Masterplan Welterbe Dresdner Elbtal
16. Mai 2008
Wir vereinen in uns die Sorge um unser Haus und um unsere Stadt. Wenn wir auch verschiedenen Tätigkeiten zugewandt sind, so ist doch in den Dingen der Stadt keiner ohne Urteil. Bei uns heißt einer, der an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter. Wir entscheiden in den Dingen der Stadt selber oder denken sie doch richtig durch. Denn wir sehen nicht im Wort eine Gefahr für das Tun, wohl aber darin, sich nicht durch Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet.
Perikles (430 v.Chr.)
Dieses Zitat ist dem „Masterplan Welterbe Dresdner Elbtal“ vorangestellt, der Ende 2006 von der Landeshauptstadt Dresden herausgegeben wurde. Die Broschüre ist im Internet unter dresden.de verfügbar. Einige Textpassagen sind gleichermaßen bemerkenswert wie selbstredend, dass sie an dieser Stelle ganz einfach unkommentiert wiedergegeben werden können:
- Seite 9: „Die Welterbekonvention entfaltet gegenüber dem Vertragsstaat eine rechtliche Bindungswirkung. Partner bei der Erfüllung sind die Länder, die sich nach dem Grundsatz der Bundestreue und Völkerrechtsfreundlichkeit zu verhalten haben und die Welterbestätten selbst. Sind diese – wie im Falle Dresdens – Gemeinden, verfügen sie über ein hohes Maß an Eigenständigkeit bei der Entscheidungsfindung. Diese findet ihre Grenzen da, wo Handlungen der bundesrechtlichen Ordnung zuwiderlaufen. Hier kann ein korrigierendes Einwirken des Landes, meist vermittelt über die Mittelbehörde auf dem Wege der Kommunalaufsicht, erfolgen. So kann erreicht werden, dass alle staatlichen Organe Verletzungen der die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen unterlassen.“
- Seite 11: „Der Verlust des Welterbetitels wäre ein zumindest in Europa noch nicht gesehener Vorgang mit erheblichen Nachteilen für das Dresdner Gemeinwohl. Sein Untergang als Welterbestätte würde eine Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt und die schwerste Konventionsverletzung darstellen, die Deutschland seit der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention begangen hätte. Die Stadt begründet ihre Reputation in hohem Maße mit der Reichhaltigkeit und dem Niveau ihrer Kunst und Kultur. Hinzu träten negative Wirkungen hinsichtlich des sich auch zunehmend in touristisch-wirtschaftlicher Hinsicht auszahlenden Gütesiegels des Weltkulturerbes. Gerade im Wettbewerb der Städte und Regionen wird diese Auszeichnung ein immer wirksameres Argument – Ausdruck einer hohen Lebensqualität, die sich auf eine reiche Kultur und Naturausstattung gründet.“
- Seite 19: „Das gesamte Welterbegebiet ist Bestandteil des Flächennutzungsplanes der Sächsischen Hauptstadt. Dieser Plan ist gesetzlich verbindlich und trägt der Bedeutung und Qualität des geschützten Areals Rechnung. Sämtliche sensiblen und wichtigen Zonen haben spezielle Schutzpläne, die auch die Wiesen, Weinberge und Villengebiete enthalten. Die Stadt Dresden hat zum Schutz der Charakteristika ausgewählter Gebiete Satzungen erlassen, beispielsweise für die alten Dorfkerne und vorstädtische Areale.“
- Seite 20: „Die Flusslandschaft wurde als ein bedeutendes künstlerisches Element schon in der Stadtplanung im 18. Jahrhundert genutzt, genau wie es sowohl von Malern wie Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, überliefert wurde als auch von Schriftstellern und Dichtern. Das Elbtal war auch bedeutsam in der Herausbildung der romantischen Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert. Die Qualitäten der Landschaft wurden als wichtige Werte in der Regionalplanung des 19. und 20. Jahrhunderts beachtet. Diese Sichtweise ist auch heute in neuen Entwicklungen maßgebend. Entsprechend der Anstrengungen zur Erhaltung der Landschaft in früherer und jetziger Zeit ist diese Landschaft aufgrund ihrer Besonderheiten mittlerweile ausgesprochen gut und wirkungsvoll geschützt.“
