Ist das wirklich aufrichtig? (Nachtrag)
18. April 2008
Die Landeshauptstadt Dresden berichtet in einer Pressemitteilung darüber, dass am 14.04.2008 „der ehemalige Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Prof. Kurt Biedenkopf, Staatsminister Michael Sagurna, der amtierende Oberbürgermeister Dr. Lutz Vogel und Baubürgermeister Herbert Feßenmayr in Paris [… waren, um …] mit hochrangigen Vertretern der UNESCO über den Erhalt des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal zu sprechen.“
Das klingt zunächst einmal beachtlich. Man darf nicht vergessen, dass gerade aus dem Umfeld der Stadtverwaltung und der Landesregierung heraus die Entscheidungen der UNESCO immer wieder als nicht bindend eingestuft und als nicht nachvollziehbar kritisiert wurden. Die UNESCO selbst wurde sogar als „undemokratische Organisation“ angegriffen. Man fragt sich: Woher rührt dieses plötzliche Interesse an einem „weiteren Diskurs“?
Wenn die Landeshauptstadt und der Freistaat jetzt mit eben jenen Vertretern der UNESCO reden möchten, deren Interessen sie in der Vergangenheit regelmäßig ignoriert und verletzt haben, müssen sie etwas als Kompromiss anbieten können. Was können sie anbieten? Nichts, rein gar nichts! Hier und heute findet genau das statt, was die UNESCO als „irreversible Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ bezeichnet. Das Urteil ist eindeutig und die Rahmenbedingungen unverändert. Warum sollte die UNESCO ihre Einschätzung ändern?
Doch damit nicht genug. Während die Landeshauptstadt von „Offenheit, weiter über die Situation in Dresden zu sprechen“ schwadroniert, triebt sie gleichzeitig die Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal aggressiv voran. Stellen wir uns einmal die Situation in Paris vor: Der selbe Baubürgermeister Herbert Feßenmayr, der in Paris mit Francesco Bandarin, dem Direktor des Welterbezentrums, „über den Erhalt des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal“ spricht, lässt zur gleichen Zeit in Dresden Brücken-Beton in die Elbwiesen gießen. Noch am 15.04.2008 – einen Tag nach dem Paris-Besuch – berichtet die Landeshauptstadt in einer Pressemitteilung über den Fortgang der „Bauarbeiten am Verkehrszug Waldschlößchenbrücke“.
Da kann man nur sagen: Respekt! So viel Chuzpe muss man erst einmal haben.
Das mindeste, was man in einer solchen Situation erwarten kann, wäre ein Baustopp. Dies wäre ein erkennbares Zeichen der aufrichtigen Bereitschaft zur Suche nach Kompromissen. Solange aber in den Elbwiesen weiter Tatsachen geschaffen werden, kann das Manöver von Landeshauptstadt und Freistaat nur eines bedeuten: Zeit schinden, weiter bauen, hinhalten, Fakten schaffen.
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet also knapp: Die Vertreter von Landeshauptstadt und Freistaat sind unaufrichtig. Genau genommen sind sie sogar ziemlich dreist.
Nachtrag
Der Direktor des UNESCO-Welterbezentrums in Paris, Francesco Bandarin, widerspricht Berichten in der deutschen Presse, die behaupten, dass die UNESCO ihre Haltung bezüglich der negativen Auswirkungen des Baus einer Brücke im Welterbegebiet Dresdner Elbtal geändert hätte: „Wir haben keinen Grund, unsere Überzeugung zu ändern, dass eine Brücke negative Auswirkungen auf die Welterbestätte hat, und wir unterstützen weiterhin die Vorschläge derjenigen Experten, deren Bericht wir an die Mitglieder des Welterbekomitees weitergeleiten haben.“ Der Direktor erinnerte weiterhin an die Presseerklärung der UNESCO vom März zu diesem Thema. „Diese Presseerklärung und der Bericht gelten weiterhin“ betonte er.
Die UNESCO bestätigt in ihrer Gegendarstellung nochmals, dass nur der Tunnel der einzige akzeptable Kompromiss ist, um dem Willen der Bevölkerung nach einer Elbquerung am Waldschlößchen gerecht zu werden, und zugleich das Dresdner Welterbe zu erhalten.
Auch der internationale Rat für Denkmalpflege, ICOMOS, nennt einen Tunnel die „einzige Lösung“, wie Spiegel Online am 18.04.2008 berichtet. Weiter heißt es: „Wir können nur raten, den Bau sofort zu stoppen und die Tunnellösung noch zu realisieren“, sagte ICOMOS-Präsident Michael Petzet. Zugleich kritisierte er die „unglaublich sture Haltung“ der sächsischen Landesregierung.
Damit wird die Behauptung der sächsischen Delegation, die UNESCO sei für andere Lösungen offen und würde ggf. eine andere Lösung als einen Tunnel akzeptieren, widerlegt. Somit ist der Versuch der Herren Biedenkopf, Sagurna, Vogel und Feßenmayr, Einfluss auf die Sondersitzung des Stadtrates am 22.04.2008 zu nehmen, grandios gescheitert.
Hinweis
In der Sondersitzung des Stadtrats am 22.04.2008 soll über das Bürgerbegehren entschieden werden. Parallel zur Stadtratssitzung findet am Rathaus eine Kundgebung statt, mit der die Stadträte noch einmal deutlich an ihre Verantwortung und ihre Pflichten erinnert werden sollen.