Schreiben an die Bundeskanzlerin vom 09.04.2008
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
ich bin Dresdner Bürger, fühle mich den Dresdner Bürgerinitiativen „Welterbe erhalten“ und „Elbetunnel Dresden“ verbunden und ich wende mich mit folgendem Anliegen an Sie:
Der Verlust des Weltkultur- und Naturerbetitels für das Dresdner Elbtal droht uns in absehbarer Zeit, wenn wie bisher unbeirrt und forciert an der Dresdner Waldschlößchenbrücke gebaut wird. Das UNESCO-Büro in Paris hat im Februar 2008 bekannt gegeben, dass ein Tunnelprojekt im Bereich Waldschlößchen den Weltkultur- und Naturerbetitel nicht gefährden würde.
Mich erfüllt mit tiefer Sorge, dass durch den forcierten Bau der Dresdner Waldschlösschenbrücke bewusst auf eine drohende Aberkennung des Weltkultur- und Naturerbetitels hingearbeitet wird. Das politische Credo dazu gab Ministerpräsident Milbradt mit seinem Ausspruch „der Verlust des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal ist verkraftbar“. Deshalb kann heute Frau Orosz als Oberbürgermeisterkandidatin den zügigen Bau der Waldschlößchenbrücke zum Hauptthema ihrer Wahltätigkeit machen.
Bedenken Sie die absurde Situation, dass Dresdner Bürgerinitiativen genau die Verantwortung für den Erhalt des Welterbetitels wahrnehmen, die eigentlich der Sächsischen Landesregierung und der Dresdner Stadtverwaltung zukommen.
Gleichermaßen ergeben sich für mich zwei Fragen in Zusammenhang mit Ihrem Antwortbrief an Herrn Friedrich Darge, Mitglied des Vorstandes des ADFC Dresden:
Zitat: „Eine Streichung des Dresdner Elbtals aus der Welterbeliste würde das Ansehen Deutschlands und das Verhältnis Deutschlands zur UNESCO erheblich beeinträchtigen. Aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung immer wieder für den Dialog der zuständigen Behörden vor Ort mit der UNESCO eingesetzt. Ziel war es, einen Kompromiss zum Erhalt des Welterbestatus des Dresdener Elbtals zu finden. Da die Verantwortung für den Bau der Waldschlösschenbrücke bei der Landeshauptstadt Dresden und beim Freistaat Sachsen liegt, kann der Bund nur an die Verantwortlichen vor Ort appellieren, nicht aber selbst mit Weisungen oder Anordnungen eingreifen.“
Dazu meine erste Frage: Wird die Bundesregierung tatsächlich die Aberkennung des Weltkultur- und Naturerbetitels für das Dresdner Elbtal zur nächsten UNESCO-Konferenz im Juni 2008 hinnehmen, indem sie auf die Verantwortung der Landesregierung Sachsen bzw. der Stadtverwaltung Dresden hinweist? Immerhin ist die Bundesrepublik Deutschland als anerkanntes und glaubwürdiges Mitgliedland der UNESCO und die Titelaberkennung wäre ein für eine europäische Kulturnation einmaliger Vorgang mit nicht absehbaren Konsequenzen.
Zitat: „Die Frage der innerstaatlichen Bindungswirkung der UNESCO-Welterbekonvention hat die Bundesregierung kürzlich in einem Gutachten klären lassen. Danach ist die UNESCO-Welterbekonvention bereits wirksam in innerstaatliches Recht übertragen worden und bindet alle staatlichen Ebenen in Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden – gleichermaßen.“
Dazu meine zweite Frage: Wird die Bundesregierung zulassen, dass die Landesregierung Sachsen und die Stadtverwaltung Dresden die UNECSCO-Welterbekonvention verletzen und daraus abzuleitendes innerstaatliches Recht brechen? Dieser Vorgang würde aus meiner Sicht die Anwendung des §37 „Bundeszwang – Weisungsrecht gegenüber einer Landesregierung bzw. Kommune“ des Grundgesetzes rechtfertigen.
Ich appelliere an Sie, nutzen Sie bitte alle Mittel in einer außergewöhnlichen politischen und Rechtslage, die Ihnen Ihre Persönlichkeit, Ihr Amt und Ihre Parteizugehörigkeit geben, das Anliegen der Bürgerinitiativen zu unterstützen:
- Die Bürgerinitiativen fordern mit allem Nachdruck einen sofortigen Dialog der Sächsischen Landesregierung mit der Stadtverwaltung und den Bürgerinitiativen zum Erhalt des Dresdner Welterbetitels. Bisher wurden alle Gesprächsangebote der Bürgerinitiativen ignoriert.
- Die Bürgerinitiativen fordern den sofortigen Baustopp aller mit dem Brückenbau zusammenhängenden Baumaßnahmen (Fundamente, Teilefertigung der Stahlbrücke), um bis zum Konsens über eine welterbeverträgliche Tunnellösung keine weiteren finanziellen Mittel zu vergeuden.
- Die Bürgerinitiativen fordern die zügige Umsetzung des von ihnen initiierten Bürgerbegehrens zum Bau der welterbeverträglichen Tunnellösung, das von ca. 50.000 Dresdnern unterschrieben wurde (erforderliche Zahl Unterschriften: 21.000).
Aus Anlass zahlreicher zum Teil unsachlicher Veröffentlichungen der CDU über die Nichtrealisierbarkeit eines Tunnels hat im Februar 2008 eine von den Fakultäten Architektur und Bauingenieurwesen der TU Dresden organisierte Fachklausur mit nationaler und internationaler Beteiligung die technische, finanzielle und zeitlich angemessene Realisierbarkeit des Tunnelprojektes bestätigt.
Ihr Wort hat Gewicht, deshalb unterstützen Sie uns, Frau Bundeskanzlerin, die deutschlandweit einmalige Kulturlandschaft im Elberaum bei Dresden zu erhaltenen und das UNESCO-Mitglied Deutschland vor dem nicht hinnehmbaren Imageschaden zu bewahren, der ihm durch die Aberkennung des Welterbetitels für das Dresdner Elbtales zugefügt würde.
Hochachtungsvoll
Berndt Neugebauer