- Seite 21: „Kulturerbestätten zeichnen sich durch eine herausragende Architektur und Landschaftsgestaltung aus. Hier sind auch künftig höchste Ansprüche zu stellen. So wird die Identifikation der Bewohner mit ihrer baulichen Umwelt erhöht und gefördert, damit auch nachwachsende Generationen bereit sind, dieses Erbe zu pflegen und zu erhalten.“
- Seite 23: „Planungsverfahren und Entscheidungsprozesse im Welterbegebiet sowie auf gesamtstädtischer Ebene bedürfen einer breiten Mitwirkung der Bürgerschaft. Dies ist bereits in der Welterbekonvention und ihren Durchführungsbestimmungen so angelegt und entspricht dem Wesen unserer Demokratie. Die Mitwirkung an der Ausgestaltung der direkten und repräsentativen Demokratie ermöglicht, Entscheidungsprozesse an politischen Programmen auszurichten. Breite Schichten entscheiden und gestalten mit.“
- Seite 40: „Neben den erwähnten städtebaulichen Konzeptionen, den vorbereitenden und verbindlichen Bauleitplanungen, sollte es der Stolz der Investoren und Bauherren sein, mit ihrem Bau eine hochwertige Architektur, die sich in den städtebaulichen Rahmen einfügt, zu realisieren. Im Welterbegebiet ist nach den Worten Dr. Roland Berneckers, Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission, die Beurteilung geplanter Maßnahmen nicht mehr nur eine lokale Angelegenheit, sondern wird auch von der internationalen Fachwelt vorgenommen. Der Welterbebelang ist als öffentliches Anliegen in Abwägungen einzubeziehen.“
- Seite 41: „Insbesondere am Elbhang sind die ansässigen Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf den Wert der Kulturlandschaft sensibilisiert. Sie fordern daher die Beachtung der im Mai 1996 beschlossenen Elbhangsatzung für das Denkmalschutzgebiet Elbhänge bei allen Bauvorhaben und anderen Maßnahmen, welche das Landschaftsbild der Elbhänge zwischen Loschwitz und Pillnitz verändern. Faktisch jedes Vorhaben bedarf in diesem Raum einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung, die private Bauherren im Amt für Kultur und Denkmalschutz beantragen müssen.“
Man kann es nicht deutlich genug sagen: Der „Masterplan Welterbe Dresdner Elbtal“ ist nicht das Positionspapier einer Bürgerinitiative, sondern ein Handlungsleitfaden, den sich die Landeshauptstadt Dresden selbst gegeben hat. Bemerkenswert daran ist, das man offensichtlich an alles gedacht hat – eingeschlossen den Hundekot in den Elbwiesen – allein die grundsätzliche Unverträglichkeit des Brückenprojekts mit dem Gedanken der Bewahrung des Welterbes wird nicht erkannt.
Im Masterplan heißt es zur Aufnahme des Dresdner Elbtals in die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten: „Das Welterbekomitee stellt fest, dass der Bau der ‚Waldschlößchenbrücke‘ den Wert und die Integrität des Schutzgutes … irreversibel schädigen würde.“ Weiterhin wird angemerkt: „Zum Verkehrszug Waldschlößchenbrücke … wird in einem Mediationsverfahren unter Beteiligung von UNESCO-Gremien nach alternativen Lösungsmöglichkeiten gesucht.“ Dass keine alternativen Lösungsmöglichkeiten gefunden wurden, wissen wir heute. Das keine alternativen Lösungsmöglichkeiten gefunden werden konnten, weil es der Landeshauptstadt Dresden und dem Freistaat Sachsen bis heute an Kompromissfähigkeit und am Willen zur ehrlichen Lösungssuche mangelt, wissen wir auch.
Herausgeber des 2006 erschienenen „Masterplans Welterbe Dresdner Elbtal“ ist Dr. Lutz Vogel, Erster Bürgermeister der Landeshauptstadt Dresden.
Betrachtet man die hier angeführten Textpassagen vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um den Bau der Waldschlößchenbrücke und der unrühmlichen Rolle, die er dabei einnimmt, ist man geneigt, ihm folgende Worte in den Mund zu legen:
Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?
Konrad Adenauer