Die Aufgabe ist unerfüllbar geworden
1. Juli 2008
Ein Beitrag von
Valeria Heintges
in der Sächsische Zeitung
vom 01.07.2008
Das Kuratorium für das Welterbe Dresdner Elbtal tritt zurück. Es sieht keinen Handlungsspielraum mehr.
Das Kuratorium UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal hat gestern auf seiner 12. Sitzung einstimmig beschlossen, vom Amt zurückzutreten. Die ihm übertragene Aufgabe sei „unerfüllbar geworden“, „Der Gedanke des Welterbes ist unter den gegebenen Bedingungen in Dresden nicht mehr vermittelbar“, heißt es in einer Erklärung, die das Kuratorium gestern verbreitete. Auch der neue sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) habe auf zwei Schreiben des Kuratoriums nicht reagiert. Sprecher Ingo Zimmermann: „Wir haben nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten.“
Im Juni 2005 hatte der Dresdner Stadtrat zwanzig Persönlichkeiten der Stadt berufen, um laut Geschäftsordnung „in jeder Hinsicht darauf hinzuwirken, die Welterbestätte zu bewahren“. Doch als sich die Waldschlößchenbrücke zu einem Streitfall mit der UNESCO entwickelte, gaben die Stadträte von CDU, FDP, Bürgerfraktion und der Generalvikar des Bistums Dresden-Meißen ihr Amt auf. Auch Landtagspräsident Erich Iltgen nahm nicht mehr an den Sitzungen teil.
Eine „Fülle von Peinlichkeiten“, so Zimmermann, habe jetzt dazu geführt, dass das Kuratorium den Stadtrat bitten will, es von seinen Aufgaben zu entbinden. Christiane Filius-Jehne sprach von einer „völligen Missachtung“ des Kuratoriums. Klaudia Kristin Kaufmann von der Links-Fraktion sagte, man sei „nur auf taube Ohren gestoßen“.
Als einen Kommentar zur Tagung der UNESCO diese Woche im kanadischen Quebec will Zimmermann den Schritt des Kuratoriums nicht verstanden wissen. „Aber es gibt keinen Grund zu der Hoffnung, dass die UNESCO Dresden auf der Welterbeliste lässt.“
Es überrascht wenig, dass die Vertreter von SPD, den Grünen und der Linken mit ihrem Rücktritt ein deutliches Signal an die Landesregierung senden wollen. Allerdings waren zur gestrigen Kuratoriums-Sitzung auch die amtierende Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack, ihr Vorgänger Gerhard Glaser und Heinz Diedrichsen vom Tourismusverein Dresden e.V. zugegen. Dass auch sie über ihre „sehr, sehr enttäuschenden“ Erfahrungen reden, spricht für einen kulturlosen Umgang der Stadt mit namhaften Bürgern, die der Stadtrat einst persönlich ernannt hat.
Dresden schadet sich selbst.
Ingo Zimmermann, Sprecher des Kuratoriums
Anmerkung
Verantwortlich für diesen Schaden sind zuallererst: Ministerpräsident a.D. Kurt Biedenkopf(CDU), Ministerpräsident a.D. Georg Milbradt (CDU), Wirtschaftsminister a.D. Karl Josef Schommer (CDU), Oberbürgermeister a.D. Herbert Wagner (CDU), Oberbürgermeister a.D. Ingolf Roßberg (FDP), Oberbürgermeister a.D. Lutz Vogel, Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), Stadtrat Hans-Joachim Brauns (CDU), Stadtrat und Bundestagsabgeordneter Jan Mücke (FDP), Bundestagsabgeordneter Arnold Vaatz (CDU) und ADAC-Sachsen-Chef Nikolaus Köhler-Totzki. Doch sie sind nicht allein verantwortlich. Ihr Wirken rechtfertigen sie mit dem erklärten Willen jener Dresdner Mitbürger, die bei vierspurig ausgebauten Straßen, silbrigen Leitplanken, spiegelglattem Asphalt und kreuzungsfreien Kreuzungen glänzende Augen bekommen und sich weder um die Lebensqualität ihrer eigenen Kinder noch um die behutsame Fortentwicklung des Erbes ihrer Eltern scheren.