Interviews mit Bandarin und Milbradt
13. Mai 2008
In der Sächsischen Zeitung finden sich zwei aktuelle Interviews, die Erhellendes zum Verhältnis zwischen dem Freistaat Sachsen und der UNESCO vermitteln:
Francesco Bandarin
Am 10.05.2008 erscheint ein Exklusiv-Interview mit dem Chef des UNESCO-Welterbezentrums in Paris.
Zwei Passagen des Interviews sind hervorhebenswert.
Auf die Frage: „Können Sie verstehen, dass sich viele Dresdner von der UNESCO erpresst fühlen?“ antwortet Francesco Bandarin: „Nein. Tatsächlich hat es Diskussionen über Alternativen, die wir uns immer gewünscht haben, mit uns nie gegeben. Wir kennen keine alternativen Brücken, keine Entwürfe zum Tunnel, keine anderen Verkehrsführungskonzepte – nichts. Die Stadt hat uns eine Brücke gezeigt, diese noch leicht geändert – und das war es.“
Es ist tröstlich, auf diesem Wege zu erfahren, dass es der UNESCO da nicht besser geht als manchem Dresdner. Zur Erinnerung: Kajo Schommer, der damalige Sächsische Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, gab auf einer so genannten „Dresden-Konferenz“ am 08.11.1995 bekannt: Der Freistaat werde nur eine Waldschlößchenbrücke fördern und nichts anderes. Damit wurde bis 2005 (für ein Jahrzehnt!) jegliche Diskussion über Alternativen zur Waldschlößchenbrücke im Keim erstickt.
Nun ist es keineswegs so, dass sich der Freistaat und die Landeshauptstadt in der Brückenfrage nicht bewegt hätten: Mit der „Burger-Brücke“ haben sie natürlich Kompromissbereitschaft bewiesen – nur dass man die Kompromisse Dresdner Art im Vorher-Nachher-Vergleichbild selbst als wohlmeinender Betrachter mit der Lupe suchen muss.
Schließlich reagiert Francesco Bandarin auf die Frage: „Fühlen Sie sich erpresst von Dresden?“ mit den Worten: „Der Bürgermeister kam und sagte: Wir bauen die Brücke. Was soll ich da sagen?“
Nichts. Dazu kann man nichts sagen. Man darf über die „Sturheit überrascht [sein], mit der diskutiert wurde.“ und man darf sich wundern über die Dreistigkeit, mit der sächsische Provinz- … ähm … besser vielleicht doch: sächsische Lokal- und Landespolitiker auf internationalem Parkett agieren.
Georg Milbradt
Am 13.05.2008 antwortet Ministerpräsident Sachsens auf das Interview mit Francesco Bandarin.
Zunächst sollte bei der Beurteilung des Interviews nicht übersehen werden, dass gerade mit dem Auslaufen der Bindungsfrist des Bürgerentscheids zur Waldschlößchenbrücke von 2005 der Weg wieder frei geworden ist für vernünftige Alternativen – wie dem Elbtunnel, der die Funktion der Elbquerung mit dem Erhalt des Welterbes verbindet. Wenn Georg Milbradt auch heute noch den seinerzeit erklärten „Bürgerwillen“ für sakrosankt erklärt, dann nur, weil er nicht bereit oder nicht in der Lage ist, aufrichtig nach Kompromissen zu suchen.
Darüber hinaus sind vor allem die Antworten auf die letzten drei Fragen bemerkenswert.
Auf die Frage: „Können Sie nachvollziehen, dass aus Sicht der UNESCO eine Brücke die Welterbe-Landschaft ‚irreparabel zerstört‘?“ hin beklagt Georg Milbradt: „Nein. Bei Licht betrachtet führt die UNESCO nichts anderes als eine Geschmacksdebatte.“ um wenige Zeilen später selbst von der „filigranen Einzigartigkeit“ der Brücke zu schwärmen. Nun ist es so, dass der „Geschmack“ der UNESCO – um nur einige Beispiele zu nennen – von der Bundesarchitektenkammer geteilt wird (ihr Bundesgeschäftsführer Tillman Prinz sagt wörtlich: „Dieses Stahlgerüst vor der Silhouette Dresdens können wir uns aber nicht vorstellen.“), dass erst vor wenigen Tagen 133 Dresdner Architekten einen Baustopp für die Brücke gefordert haben und dass selbst Professor Manfred Curbach, Direktor des Instituts für Massivbau an der TU Dresden und Veranstalter des renommierten Dresdner Brückenbausymposiums (!), etwas euphemistisch von einem „nicht unbedingt optimalen Entwurf“ spricht. Bei allem Respekt vor dem Geschmack unseres Ministerpräsidenten: Als Finanzpolitiker möge er sich bei baukünstlerischen Fragen doch bitte etwas mehr in Zurückhaltung üben.
Ein bemerkenswerter Zungenschlag verbirgt sich in der Antwort von Georg Milbradt auf die vorletzte Frage. Hier formuliert er: „Letztendlich erleben wir gerade den Versuch, die Dresdner Bürger zu entmündigen.“ Ganz recht: 50.000 Dresdner werden das unangenehme Gefühl, von Stadtverwaltung und Regierungspräsidium entmündigt zu werden, einfach nicht mehr los.
Das „Sahnehäubchen“ des gesamten Interviews kommt aber ganz zum Schluss. Auf die Frage: „Haben Sie das Regierungspräsidium in seinen Entscheidungen die Brücke betreffend beeinflusst?“ antwortet Georg Milbradt (vermutlich mit einem süffisanten Lächeln) geradewegs: „Das Regierungspräsidium trifft seine Entscheidungen aus eigener Verantwortung nach geltendem Recht und Gesetz.“ Das sollte gewiss so sein – die Realitäten sehen in Dresden gleichwohl ganz anders aus. Erinnert sei nur an das Schreiben der ehemaligen Bürgermeister Gunter Just und Klaus Gaber, in dem sie berichten, dass sie in ihrer „damaligen Verantwortung als Dresdner Beigeordnete […] unmittelbar [haben] erfahren müssen, in welch massiver Weise die CDUgeführte Staatsregierung auf die Entscheidungen der kommunalen Gremien Einfluss nahm.“
Für wie dumm hält unser Landesvater denn seine Landeskinderchen eigentlich?