Und die UNESCO war doch informiert!?
1. Juli 2008
Eine Richtigstellung bleibt lange aus
Am 02.07.2004 wird bei der 28. Sitzung des Welterbe-Komitees der UNESCO in Suzhou (China) das Dresdner Elbtal in die Welterbeliste aufgenommen. Anwesend ist auch der ICOMOS-Vertreter Jukka Jokilehto, dessen Gutachten die besagten Fehler enthält. Dresden hat zur Verleihung des Welterbetitels drei hochrangige Vertreter entsandt: Herbert Feßenmayr (Baubürgermeister), Jörn Konrad Timm (Europabeauftragter der Stadt Dresden) und Prof. Gerhard Glaser (Landeskonservator). Sie schweigen zu den offensichtlichen Mängeln des ICOMOS-Gutachtens. In einer knappen und treffsicheren Analyse der Vorgänge kommt Albrecht Leonhardt zu dem Schluss (Seite 7): „Unsere drei Abgesandten haben wissend um die falschen Aussagen im Schlusspapier bewusst der damaligen Abstimmung tatenlos zugesehen.“
Die Fehler in der Beschlussvorlage des Welterbe-Komitees werden von den Dresdner Vertretern bewusst verschwiegen.
Ist das redlich?
In Dresden scheint indes keinen der Entscheidungsträger ein schlechtes Gewissen zu plagen. Noch am 11.11.2005 zitieren die Dresdner Neueste Nachrichten den Landeskonservator und Leiter der Dresdner Welterbe-Bewerbung, Gerhard Glaser, mit den Worten: „Wir haben ihm [Jukka Jokilehto] doch vom Schiff aus gezeigt, wo die Brücke hinkommen soll.“ Mit Baubürgermeister Herbert Feßenmayr und Kulturbürgermeister Lutz Vogel bestätigen zwei weitere Teilnehmer dieser Flussfahrt den dort gegebenen Hinweis auf die Waldschlößchenbrücke. In den DNN heißt es weiter: „Aus dem Schiff aus- und hinaufgestiegen zum Pavillon mit der berühmten Aussicht auf den gerühmten Bogen, den die Elbe hier nimmt und den Blick frei macht auf die Stadtsilhouette, sind sie nicht mit dem Gutachter. Und von unten, vom Fluss aus, macht sich in der Vorstellung eine solche Brücke nun mal anders. Ganz anders.“ So darf in einem Aktenvermerk der Staatsregierung vom 29.09.2003 denn auch von „einer Dampferfahrt vom Stadtzentrum nach Pillnitz“ zufrieden berichtet werden: „Die im Vorfeld von SMI befürchteten Diskussionen um eine Waldschlößchenbrücke und weitere Bauvorhaben spielten … keine kritische Rolle.“
Es passt durchaus ins Bild, dass selbst Jukka Jokilehto auf einem Vortrag am 13.06.2007 im George-Bähr-Forum an der TU Dresden noch einmal bestätigt, der geplanten Brücke sei im Antragsverfahren bei der UNESCO und erst recht in der Folge lange nicht eine angemessene Aufmerksamkeit zuteil geworden. Er bekennt: „Allerdings muss ich sagen, dass mir das ganze Ausmaß an Beeinträchtigung der Integrität der Elbtallandschaft durch die geplante Waldschlösschenbrücke damals nicht bewusst war. Bei meinem Besuch in Dresden im Herbst 2003 war zwar der Bau der Brücke beschlossene Sache, doch das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Ich habe mir den Brückenstandort vom Raddampfer aus angesehen, auch Visualisierungen des Brückenbauprojektes und die Zielsetzung des Brückenwettbewerbs von 1997 zur Kenntnis genommen, eine Brücke zu bauen, die an dieser Stelle diese herrliche Flusslandschaft so wenig wie möglich beeinträchtigt. Detaillierte Planungsunterlagen aus dem Planfeststellungsverfahren wurden mir damals jedoch nicht vorgelegt.“
Dresden hat lange substanzielle Informationen zurückgehalten, bis schließlich die UNESCO, irritiert durch Meldungen in der Presse, eine (Er-) Klärung einforderte. Diese lieferte letztlich das so genannte „Aachener Gutachten“ im April 2006: Es spricht von einer „irreversiblen Schädigung der besonderen Qualitäten des Elbtals“ durch die Waldschlößchenbrücke. Entsprechend klingt die Einschätzung von ICOMOS, die in der Beschlussvorlage für die Sitzung des Welterbekomitees im Juli 2006 in Vilnius zitiert wird (Seite 198): „This valley crossing is no longer an ‘urban bridge’, but instead an important road connection resembling a motorway. After evaluating the documents, which have now been made available, ICOMOS comes to the conclusion that the realisation of the Waldschlösschen Bridge will lead to a considerable disturbance of the World Heritage site Dresden Elbe Valley. By all means there should now be a pause … to discuss less harmful alternatives, including a tunnel construction … [Diese Talquerung ist keine ‚innerstädtische Brücke‘ mehr, sondern eine wichtige Verkehrsverbindung, ähnlich einer Autobahn. Nach Auswertung der Unterlagen, die nun zugänglich gemacht wurden, kommt ICOMOS zum Schluss, dass der Bau der Waldschlößchenbrücke zu einer ernst zu nehmenden Beschädigung der Welterbestätte Dresdner Elbtal führen wird. Unter allen Umständen sollte jetzt innegehalten werden … um weniger problematische Alternativen abzuwägen, einschließlich eines Tunnelbaus …]“