbrücke um, gibt es eine Menge zu tun: Angefangen vom Schloß Übigau, über die Hochwasserschutzmaßnahme in Pieschen, den Fernsehturm, den Kiesabbau in Söbrigen bis zum ganz aktuellen Bauplan Hotel Loschwitzhöhe treten uns eine Reihe wichtiger Probleme entgegen. Zusätzlich zu lokalen Gestaltungssatzungen bietet der Welterbestatus eine große Chance, Planungen und Bauten besonders maßvoll und sensibel einzufügen.
Um endlich auch diese Probleme angehen zu können, muss der Konflikt um die Waldschlößchenbrücke geklärt werden. Der Kompromiss, den unsere Bürgerinitiative schweren Herzens mitträgt, weil er den Landschaftsraum wiederherstellen kann, ist der Elbtunnel. Wir waren immer der Meinung, dass eine Querung an dieser Stelle verkehrsplanerisch unsinnig und landschaftlich unverträglich ist, deshalb ist es für uns ein großer Schritt, einem solchen Kompromiss zuzustimmen. Nun da aber auch das UNESCO-Welterbezentrum ein deutliches Signal für diese Lösung gegeben hat, ist es an der Zeit, dass auch die andere Seite ihre starre Haltung aufgibt. Es muss wieder Gespräche geben in der Stadt. Man muss die Möglichkeit haben, sich zu äußern, ohne unflätig angefeindet zu werden. Erst wenn die Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten wieder da ist, werden wir vorankommen.