Ein Zwischenruf von
Eduard Zetera
Einer der Protagonisten der Pro-Brücken-Initiative in der Dresdner Medienlandschaft ist das „Brückenmännchen“, das mit schöner Regelmäßigkeit in jeder Ausgabe des Sächsischen Boten weniger für ein Brückenprojekt wirbt als gegen den Elbtunnel polemisiert.
Es lohnt nicht, sich mit den Darstellungen inhaltlich auseinanderzusetzen – dazu fehlt es der Argumentation an Substanz. Viel interessanter ist es, den Tonfall zu beobachten. Dieser wurde im Laufe der letzten Wochen immer gereizter. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass auch den Brückenfreunden langsam klar wird, dass sie ihre Position kaum noch mit sachlichen Argumenten hinterfüttern können. Die Luft wird dünner, die Nerven liegen blank.
In einer solchen Lage geschieht es, dass man sich ein wenig in der Wortwahl vergreift. So schließt ein Artikel unter dem Titel „Das neue Brückenmännchen sieht einen Tunnel nicht risikofrei – Große Verantwortung für alle Stadträte“ in der Ausgabe vom 01.04.2008 mit dem Satz: „Wie sich der Stadtrat auch für oder gegen einen neuen Bürgerentscheid positioniert, die Damen und Herren tragen eine Riesenverantwortung und sollten sich nicht nur von Dichtern, Denkern und Künstlern beraten lassen.“ Dieser Satz legt zweierlei offen:
Zuerst einmal ist den Brückenfreunden ganz sicher bewusst, dass die Diskussion um Alternativen zu einem Brückenprojekt am Waldschlößchen vielleicht von „Dichtern, Denkern und Künstlern“ in Gang gesetzt wurde. Gleichwohl wird sie inzwischen ebenso von einer großen Gruppe von Ingenieuren und Wissenschaftlern getragen. Spätestens mit der Fachklausur „Elbtunnel Dresden“ haben namhafte Fachleute alle technischen, finanziellen und baurechtlichen Einwände gegen den Elbtunnel entkräftet. Nun knickt sogar die Ingenieurkammer – bislang Eckpfeiler der technischen Argumentation der Brückenfreunde – ein und bestätigt die Ergebnisse der Fachklausur zum Elbtunnel. Das ist für unsere Brückenfreunde zweifelsohne gefährlich. Also werden Ingenieure und Wissenschaftler gleich gar nicht erst erwähnt.
Darüber hinaus lässt der Schlusssatz von den „Dichtern, Denkern und Künstlern“ aber erkennen, wess’ Geistes Kind so manche Brückenfreunde sind. Offensichtlich gereicht es bei ihnen bereits zu Vorwurf, selbständig denken und reden zu können. Für sie sind Dichter, Denker und Künstler wohl als Hofnarren gut, aus der Politik möchten sie sich aber bitteschön heraushalten. Wenn man bedenkt, dass der Sächsische Bote als kostenloses Anzeigenblatt an alle Dresdner Haushalte verteilt wird, ahnt man, an welche Adressaten sich diese Brückenfreunde in einem solchen Tonfall wenden. Wir erinnern uns: Schon einmal wurden – auch in Dresden! – Intellektuelle mit missliebigen Ansichten systematisch denunziert. Das war im dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Wir erinnern uns mit Grausen.
Arroganz – das ist die Haltung, in der man sich erlaubt, andere gering zu schätzen, weil sie nicht zu den eigenen Kreisen gehören. Oft rechtfertigt sich diese Geringschätzung mit einem Gefühl von Bedrohung. Hochmut und Angst gehen Hand in Hand. Und plötzlich scheint es erlaubt, die gering geschätzten und auch bedrohlich wirkenden Anderen auszusondern.
Angelika Obert
Gedanken zur Woche, Deutschlandfunk, 18.04.2008