Soll Dresden den Welterbetitel jetzt zurückgeben?
8. Juli 2008
Die Frage stellt sich gar nicht,
meint
Eduard Zetera
Gleichwohl darf sie als Beispiel für das vollkommene Versagen der Medien in der Diskussion um den Brückenbau und den Welterbetitel in Dresden dienen. Schauen wir uns einmal den zeitlichen Ablauf an:
- Am 04.07.2008 um 11:05 Uhr geht folgende ddp-Meldung über den Ticker: „Nach der Entscheidung des UNESCO-Komitees über den Dresdner Welterbestatus hat sich Sachsens ADAC-Chef Nikolaus Köhler-Totzki für eine freiwillige Rückgabe des Titels ausgesprochen.“
- Am 04.07.2008 um 15:30 Uhr meldet der MDR: „In einem Gespräch mit MDR 1 Radio Sachsen sagte sie [Dresdens künftige Oberbürgermeisterin Helma Orosz], der Welterbetitel sei kaum noch zu halten. Statt eines Sterbens auf Raten könne sie sich vorstellen, dass der Titel von der Stadt zurückgegeben werde.“
- Am 07.07.2008 erklärt die UNESCO-Tagungspräsidentin Christina Cameron im SZ-Interview: „Weder die Stadt noch die verantwortliche deutsche Seite kann eine Stätte von der Liste streichen lassen. Das ist gegen die Konvention. Das Welterbekomitee vergibt den Titel, und das Welterbekomitee entzieht ihn auch wieder.“
- Bis zum 08.07.2008 haben auf der Internetseite des MDR SachsenSpiegel bereits über 3.500 Nutzer über die Frage: „Soll Dresden den Welterbetitel jetzt zurückgeben?“ abgestimmt.
Das Muster ist immer das selbe:
- Ein Brückenfreund setzt irgendwelchen Unfug in die Welt. Dabei ist vollkommen unerheblich, ob sein Einwand sachlich gerechtfertigt oder sein Vorschlag realisierbar ist. Die Medien berichten – aber sie hinterfragen nicht.
- Ein Vertreter der brückenbauenden Parteien CDU oder FDP macht sich die Idee zu eigen. Dabei ist vollkommen unerheblich, ob es vernünftig und verantwortungsvoll ist. Solange es der Sache dient, wird es weiter getragen. Die Medien berichten – aber sie hinterfragen nicht.
- Irgendwann stellt jemand fest, dass es so nicht geht. Natürlich berichten die Medien auch das.
- Inzwischen hat sich der Unfug so weit verbreitet und in den Köpfen der Menschen festgesetzt, dass das „Dementi“ ungehört verhallt.
Ist das nun einmal mehr nur Medienschelte? Nicht ganz. Genau genommen nur zur Hälfte:
Es versagen die Journalisten, weil sie entweder nicht bereit oder nicht einmal in der Lage sind, den Meinungsbildungsprozess in Dresden sachlich und kritisch zu begleiten. Die ihnen anvertrauten Informationen werden weder geprüft noch verarbeitet. Sie werden einfach nur weitergegeben.
Es versagen aber auch die Leser (genauso wie die Zuschauer und Zuhörer). Sie vergessen: Zeitunglesen ist kein Ersatz für Selberdenken. Das ist besonders tragisch, da die älteren Semester mit DDR-Erfahrung sich wohl noch daran erinnern sollten: Nicht alles stimmt, was in der Zeitung steht.