Rede von Prof. Ralf Weber
24. April 2008
Zu Beginn der Sondersitzung des Stadtrats am 22.04.2008
warb Prof. Ralf Weber, Mitinitiator des Bürgerbegehrens,
mit folgenden Worten um Zustimmung bei den Stadträten.
Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
Sehr geehrte Beigeordnete,
Lieber Herr Kulturbürgermeister Dr. Vogel
Für einen kurzen Moment schaut heute abend die Welt auf Dresden – auf eine Stadt, die zum Symbol sinnloser Zerstörungen während des Krieges, aber auch zu einem Symbol für Wiederaufbau und Versöhnung geworden ist.
Diese Welt wird heute beobachten, ob wir ein Kulturgut, welches wir Dresdner bisher über die Unbilden von Kriegen, Katastrophen und wechselnden Regimen bewahren konnten, für unsere Kinder, aber auch für die Menschheit als Ganzes als ein einzigartiges Erbe erhalten wollen. Morgen wird man in den Zeitungen dieser Welt lesen können, wie Sie sich heute Abend im Stadtrat entschieden haben, und daran wird man nicht nur uns Dresdner, sondern Deutschlands Rolle als Kulturnation messen.
Jahrelang hat es in Dresden Grabenkämpfe wegen einer Verkehrsquerung gegeben, unglücklicher Weise nicht immer entlang von sachlichen Argumenten, aber oft entlang von Parteilinien – ein Konflikt, der nunmehr nur noch mit den Mitteln von Machtpolitik lösbar scheint.
In dieser verfahrenen Situation wollen wir – die Initiative „Welterbe Erhalten – Elbtunnel Bauen“ – mit dem Vorschlag eines Kompromisses diese Gräben überwinden und eine Lösung vorschlagen, die einerseits eine Verkehrsquerung ermöglicht, andererseits aber den Belangen der UNESCO nach Bewahrung der Einzigartigkeit dieses Ortes entspricht, die den Belangen des Naturschutzes, des Hochwasserschutzes, des Denkmalschutzes entspricht und gleichzeitig ein Stück Lebensraum mitten in der Stadt für die Dresdener erhält, an einer Stelle, die nicht umsonst bei Dichtern und Malern beliebt war, aber auch bei unseren Kindern, die dort im Winter Schlitten fahren und im Sommer ihre Drachen steigen lassen, eine Stelle, die Schiller zu seiner Ode an die Freude inspirierte und die mit Ihrem Welterbetitel in einer Reihe mit Städten wie Venedig, Florenz, der Akropolis oder den Pyramiden steht.
Die UNESCO hat anderen Brückenentwürfen eine klare Absage erteilt, nicht nur dem Ursprungsentwurf, sondern auch der sog. „Schlaich-Brücke“, aber auch der kürzlich eingereichten Variante. Auch nach dem Besuch der Dresdener Delegation mit dem Altministerpräsidenten hat sich die UNESCO in einer Richtigstellung vom vorigen Donnerstag gegen Presseberichte verwahrt, dass sie ihre Haltung geändert habe und zu einem Dialog über andere Varianten als den Tunnel bereit wäre.
Als Ausweg schlägt unsere Initiative die Umwandlung des bereits zu 2/3 als Tunnel und zu nur 1/3 als Hochstrasse und Brücke begonnenen Verkehrszuges in ein Volltunnelbauwerk vor.
Technisch sind in den letzten Wochen die wesentlichen Vorbehalte gegen ein solches Projekt ausgeräumt worden. Fachgruppen der TU Dresden und der Ingenieurkammer Sachsen sind sich immerhin fachlich soweit nähhergekommen, dass die von der Landeshauptstadt Dresden im Jahre 2003 im Geschäftsbereich von Baubürgermeister Feßenmayr und unter der Regie von Amtsleiter Köttnitz erarbeitete Studie eines Tunnel an dieser Stelle als technisch machbar akzeptiert wird, und zwar mit nahezu gleichen Aus- und Einfahrten wie bei den Brückenzufahrtstunneln, außer der stadtwärts gelegenen an der Bautzner Strasse, wo der Unterschied etwa 90 m beträgt. Auf der Altstädter Seite dagegen gibt es keinen Unterschied.
Nachdem dies lange von den Opponenten eines Tunnel bestritten wurde, nun auch von der Stadterwaltung (Amtsleiter Köttnitz) selbst gegenüber der DNN bestätigt wurde, geraten auch die anderen Argumente gegen einen Tunnel ins Wanken. Dass die Neigungen nicht den Richtlinien entsprechen, wurde in einer von Bürgermeister Feßenmayr beauftragten Untersuchung des Büros BUNG im vorigen Jahr ausgeräumt. Auch eine weder gesetzlich geforderte noch notwendige Überdeckung von 3,5m ist nach diesen Plänen bei gleicher Position der Tunnelmünder möglich. Dass der Tunnel einen Eingriff in das Grundwasserregime der Elbe darstellen würde, ist in einem der Stadt vorliegenden Gutachten klar widersprochen worden, dass die Anbindung an den ÖPNV bei nahezu gleichen Ein- und Ausfahrtspositionen möglich ist, ist jedem Laien verständlich. Dass ein Tunnel bei Hochwasser überflutet würde, schließt die Höhe des Tunnelmundes bei 114 m über NN aus. Sollte aber jemals ein Hochwasser von mehr als 3 Metern über dem Pegel des letzen Jahrhunderthochwassers auftreten, wird nach einer Sperrung aller Dresdner Brücken der Tunnel die letzte Querungsmöglichkeit zwischen beiden Stadtteilen sein.
