Der Ball ist beim Stadtrat!
7. April 2008
Gemeinsam mit den ersten 42.000 Unterschriften wurden dem amtierenden Oberbürgermeister Lutz Vogel stellvertretend für alle Stadträte am 11.03.2008 weiße Fußbälle mit dem UNESCO-Logo übergeben. Damit wollten die Initiatoren und Unterstützer des Bürgerbegehrens sagen: „Der Ball ist beim Stadtrat!“
Nach der Pressemitteilung der Landeshauptstadt am 07.04.2008 zur Beschlussvorlage der Verwaltung für den Stadtrat gilt mehr als je zuvor: Der Ball ist beim Stadtrat! Warum?
In der Beschlussvorlage von Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel wird „dem Stadtrat vorschlagen, das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären.“ Was bedeutet das für den Stadtrat?
- Der Stadtrat kann dieser Empfehlung folgen, er muss es aber keineswegs. Es handelt sich zunächst nur um eine Beschlussvorlage der Verwaltung, welche deren Rechtsauffassung wiedergibt. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens hatten im Vorfeld die Fragestellung einer sehr gründlichen Prüfung unterzogen und sind nach wie vor der Auffassung, dass sie zulässig ist.
- Der Stadtrat kann seit dem Ende der Bindungsfrist des alten Bürgerentscheids selbst mit einfacher Mehrheit einen Bürgerentscheid zum Welterbe-Erhalt und zum Bau des Elbtunnels veranlassen. Eine Umfrage von Prof. Donsbach hat jüngst ergeben, dass eine Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner sich einen solchen Bürgerentscheid wünscht. Das ist vor allem insofern interessant, als dass Prof. Donsbach bislang nicht im Ruf steht, dem Elbtunnel das Wort zu reden.
- Der Stadtrat kann und konnte jederzeit Maßnahmen ergreifen, die eine Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal verhindern. Derzeit ist z.B. ein modifizierter Bauablauf angezeigt und möglich. Dabei werden alle Arbeiten an Brückenteilen eingestellt, während die Arbeiten an den Zufahrten fortgeführt werden können. Nach der UNESCO-Welterbekonvention ist der Stadtrat dazu sogar verpflichtet, woran er zuletzt noch einmal in einem Schreiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel erinnert worden ist.
In der Vergangenheit ist immer wieder der Eindruck erweckt worden, dem Stadtrat seien (juristisch) die Hände gebunden und zum Bau der Waldschlößchenbrücke gäbe es keine Alternative. Daraus ist die Hoffnung erwachsen, dass durch einen Bürgerentscheid diese unsägliche Entwicklung gewissermaßen in letzter Minute gestoppt werden kann. Das ist keinesfalls so.
Welche Funktion kommt dann dem von Dresdner Bürgerinnen und Bürgern initiierten Bürgerbegehren und der Diskussion zu, die um den Elbtunnel geführt wird?
Die Landeshauptstadt und der Freistaat sind in den vergangenen Jahren ihren Verpflichtungen, die sich aus dem Welterbestatus des Dresdner Elbtals ergeben, die sich aus internationalen Verträgen ableiten und die sie mit der Beantragung des UNESCO-Welterbe-Titels selbst anerkannt haben, nicht oder bestenfalls widerwillig nachgekommen. Im Unterschied dazu war es die Bürgerschaft, die wichtige Aufgaben übernommen hat:
- Die Dresdner Bürgerschaft war es, die den Wert des Welterbes ins Bewusstsein gerückt hat. Sie ist es, die sich mit einer „irreversiblen Schädigung“ ihrer Stadtlandschaft nicht abfinden will. Bürgerinitiativen sind es, die den Dresdnern erklären, welch außerordentliches Glück es bedeutet, in einer Umgebung zu leben, die zum Welterbe der Menschheit gerechnet wird – und welche Verpflichtungen dies mit sich bringt. Im Unterschied dazu lassen Landeshauptstadt und Freistaat nichts unversucht, den UNESCO-Welterbe-Titel als irrelevant und nicht bindend darzustellen. Es gibt sogar namhafte Kommunalpolitiker, die versuchen, sich mithilfe von Diffamierungen der UNESCO zu profilieren.
- Die Dresdner Bürgerschaft war es, die den Nachweis erbracht hat, dass es mit dem Elbtunnel eine praktikable Alternative gibt. Diese bringt den Wunsch der Dresdner nach einer Elbquerung am Waldschlößchen mit der Verpflichtung zum Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal in Einklang. Im Unterschied dazu haben Landeshauptstadt und Freistaat lange ihre Verpflichtung zur Suche nach Alternativen bestritten. Ihr Versuch, einen Kompromiss zu finden, war nie aufrichtig: Der Burger-Gruppe wurden derart enge Vorgaben gemacht, dass ihr kein Gestaltungsspielraum verblieb und namhafte Mitglieder unter Protest ihre Zusammenarbeit aufkündigten. Sie erarbeitete mit der „Burger-Brücke“ schließlich einen „Kompromiss-Vorschlag“, der offensichtlich vollkommen inakzeptabel war und als solcher auch eingestuft wurde.
Die Politiker von Freistaat und Landeshauptstadt – namentlich Ministerpräsident Georg Milbradt, Regierungspräsident Siegfried Henry Hasenpflug und Oberbürgermeister Lutz Vogel – stehen heute vor dem Ergebnis ihres Handelns in den vergangenen Jahren: vor einem Scherbenhaufen.
- Sie treiben eine „irreversible Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ (Gutachten der UNESCO) mit aller Macht voran.
- Sie unternehmen alles, um „das Ansehen Deutschlands und das Verhältnis Deutschlands zur UNESCO erheblich beeinträchtigen.“ (Brief der Bundeskanzlerin Angela Merkel)
- Sie richten erheblichen wirtschaftlichen Schaden an.
Dieser wirtschaftliche Schaden ergibt sich aus dem massiven Imageverlust, den Dresden bereits jetzt erleidet. Er ergibt sich aber vor allem aus Rückforderungen von Fördermitteln durch den Bund. Es verbreitet sich zunehmend die Auffassung, dass der Bund Fördergelder, wenn durch ihren Einsatz der Welterbe-Status des Dresdner Elbtals verloren geht, nicht nur zurückfordern kann, sondern sogar zurückfordern muss. Die Rede ist von 80 Millionen Euro – 50 Prozent der Bausumme.
Die Kommunal- und Landespolitik war über Jahre nicht in der Lage, einen vernünftigen Ausweg aus dem Konfliktfeld zu finden. Die Dresdner Bürgerschaft hat mit dem Elbtunnel diesen Ausweg aufgezeigt. Die Landes- und Kommunalpolitik muss ihn nun gehen.
Und das heißt noch einmal: Der Ball ist beim Stadtrat!