Stadtrat nimmt Bürgerbegehren an
22. April 2008
In seiner Sondersitzung am 22.04.2008 hatte der Stadtrat über die Annahme des Bürgerbegehrens „Welterbe erhalten durch Elbtunnel am Waldschlößchen“ zu befinden. Es zeigte sich einmal mehr, dass im Stadtrat genau so wie in der übrigen Öffentlichkeit eine sachliche Auseinandersetzung in dieser Angelegenheit schwer geworden ist. Die Debatte war nicht geeignet, einen Erkenntnisgewinn herbeizuführen oder auch nur Meinungen abzuwägen. Die Angehörigen der verschiedenen Fraktionen bezichtigten sich jeweils wechselseitig der Lüge und warfen sich undemokratisches Verhalten vor. Die Grenzen zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern wurden deutlich sichtbar. Mehr auch nicht.
Im Ergebnis wurde das Bürgerbegehren durch den Stadtrat mit 38 Ja-Stimmen zu 30 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Der Verein „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ dankt allen Stadträten, die sein Anliegen unterstützen – sei es aus Sympathie für den Welterbe-Gedanken oder aus Respekt vor dem Wunsch unzähliger Dresdner nach einem Bürgerentscheid zur Tunnelalternative.
Der amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel legte erwartungsgemäß seinen Widerspruch gegen den Stadtratsbeschluss ein. Er folgt damit der Beschlussvorlage der Verwaltung. Diese hatte empfohlen, das Bürgerbegehren für unzulässig zu erklären. Damit muss sich der Stadtrat am 30.04.2008 erneut mit dem Thema befassen.
Eine weitere Beschlussvorlage, nach der bis zur endgültigen Entscheidung über das Bürgerbegehren die Bautätigkeiten in den Elbwiesen ruhen sollen, wurde mit 30 Ja-Stimmen zu 38 Nein-Stimmen abgelehnt. Das bedeutet zweierlei:
Zunächst heißt das: Eine Mehrheit des Stadtrats – namentlich aus dem Kreis der CDU- und FDP-Fraktion – ist dafür, dass die Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal unverändert vorangetrieben wird.
Darüber hinaus ist folgendes wichtig: Der Bauablauf in den Elbwiesen kann so gestaltet werden, dass gerade jetzt vor allem Brückenbauteile betoniert werden oder eben gerade nicht. Auch an anderen Stellen kann (Elbtunnel-verträglich) weitergebaut werden. Baubürgermeister Herbert Feßenmayr entscheidet hier über die Prioritätensetzung. Er sollte zur Kenntnis nehmen, dass eine Mehrheit des Stadtrats für den Bürgerentscheid ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Bürgerentscheid zu dem Ergebnis führen kann, dass eben nicht eine Brücke, sondern statt dessen der Tunnel gebaut wird. Alle Tatsachen, die jetzt von ihm – Ohne Not! – in aller Eile geschaffen werden, müssen dann für viel Geld wieder beseitigt werden. Baubürgermeister Herbert Feßenmayr sollte wissen: Er allein wird für die Fehlinvestitionen und die Beseitigungskosten in Millionenhöhe zur Verantwortung gezogen werden.
Nebenbei ist vielleicht nur eine kurze Szene aus der Stadtratssitzung erwähnenswert: Prof. Ralf Weber, selbst Mitantragsteller des Bürgerbegehrens, war zu Beginn der Sitzung die Möglichkeit eingeräumt worden, das Anliegen nochmals vorzustellen. Er wendete sich an die Stadträte mit den Worten: „Für einen kurzen Moment schaut heute abend die Welt auf Dresden.“ Dieser Satz wurde von den Fraktionen der CDU und der FDP mit höhnischem Gelächter quittiert. Das kann zweierlei bedeuten:
- Die Vertreter von CDU und FDP haben noch immer nicht erkannt, dass die Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal nicht nur national Aufmerksamkeit, sondern international erhebliche Irritationen auslöst. – Das aber ist schlicht ignorant.
- Die Vertreter von CDU und FDP haben sehr wohl erkannt, dass die Zerstörung des Welterbes Dresdner Elbtal nicht nur national Aufmerksamkeit, sondern international erhebliche Irritationen auslöst, es kümmert sie aber nicht. – Das aber ist schlicht arrogant.
Beide Interpretationen sind gewiss nicht schmeichelhaft. Wem eine vorteilhaftere Auslegung dieses Verhaltens einfällt, der möge sie bitte dem Verein Tunnelalternative, PF 16 02 51, 01288 Dresden mitteilen. Einsendeschluss ist der 01.06.2008, der UNESCO-Welterbetag 2008. Der kreativste Vorschlag wird mit einem Plakat „Ja zum Welterbe!“ prämiert.
Presse-Echo
Die großen Deutschen Tageszeitungen widmen dem Stadtratsbeschluss eigene, redaktionelle Beiträge. Das darf als Indiz dafür gelten, dass die aktuellen Entwicklungen in Dresden bundesweit sehr aufmerksam verfolgt werden:
- Welt Online: Dresden stimmt für neuen Bürgerentscheid
- Spiegel Online: Stadtrat befeuert Streit um Elbtalbrücke
- Focus Online: Stadtrat für neues Bürgerbegehren
- Sueddeutsche.de: Brückenstreit geht weiter
Selbstverständlich berichten auch DNN-Online und SZ-Online.
Abstimmungsverhalten
Die folgende Tabelle zeigt das Abstimmungsverhalten aller Stadträte: