Kann man mit Geld Stimmen kaufen?
20. Juni 2008
… fragt sich
Eduard Zetera
Wohl eher nicht. Das ist für Deutschland gottlob nicht landestypisch. Gleichwohl kann man mit Geld Stimmung machen.
Einen eindrucksvollen Beleg für diese These bekommen die Dresdner von der hiesigen CDU im Wahlkampf um den Oberbürgermeisterposten der sächsischen Landeshauptstadt vorgeführt. Diese scheut weder Kosten noch Mühe, um Helma Orosz in das höchste Amt der Stadt zu hieven.
Im einzelnen:
Kosten
Nach eigenem Bekunden investiert die CDU in den hiesigen Wahlkampf eine sechsstellige Summe.
Rechnen wir einmal nach: Bei 421.192 wahlberechtigten Dresdnern, einer Wahlbeteiligung von 42,2% und einem Stimmenanteil von 47,6% hat Helma Orosz damit im ersten Wahlgang am 08.06.2008 insgesamt 84.606 Stimmen eingeworben. Im zweiten Wahlgang am 22.06.2008 waren es (421.229 Wahlberechtigte, 33,9% Wahlbeteiligung, 64,0% Stimmenanteil) 91.390 Stimmen. – Bitte: Von „gekauft“ ist nicht die Rede.
Wir erinnern uns: Der Verein „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ hat mit einem Bruchteil dieses Budgets 50.000 Unterschriften gesammelt.
Nun soll hier nicht das Wahlprogramm einer Oberbürgermeisterkandidatin mit dem Vorschlag einer stadtbildschonenden Flussquerung verglichen werden. Dennoch stellt sich die Frage, warum verschiedene Konzepte derart unterschiedlichen Zuspruch erfahren.
Vermutlich ist es dem Verein Tunnelalternative gelungen, die Gründe für sein Anliegen überzeugender zu formulieren als das „Wahlprogramm“ der CDU. Wenn Frau Orosz mit visionären Parolen wie z.B.: „Für sichere Fußwege!“ ganze Stadtviertel zuplakatiert, hat sie wohl selbst den Verdacht genährt, dass ihre Programmatik an Inhaltsarmut leidet.
Auf den Punkt gebracht: In wirtschaftlichen Kategorien formuliert, produziert die CDU – bislang stets bemüht, als Inkarnation der Wirtschaftskompetenz zu erscheinen – dürftige Qualität zu aberwitzigen Kosten. Wenn ihr dennoch Erfolg beschert ist, darf das bestenfalls als Beleg dafür gelten, dass gelegentlich auch Materialschlachten zum Ziel führen.
Mühe
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich waren sich nicht zu schade, Helma Orosz auf einer Wahlkampfveranstaltung in Dresden am 18.06.2008 persönlich zu unterstützen. Der Umstand an sich deutet darauf hin, dass der CDU sehr daran gelegen ist, den Oberbürgermeisterposten in Dresden mit eigenem Personal zu besetzen.
Die Veranstaltung geriet ein wenig zur Farce, weil eine große Gruppe von Welterbe-Verfechtern und Elbtunnel-Sympathisanten sehr deutlich machte, dass sie die Haltung der CDU zum Welterbe und zum Brückenbau in Dresden für inakzeptabel hält. Allen drei Protagonisten fiel angesichts des lautstarken Protests nichts anderes ein, als den Bau der Waldschlößchenbrücke mit dem Verweis auf den im Jahr 2005 mehrheitlich erklärten Bürgerwillen zu rechtfertigen. Diese Argumentation ist jedoch
- einfach nur noch langweilig: Davon, dass man sie gebetsmühlenartig wiederholt, gewinnt sie nicht an Überzeugungskraft.
- beinahe rührend einfältig: Es ist unbestritten, dass den seinerzeit abstimmenden Dresdnern die Welterberelevanz ihrer Entscheidung gar nicht bewusst war und dass mit der Entscheidung der UNESCO, Dresden wegen des Brückenbaus auf die Rote Liste zu setzen, im Jahr 2006 eine vollkommen neue Situation entstanden ist. Mal ganz abgesehen davon, dass die Bindungsfrist des Bürgerentscheids von 2005 vor drei Monaten abgelaufen ist.
- schlichtweg ignorant: Mit der nachweislich praktikablen Alternative Elbtunnel kann der erklärte Wunsch der Dresdner nach einer Elbquerung am Waldschlößchen in einer welterbeverträglichen Weise erfolgen. Wer dennoch auf der Waldschlößchenbrücke besteht, errichtet nichts anderes als „ein Monument der Rechthaberei“, wie Prof. Ralf Weber bei der Sondersitzung des Stadtrats am 22.04.2008 formulierte.
Vor diesem Hintergrund klang der Leitspruch von Helma Orosz: „Ich werde einen, nicht spalten!“ wenig überzeugend. Traurig ist, dass Stanislaw Tillich – von dem man sich im Unterschied zu seinem Vorgänger Georg Milbradt moderatere Töne in der Diskussion um die Waldschlößchenbrücke erwartet hatte – in keiner Weise von der schon viel zu lange als stur beklagten Haltung der Sächsischen Landesregierung abzuweichen scheint. Und geradezu tragisch ist, dass auch Angela Merkel, die schon qua Amt die bundesweiten und internationalen Implikationen des „Dresdner Brückenstreits“ im Blick haben sollte, nicht um verbindliche Worte bemüht war. Als Bundeskanzlerin steht sie so weit über den Dingen, dass es nur noch wenige gibt, die ähnlich gut in der Lage wären, Dresden aus dieser verfahrenen Debatte heraus zu helfen.
Sicher ist es unüblich, in Wahlkampfzeiten Kuscheleinheiten zu verteilen, und schon gar nicht in einer derart polarisiert geführten Debatte. – Aber für die Zeit danach stimmt der Auftritt der drei nur wenig optimistisch.
Die Misstöne bei der Veranstaltung am 18.06.2008 waren für Angela Merkel, Stanislaw Tillich und Helma Orosz gewiss unerfreulich aber nicht zwangsläufig unvertraut. Als Politiker bekommt man nun mal gelegentlich Widerspruch zu hören. Viel ärgerlicher wird für sie eine ganz andere Erkenntnis gewesen sein: Diejenigen, die da ihrem Unmut Luft machten, sahen gar nicht so aus, wie „Brücken-Dschihadisten“, als die sie Sachsens Justizminister Geert Mackenroth zu diffamieren suchte. Darunter stellt man sich wohl eher subversive Gestalten vor, die nach Alkohol, Tabak und Schweiß riechen. In dieses Raster will der Dresdner Protest gegen die Welterbezerstörung aber so gar nicht passen: Er wird getragen von gebildeten, kultur- und geschichtsbewusst denkenden Bürgern der Mittelschicht. Fatal ist für die CDU, dass es sich hierbei um ihre Stammwählerschaft handelt, zu der sie so voll auf Konfrontationskurs geht. Auf ihre Zustimmung muss sie bei der Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2008 verzichten. Doch damit nicht genug: Im Jahr 2009 ist Stadtratswahl. Es ist nicht erkennbar, wie die CDU bis dahin diese Kerngruppe ihrer Wählerschaft zurückgewinnen will.