Warum die totale Brücke?
16. Juni 2008
Ein Welterbe-Puzzle
Angesichts der Aktionen für eine welterbetaugliche Elbquerung in Dresden drängt sich immer wieder die Frage nach den wahren Gründen für die Starrheit der sächsischen Landesregierung und einiger Dresdner Stadträte bezüglich des Brückenbaus am Waldschlößchen auf. Warum unbedingt diese Brücke?
Eine ehrlich Antwort auf diese Frage ist derzeit kaum zu bekommen. Dennoch lässt sie sich finden, wenn man ein wenig puzzelt:
Puzzleteil eins lieferten im Januar 2008 die Vertreter der Ingenieurkammer Sachsen, welche den Tunnel als „keine wirkliche Alternative“ bezeichneten, u.a. weil „Fragen der weiteren Entwicklung des Güterverkehrs, der Fahrrinnentiefe etc. per Staatsvertrag … mit Tschechien zu regeln“ seien (Pressemitteilung der Ingenieurkammer Sachsen vom 31.01.2008).
Könnte das etwas mit einem Elbe-Ausbau zu tun haben? Möglicherweise schon. Haben sich doch 2006 das „deutsche und das tschechische Verkehrsministerium auf ein Konzept für die Schiffbarkeit der Elbe geeinigt. Demnach soll der letzte noch weitgehend naturbelassene Fluss Europas vom Jahre 2010 an zwischen Decin in Nordböhmen und Hamburg an mindestens 345 Tagen des Jahres befahrbar sein. Ziel sei die Belebung dieses jahrhundertealten Wasserweges.“ (TAZ vom 28.08.2006: „Elbe-Ausbau alarmiert Umweltschützer“)
Puzzleteil zwei findet sich beim Lesen der Webseite neue-waldschloesschenbruecke.de in der Stellungnahme des pensionierten Bauwerk-Fachplaners Dr. W. Pschenitzka: Die ursprüngliche minimale Überdeckungsstärke des Tunnels unterhalb der Elbe von 1,8 Metern (im Tunnelgutachten der Stadt von 2003) sei nicht mehr zutreffend, da das Wasser- und Schifffahrtsamt mit dem Schreiben vom 31.03.2006 eine Überdeckungsstärke von 3,5 Metern vorgibt. Haben sich 2003 die Tunnelplaner geirrt oder hat die Elbe plötzlich ihre Erosionskraft erhöht? Was könnte das Wasser- und Schifffahrtsamt dazu bewegen, so „spontan“ seine Vorgaben zu ändern?
Puzzleteil drei liefert eine Antwort: Wenn man den Fluss vertiefen will, braucht man darunter Platz. Vertiefen muss man ihn, um profitabel möglichst voll beladene Schiffe fahren lassen zu können. Das wäre im Interesse der Hafenbetreiber an der Elbe. Betreiber der größten Häfen an der oberen Elbe von Lovosice (Tschechien) bis nach Roßlau (Sachsen-Anhalt) ist die „Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH“ und die gehört dem Land Sachsen. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Dresden wiederum ist eine Ortsbehörde des Bundesverkehrsministeriums, das ja (spätestens) seit 2006 wieder an der Belebung der Elbe-Güterschifffahrt interessiert ist. Man erinnere sich an Puzzleteil eins, womit sich der Kreis schließt.
Es geht hier um mehr als ein paar Schiffe auf der Elbe. Allein für den Erhalt der Schiffbarkeit der Elbe werden derzeit jährlich 40 Millionen Euro an Steuergeldern ausgegeben, mit einem Ausbau möglicherweise noch mehr. Und wenn man neben dem Ausbau des Flusses auch noch die Elbhänge bebauen wöllte, dann wäre das alles besser ohne die UNESCO als „Bremse“ möglich.
Die Antwort auf unsere eingangs gestellte Frage lautet also: Die Brücke als Welterbestatus-Killer schafft Freiraum für umfassende Eingriffe, Veränderungen oder Bauten im Elbtal. Das hat man sich im Bürgerentscheid von 2005 gewissermaßen demokratisch legitimieren lassen – von einem davon nicht in Kenntnis gesetzten Teil der Dresdner. Ob sie die Brücke unter diesen Umständen befürwortet hätten? Dampferflotte ja, aber wohl kaum ein Dresdner mag sich seine Stadt mit zugebauten Elbauen und mit hektischem Lastschifffahrtsgewimmel wie im Hamburger Hafen mitten in der Altstadt vorstellen. Und: wie sollen üppige Frachtschiffe die Augustus- und die Albertbrücke passieren? Wo schon die Schiffe der Weißen Flotte bei jeder Passage ihre Schornsteine einholen müssen!