Herr Mücke hat ein intellektuelles Problem
23. Juni 2008
Im Stenografischen Bericht von der 168. Sitzung des Deutschen Bundestags am 18.06.2008 in Berlin findet sich eine bemerkenswerte Passage: Hier bekennt der Dresdner FDP-Abgeordnete Jan Mücke freimütig (38. Seite): „Ich habe jetzt ein intellektuelles Problem.“ Um das Problem von Jan Mücke zu verstehen, muss ein wenig ausgeholt werden. Vorweg aber schon der Hinweis: Es wird dem Parlamentarischen Staatssekretär Achim Großmann schließlich gelingen, ihm aus seinem „intellektuellen Dilemma“ zu helfen.
Hintergrund der im Bundestag geführten Diskussion sind die Versuche der Brückenfreunde, die Machbarkeit des Elbtunnels grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Ein Argument, das von ihnen mit Vorliebe angeführt wird, lautet verkürzt: Die Bauzeit eines Tunnels ist inakzeptabel lang. So spricht z.B. ein Informationsblatt der CDU-Stadtratsfraktion vom September 2007 von „weit über zehn Jahren“. Nach einer Pressemitteilung der Ingenieurkammer Sachsen vom 31.01.2008 ist die „Verkehrsübergabe einer Elbtunnellösung vor 2015 illusorisch.“ Und auf der Internetseite der Bürgerinitiative Pro Waldschlößchenbrücke heißt es bis heute: „Die Realisierung des Elbtunnels dürfte bis zu 10 Jahre in Anspruch nehmen.“
Nun steht das in krassem Widerspruch zu Aussagen einer hochkarätigen, unabhängigen und international besetzten Gruppe von Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, die nach der Fachklausur „Elbtunnel Dresden“ am 06.03.2008 sagt: „Bei zeitnaher Entscheidung des Stadtrates für einen partiellen Baustopp und einer Beauftragung zur Weiterführung der Tunnelplanung dauert die Fertigstellung des Tunnels im Vergleich zur Brücke ca. zwei Jahre länger.“ Trotz eines einigermaßen dreisten Manövers des städtischen Presseamts wird nach Fachgesprächen in der Folge diese Einschätzung seither weder von den Fachleuten der Ingenieurkammer noch von der Stadtverwaltung bestritten.
Ganz anders verhält es sich mit Jan Mücke: Er nutzt die Fragestunde des Bundestags in Berlin, um den „Fachrat Dresdner Welterbe der Lüge zu überführen“, wie er selbst am 30.05.2008 in einer Pressemitteilung verlauten lässt. In der Fragestunde am 28.05.2008 war ihm das dem ersten Anschein nach noch ganz gut geglückt. Am 18.06.2008 versuchte er erneut, durch eine Vermischung von Ergebnissen einer förderrechtlichen Prüfung und Aussagen zu planungsrechtlichen Erwägungen – verpackt als „intellektuelles Problem“ –, dem Vertreter des Bundesverkehrsministeriums widersprüchliche Aussagen zu entlocken. Schließlich meinte der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann (39. Seite): „Herr Mücke, Sie versuchen jetzt, mir das Wort im Munde herumzudrehen. Das finde ich nicht besonders fair; ich merke es aber.“ und belehrte ihn darüber, „dass, wenn ein Tunnelzulauf für eine Brücke gebaut werden muss, Teile dessen, was man im planerischen Vorfeld gemacht hat, weiterverwendet werden können. … So etwas zu sagen, ist … aus der Erfahrung eines langjährigen erfolgreichen Baudezernenten durchaus möglich.“ Achim Großmann sagt damit im Grunde nichts anderes als die Teilnehmer der Fachklausur: „Schätzungsweise 15% der Planunterlagen des Planfeststellungsverfahrens müssen neu erarbeitet werden. Die Erstellung der Planfeststellungsunterlagen für den Tunnel nimmt 6 Monate in Anspruch. Das Genehmigungsverfahren dauert ca. 8, maximal 12 Monate.“
Mit einem Wort: Die Brückenfreunde behaupten, für den Bau eines Tunnels bräuchte man 7 bis weit über 10 Jahre, also bis 2015 oder 2018. Die Fachleute sagen hingegen, der Bau des Elbtunnels dauert nur 2 Jahre länger als eine Brücke, also bis 2012.
Diese Art der Diskussion entspricht einem Leitmotiv, das sich seit Jahren durch den „Dresdner Brückenstreit“ zieht: Die Brückenfreunde erfinden mehr oder minder abstruse Einwendungen, um die Machbarkeit des Elbtunnels in Zweifel zu ziehen. Ihre Behauptungen zu den Kosten oder der Lage von Zufahrten und Lüftungsgebäuden sind vielleicht die bizarrsten Beispiele dafür. Bislang hat keines ihrer Argumente einer fachlichen Prüfung standgehalten. Das ficht sie nicht an. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Achim Großmann mit der Bemerkung schließt: „Wenn Sie sich die Situation und den Trassenverlauf anschauen – das Vorhaben findet ja auf der gleichen Trasse statt –, dann müssten eigentlich auch Sie mir zustimmen – vielleicht erst nach der Fragestunde; aber letztlich müssen Sie mir zustimmen.“ Von Jan Mücke bekommt er darauf nichts anderes zu hören als ein trotziges: „Nein!“
Im übrigen sollte nicht übersehen werden, dass die Brücke wegen der Stahlknappheit auf dem Weltmarkt nicht nur um 20 Mio. € teurer wird, sondern der Stahlbau erst 2009 statt wie geplant 2008 beginnen kann: also ein Jahr später. Dies ist seit Monaten bekannt.
Kurzum: Voraussichtliche Fertigstellung einer Brücke: 2011 – Mögliche Fertigstellung des Elbtunnels: 2012. Der Elbtunnel holt auf!
Und Sorgen, dass es bis dahin langweilig wird, sind auch unbegründet: Herr Mücke wird gewiss für Kurzweil sorgen …