Ignoranz auf allerhöchstem Niveau …
5. September 2008
… soll vom 10.09. bis zum 12.09.2008 in Dresden regelrecht zelebriert werden. So zumindest ist der Plan.
Worum geht es? In Dresden veranstaltet die Stiftung „Lebendige Stadt“ ihr Symposium 2008 unter dem Leitthema „Ressourcen der Stadt“. Die Stiftung freut sich darüber, dass sich unter ihrem Dach „Ministerpräsidenten und Minister, Oberbürgermeister, Vorstandsvorsitzende, Wissenschaftler und Kulturschaffende zusammengefunden [haben], um gemeinsam die Lebendigkeit europäischer Städte zu erhalten und zu fördern.“ In Dresden sollen sich diese nun zu den drei Themenkomplexen „Klimaschutz in der Stadt“, „Grün in der Stadt“ und „Lebensqualität in der Stadt“ Erbauliches sagen und anhören. So weit so gut. Schaut man genauer in das Vortragsprogramm, fällt eines auf: Davon, dass mitten in Dresden eine vierspurige Brücke gebaut wird, auf der künftig 45.000 Autos täglich eine einmalige Landschaft verlärmen und verschmutzen sollen, davon, dass mit dem Bauvorhaben europäische Naturschutzregeln mit Füßen getreten werden und ein Teil des Welterbes der Menschheit unwiederbringlich zerstört wird, davon soll auf dem Symposium offensichtlich keine Rede sein. Das verwundert schon.
Wie kommt es dazu? Ganz einfach: Die Stiftung „Lebendige Stadt“ wird getragen von der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG. Mitglieder ihrer Geschäftsführung stehen dem Vorstand und dem Kuratorium der Stiftung vor. ECE betreibt u.a. die Altmarkt-Galerie Dresden und möchte so nach den Worten ihres Geschäftsführungsvorsitzenden „etwas zurückgeben von dem, was wir im Rahmen unserer Investitionen in den Innenstädten bekommen haben.“ Das ist zunächst einmal begrüßenswert. Wenn die Stiftung dann aber auf ihrem Symposium die gerade hier und heute hoch relevanten Themenkomplexe behandeln möchte ohne Bezug auf die Situation vor Ort in Dresden zu nehmen, dann zeugt das schon von einer gewissen Konfliktscheue. Die Stiftung wird so ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. Will sie ja vielleicht auch gar nicht: Die ECE betreibt mit dem Symposium zuallererst Kontaktpflege (i.e. Lobby-Politik). Das erklärt, dass ECE bei der Veranstaltung ein gesteigertes Harmoniebedürfnis hat.
Doch damit nicht genug. Stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung ist Dr. Albrecht Buttolo, Staatsminister des Inneren des Freistaates Sachsen. Und sein Chef, Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, lässt es sich nicht nehmen, die ganze Veranstaltung mit einem Empfang im Riesensaal des Dresdner Schlosses zu eröffnen. Was wollen die beiden da? Nun, sie wollen damit sagen: „Schaut her, liebe Dresdner! Wir tun etwas für das Grün, das Klima und die Lebensqualität in der Stadt.“ Obwohl sie mit ihrer Haltung zur Waldschlößchenbrücke den lieben langen Tag das ganze Gegenteil betreiben. Ein ganz klein wenig verlogen ist das schon.
Es bleibt abzuwarten, ob die honorigen Gäste der Veranstaltung beim putzigen Treiben mit Schnittchen, Tanz und Musik artig mitspielen – oder ob der eine oder andere renitent wird und die Podiumsdiskussionen nutzt, um die Symposiumsteilnehmer von ihrer schönen Illusion zu befreien und sie mit auf den Weg in die rauhe Dresdner Wirklichkeit zu nehmen. Und da sollen sie herzlich empfangen werden: Die Dresdner Welterbebewahrer und Tunnelbefürworter sind
- am 10.09.2008 von 17:30 bis 19.00 Uhr
vor der Semperoper, - am 11.09.2008 von 08:30 bis 12:00 Uhr
vor dem Eingang zur Gläsernen Manufaktur und - am 12.09.2008 von 08:30 bis 12:00 Uhr
vor dem Eingang zur Gläsernen Manufaktur
präsent, um ihre Sicht auf die Stadtentwicklung nach Dresdner Art darzustellen. Alle, die sich dem Gedanken der Tunnelalternative verbunden fühlen, sind herzlich eingeladen, mit vor Ort zu sein. Demonstrationen sind zu diesen drei Terminen angemeldet.
Vielleicht ist der eine oder andere Teilnehmer des Symposiums für Anregungen dankbar. Schau’n wir mal, ob der Plan aufgeht – oder ob Ignoranz eben doch irgendwo ihre Grenzen hat.