Schreiben des Bundesbeauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 05.05.2008
Sehr geehrter Herr Neugebauer,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 9. April 2008 an Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel zur Waldschlösschenbrücke in Dresden und zum Weltkulturerbe Dresdner Elbtal. Ihr Schreiben an die Bundeskanzlerin ist an den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Herrn Staatsminister Neumann, weitergegeben worden. Herr Staatsminister Neumann hat mich gebeten, Ihnen zu danken und Ihr Schreiben zu beantworten.
Ihr Schreiben lässt deutlich werden, dass die Angelegenheit um den Bau der Brücke im Dresdner Elbtal mit Ihnen viele Bürgerinnen und Bürger in Dresden und über die Landeshauptstadt hinaus berührt. Die Bundesregierung hat die Vorgänge um die Waldschlößchenbrücke mit großer Sorge um das Ansehen Deutschlands verfolgt. Doch waren und sind die Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung begrenzt. Der Denkmalschutz und damit das Welterbe sind nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes nicht dem Bund, sondern vorrangig den Ländern zugeordnet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.05.2007 angemerkt, dass die UNESCO-Welterbekonvention nach Konzeption und Wortlaut keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderung bietet. Die Angelegenheit um den Bau der Waldschlößchenbrücke ist in erster Linie eine Angelegenheit der zuständigen Behörden der Landeshauptstadt Dresden und des Freistaates Sachsen. Daher müssen die Behörden vor Ort entscheiden, wie bei dem Brückenprojekt weiter verfahren werden soll. Aus Sicht der Bundesregierung wäre es zu begrüßen, wenn wie bislang nach einer Konsenslösung gesucht werden könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Backsmann
Anmerkungen des Empfängers
Zitat: „Der Denkmalschutz und damit das Welterbe sind nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes nicht dem Bund, sondern vorrangig den Ländern zugeordnet.“
Anmerkung: Im Brief der Bundeskanzlerin an Friedrich Darge hieß es noch: „die UNESCO-Welterbekonvention bindet alle staatlichen Ebenen in Deutschland“, also auch die Bundesregierung
Zitat: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.05.2007 angemerkt, dass die UNESCO-Welterbekonvention nach Konzeption und Wortlaut keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderung bietet.“
Anmerkung: Veränderungen im welterbeverträglichen Sinne wie zum Beispiel der Elbtunnel schließt die UNESCO keineswegs aus.
Zitat: „Die Angelegenheit um den Bau der Waldschlößchenbrücke ist in erster Linie eine Angelegenheit der zuständigen Behörden der Landeshauptstadt Dresden und des Freistaates Sachsen. Daher müssen die Behörden vor Ort entscheiden, wie bei dem Brückenprojekt weiter verfahren werden soll.“
Anmerkung: In zweiter Linie und in Anbetracht der besonderen Situation ist jedoch auch die Bundesregierung in der Pflicht, denn die UNESCO-Welterbekonvention bindet alle staatlichen Ebenen in Deutschland, also auch die Bundesregierung.
Zitat: „Aus Sicht der Bundesregierung wäre es zu begrüßen, wenn wie bislang nach einer Konsenslösung gesucht werden könnte.“
Anmerkung: Die Konsenslösung in Gestalt des Elbtunnels liegt seit 2003 in der Stadtverwaltung, seitdem kämpfen die Bürgerinitiativen vergeblich um Gehör und Realisierung. Diese Tatsache ist der Bundesregierung bekannt. Stadtverwaltung und Landesregierung Sachsen sehen die Suche nach einer Konsenslösung anders: Sie suchen nach Lösungen im Sinne von „Brücke bauen und Welterbetitel erhalten“ (unbedeutende Verschlankung der Brücke; Glaubhaftmachung im UNESCO-Welterbezentrum in Paris, dass Brücke und Welterbetitel vereinbar seien; Fertigstellung der Brücke und erneuter Antrag auf Welterbetitel), um nach der endgültigen Titelaberkennung zu behaupten, dass von Seiten der Stadt und der Landesregierung alles für den Titelerhalt getan wurde.
Fazit: Da im Brief entscheidende Aussagen zur welterbeverträglichen Konsenslösung in Gestalt des Elbtunnels und zum persönlichen Einsatz der Bundeskanzlerin zum Welterbetitelerhalt fehlen, ist klar, dass von ihr keine offizielle Unterstützung zum Welterbetitelerhalt zu erwarten ist (z. B. Anwendung des §37 Grundgesetz „Bundeszwang – Weisungsrecht gegenüber Landesregierung bzw. Kommune“) und sie den Titelverlust tatenlos hinnehmen wird.