Mit der Akzeptanz einer solchen Lösung müssen selbstverständlich auch geringere Kosten als die in der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung ansetzten angenommen werden. Wir brauchen nicht mehr den im BUNG-Gutachten genannten Höchstsatz, der sich auf einen ganz anderen Tunnel in einer ganz anderen Bauweise bezieht, anzunehmen. Wir können fairer Weise auch nicht die Preise von 2003 für die Brücke und 2008 für den Tunnel vergleichen, da sich die Stahlpreise inzwischen mehr als verdoppelt haben. Wenn wir ca. 20 Mio. für gestiegene Stahlpreise addieren, dann sind wir auf Parität zwischen Tunnel und Brücke. Und wenn wir dann noch die Fördermittel, die wir wegen Verstoßes gegen Bundesrecht als Abzug in kommenden Jahren verrechnet werden, subtrahieren, dann wird die Brücke wesentlich teurer als ein Tunnel. Darüber wäre auch der Bund der Steuerzahler in Sachsen nicht froh. Und selbst wenn der Tunnel etwas teurer wäre, sollte der Erhalt des Welterbes uns dies nicht wert sein? Zumal Bundesverkehrsminister Tiefensee zum wiederholten Male der Landesregierung und erst gestern wieder in einem Schreiben an Staatsminister Buttolo mitteilte, dass für diese Differenz im Wesentlichen Bundesmittel zur Verfügung stehen.
Und selbstverständlich erübrigt sich bei Annahme der städtischen Variante als Grundlage der Planung damit auch ein in allen Bereichen neues Planfeststellungsverfahren. Nur in Teilen wird ein solches notwendig sein. Eine im Bundesverkehrsministerium erst kürzlich erstellte Expertenschätzung geht von einer Fertigstellung des Tunnels von 24 Monaten nach dem Termin für die geplante Fertigstellung der Brücke aus. Wäre es also so schlimm, wenn man die Elbe 2 Jahre später queren könnte und damit das Welterbe erhalten kann?
Wenn es wirklich das primäre Ziel der Befürworter einer Brücke ist, eine Verkehrsverbindung über die Elbe zu schaffen, dann sollte es keine Gründe geben, gegen einen Tunnel zu sein. Wenn es wirklich um den Verkehr geht, dann lassen sie uns einen Tunnel bauen! Wenn wir mit einer unterirdischen Querung die gleichen Ziele erreichen können, wäre die Brücke nichts anderes als ein Monument der Rechthaberei.
Es geht an diesem Abend im Stadtrat längst nicht nur um eine Brücke oder einen Tunnel, sondern es geht auch um den Respekt vor mehr als 50.000 Dresdnern, die dieses Begehren unterschrieben haben. Worum es geht, ist die Respektierung eines demokratischen Grundrechtes auf Abstimmung, und sei es, dass sich die Dresdner dann wiederum für eine Brücke entscheiden.
Einen Bürgerentscheid zu beschließen, bedeutet aber auch, sich für eine Modifikation des Bauablaufes einzusetzen, damit nicht noch mehr Hindernisse für einen Tunnel in die Elbwiesen gebaut werden. Die Entscheidung für die Zulässigkeit des Begehrens ohne eine Änderung des Bauablaufes wäre nichts weiter als ein Lippenbekenntnis, ein leicht zu durchschauendes Manöver, um gleichzeitig ja aber auch nein zu einem Bürgerentscheid sagen zu können. Die Bürger müssen zum Bürgerentscheid schließlich etwas zu entscheiden haben.
Ich bitte Sie abschließend, hören sie auf die vielen Stimmen aus dem In- und Ausland, die Sie um eine Entscheidung zugunsten des Welterbes bitten.
Diejenigen unter Ihnen, die lange gegen einen Querung gekämpft haben, bitte ich um einen großen Schritt in Richtung dieses Kompromisses. Für diejenigen unter Ihnen, die jahrelang für diese Brücke gekämpft haben, ist es dagegen nur eine kleiner Schritt in Richtung Tunnelkompromiss. Dieser stellt sicher, dass Ihr Anliegen einer Querung erfüllt wird, aber unterirdisch. Beide stellen Sie mit diesem Kompromiss sicher, dass Dresden das Welterbe erhalten bleibt.
Danke.