Lückenhafter Vogelschutz in Sachsen
17. Juni 2008
Ein Beitrag des
BUND Dresden
Mit dem europäische Schutzgebietsystem NATURA 2000 entsteht gegenwärtig ein zusammenhängendes Netz zum Schutz bedrohter Lebewesen und deren Lebensräume, zur Bewahrung des Naturerbes und der biologischen Vielfalt Europas auch über Ländergrenzen hinweg. Den Kern bilden die an die Europäische Union gemeldeten Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) und Vogelschutzgebiete (Special Protection Areas, SPA).
Zuständig für deren Auswahl nach einheitlichen Richtlinien der EU sind in Deutschland die Bundesländer, so auch Sachsen. Unterstützend wie kritisch von den Umweltverbänden NABU und BUND begleitet, schaffte es auch Sachsen, nach mehreren Meldetranchen nunmehr 270 FFH-Gebiete (9,16% der Landesfläche) und 77 SPA-Gebiete (13,5% Landesfläche, häufig die FFH-Gebiete umschließend) einzureichen. Der Vogelschutz komme damit auf europäisches Niveau, vermeldete stolz das Regierungspräsidium Dresden im Dezember 2006 bei der Bekanntmachung der Verordnungen.
Schaut man sich jedoch die beiden das sächsische Elbtal betreffenden Schutzgebiete FFH Nr. 34 „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg“ sowie das gleichnamige Vogelschutzgebiet Nr. 26 „Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg“ näher an, dann fällt eine Lücke im Vogelschutzgebiet in der Dresdner Innerstadt auf. Zwischen Marienbrücke und Blauen Wunder setzt der Vogelschutz aus, macht sozusagen eine Pause. Die auf Johannstädter Seite bis ans Blaue Wunder, auf Neustädter Seite bis ans Waldschlößchen reichenden Elbwiesen sind ausgerechnet hier, an ihrer breitesten Stelle nach Meinung sächsischer Behörden nicht schutzwürdig. Da selbst die schmale Kaditzer Flutrinne im Schutzgebiet liegt, ist eine Auslassung der wesentlich breiteren Johannstädter Elbwiesen schon merkwürdig.
Nun lassen die Vorgaben der europäischen Union den zuständigen Behörden fachliche Spielräume zu. Nicht alle Gebiete, in denen geschützte Vogelarten vorkommen, müssen aufgenommen werden. Es sind bei den Brutvogelarten die „repräsentativsten (Top 5) Gebiete“ auszuwählen. Der streng geschützte Wachtelkönig hat halt Pech. Warum muss er auch ausgerechnet auf der Johannstädter Wiese brüten? Soll er doch im Ostragehege bleiben, da rennen auch weniger Hunde rum, meint schon das Regierungspräsidium im Planfeststellungsbeschluss zur Waldschlößchenbrücke.
Wenn selbst der Regionale Planungsverband Oberes Elbtal-Osterzgebirge die gesamte Elbachse auch innerhalb Dresdens als „überregional bedeutsame Vogelflugachse“ in die Karte B zur Windenergienutzung des Regionalplanes aufgenommen hat, muss damit für die Fachbehörden noch lange nicht das Kriterium eines „wichtigen Rastgebietes von Wasservogelarten“ erfüllt sein. Für die Naturschutzverbände Grüne Liga, NABU und BUND gehören die Johannstädter Elbwiesen ohne Zweifel zu den Top 5-Gebieten Sachsens, für Wachtelkönig und Flussuferläufer sind es wichtige Rastplätze und erfüllen damit die internationalen Anforderungen C 4 und C 6 des Verzeichnisses IBA (Important Bird Areas), um als Vogelschutzgebiet bewertet zu werden.
Stützen können sich dabei die Naturschützer auch auf die vom Landesamt für Umwelt und Geologie als Fachbehörde für das Vogelschutzgebiet Nr. 26 mitgelieferte „Gebietscharakteristik“, die ohne Zweifel auch auf die ausgelassenen innerstädtischen Elbwiesen zutrifft. Das Vogelschutzgebiet Nr. 26 ist gekennzeichnet durch: „Strom- und Auenbereiche der Elbe mit wechselnden Talbreiten, […] breite Auen mit Anschluss an flache Niederterrassen in der Dresdener Elbweitung, […] extensiv genutzte Auenwiesen mit Staudenfluren.“ Es sind: „[…] bedeutende Brutgebiete von Vogelarten der vegetationsarmen Uferbereiche, der halboffenen und grünlandbetonten Auenlandschaft, der offenen bis halboffenen Agrarlandschaft und der Wälder und bedeutendes Rast-, Durchzugs- und Nahrungsgebiet für Wasservogelarten, insbesondere die auch noch während längerer Frostperioden eisfreie Elbe.“
Sonderbar muss es da schon erscheinen, wenn durch sächsische Behörden aus einem von der Tschechischen Grenze bei Schöna bis zum Brandenburger Elbzipfel bei Mühlberg durchgehend als Vogelschutzgebiet eingestuften Naturraum ausgerechnet der Bereich ausgelassen wird, in dessen Mitte die Waldschlößchenbrücke entstehen soll. Es hat schon sehr den Anschein, dass hier eine Behörde der Landesregierung unter Verletzung ihrer Unabhängigkeit dem Vorhaben „Waldschlößchenbrücke“ mögliche Planungshemmnisse aus dem Weg räumen sollte. Dementiert wurde diese Vermutung bisher jedenfalls nicht.
Das Verwaltungsgericht Dresden hat den Naturschutzverbänden in seinem Hufeisennasenurteil vom 09.08.2007 den Hinweis mit auf den Weg gegeben, verwaltungsgerichtlich nachprüfen zu lassen, „ob eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet aus fachfremden Erwägungen unterblieben ist“ (VG Dresden, Urteil vom 09.08.2007, Az. 3 K 712/07).
Kartenmaterial zum SPA-Gebietsvorschlag:
- Übersichtskarte 1 (pdf-Datei, 1.658 kB)
- Übersichtskarte 2 (pdf-Datei, 2.125 kB)
- Übersichtskarte 3 (pdf-Datei, 2.031 kB)