An die Freu(n)de
2. Juli 2008
An Friedrich Schillers Worte erinnert
Rolf Donnerhack
In der Landschaft, die Friedrich Schiller zu seiner Ode „An die Freude“ inspirierte, wird weiter an einer verkehrstechnisch unsinnigen und unansehnlichen Brücke gebaut. Die Zerstörung des UNESCO-Welterbes Dresdner Elbtal wird von der Troika Orosz, Tillich, Merkel wissentlich in Kauf genommen. Werden sie über die Waldschlößchenwiesen ziehen wie die apokalyptischen Reiter? Die Brückenbefürworter berufen sich auf einen Bürgerentscheid, der abgelaufen ist und dessen Fragestellung auch hätte lauten können: Wollt Ihr die totale Brücke?
Bleibt zu hoffen, dass Friedrich Schiller die Antwort auf die Frage: „Wie soll es weiter gehen?“ in seiner Ode „An die Freude“ schon 1785 vorweggenommen hat:
Freude schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten Feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum!
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng geteilt.
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
|: Brüder, überm Sternenzelt
Muß ein lieber Vater wohnen, :|Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein,
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!
Was den großen Ring bewohnet,
Huldige der Sympathie.
|: Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet. :|Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod,
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
|: Such ihn überm Sternenzelt!
Über Sternen muß er wohnen. :|Freude heißt die starke Feder,
In der ewigen Natur,
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen
Die des Sehers Rohr nicht kennt.
Froh wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmels prächtigen Plan,
|: Laufet Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen! :|Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
Sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
Sie im Chor der Engel stehn.
Duldet mutig, Millionen!
Duldet fur die beßre Welt!
|: Droben überm Sternenzelt
Wird ein großer Gott belohnen. :|Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ists, ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verziehn,
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
|: Brüder - überm Sternenzelt
Richtet Gott, wie wir gerichtet. :|Freude sprudelt in Pokalen;
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut. -
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist;
Laßt den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist!
Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
|: Dieses Glas dem guten Geist
Überm Sternenzelt dort oben! :|Festen Mut in schweren Leiden,
Hilfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen -
Brüder, gält’ es Gut und Blut:
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
Schließt den heilgen Zirkel dichter!
Schwört bei diesem goldnem Wein,
|: Dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter! :|
Mögen Gott, der Gute Geist und der Sternenrichter, die schon Schiller in seiner Ode „An die Freude“ angerufen hat, dem Welterbe Dresdner Elbtal gnädig sein! Mögen sie das Schicksal der DresdnerInnen mit Milde verwalten und allen bewusst machen, dass die totale Brücke eine Blamage für Dresden und die Nation ist und kein Ziel ist, auf das man stolz sein kann.