Der Ball ist beim Stadtrat
7. September 2008
Wieder mal. Ob er ihn aufnimmt, darf bezweifelt werden.
Hinweis: Der Verein „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ hat die bündnisgrüne Stadtratsfraktion gebeten, den hier diskutierten Tagesordnungspunkt der Stadtratssitzung am 11.09.2008 zu vertagen. Dieser Bitte hat die bündnisgrüne Stadtratsfraktion entsprochen. Damit ist – um im Bild zu bleiben – der Ball zwar trotzdem beim Stadtrat, er darf sich aber auf eine Spielpause berufen.
In die Stadtratssitzung am 11.09.2008 bringt die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen einen Beschlussvorschlag ein, der grob folgende Punkte enthält:
- Der Stadtrat bekräftigt (mit Rücksicht auf den Beschluss der UNESCO in Quebec) seine Bereitschaft zur Kompromisssuche für den Erhalt des Welterbetitels.
Weiterhin wird die Oberbürgermeisterin beauftragt,
- sich unverzüglich für einen Bürgerentscheid zur Tunnelalternative einzusetzen und ein Eilverfahren gegen den Widerspruch des Regierungspräsidiums anzustrengen.
- die Planung des Elbtunnels durch die Stadt anzustoßen und hierzu Finanzierungsfragen mit dem Land und dem Bund zu klären.
- einen partiellen Baustopp für alle Arbeiten an der Brücke anzustreben, um einen ergebnisoffenen Bürgerentscheid und eine sinnvolle Tunnelplanung möglich zu machen.
- das Angebot des Auswärtigen Amts zur Moderation des Konflikts in Dresden anzunehmen.
Nach der aktuellen Stimmungslage im Stadtrat ist zu befürchten, dass diese Beschlussvorlage keine Mehrheit findet. Offensichtlich sind nicht alle Stadträte, die diesem Ansinnen ablehnend gegenüberstehen, sich wirklich über die Konsequenzen ihres Verhaltens im Klaren: Es ist nicht nur verantwortungslos, es ist (auch im eigenen Sinne) unvernünftig. Warum?
- Sie stellen sich gegen eine Mehrheit der Dresdner, die sich (unter erfüllbaren Bedingungen) für eine Tunnelalternative ausspricht.
- Sie ignorieren den von 50.000 Dresdnern erklärten Wunsch nach einem Bürgerentscheid.
- Sie lassen es zu, dass weiter Geld in den Brückenbau investiert wird, obwohl es keineswegs unwahrscheinlich ist, dass das Verwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss im Oktober für unzulässig erklärt.
- Sie dokumentieren, dass sie sich dem Gedanken des Welterbeerhalts nicht verpflichtet fühlen und nehmen seine Zerstörung bewusst in Kauf.
- Sie riskieren, dass mit der Brücke eine Elbquerung gebaut wird, deren Kosten (aufgrund der Stahlpreisentwicklung) schon jetzt mit dem Tunnel vergleichbar sind und die am Ende nicht nur die schlechtere, sondern auch die teurere Alternative sein wird.
- Sie schlagen das erklärte Angebot der Bundesregierung zur Moderation aus und zementieren damit den Konflikt in Dresden.
- Sie versuchen nicht einmal, Fragen der Beteiligung des Bundes an der Finanzierung des Elbtunnels zu klären.
Im Stadtrat hat sich – mehr noch als in der Dresdner Bevölkerung – die Meinung breit gemacht, dass in der Diskussion um die Tunnelalternative alle Argumente ausgetauscht und alle Würfel gefallen sind. Viele Stadträte wollen nichts mehr hören und leben nach der Devise: „Augen zu und durch!“ Doch so einfach ist das nicht:
Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr werden sie ihren Wählern erklären müssen, warum sie sich über die Interessen der Stadt hinwegsetzen und gegen den erklärten Willen ihrer Bürger stellen. Die Unfähigkeit großer Teile des Stadtrats, Kompromisse zu schließen (oder sie auch nur zu suchen) ist schon fast sprichwörtlich und wurde zuletzt noch einmal vom ehemaligen amtierenden Oberbürgermeister Lutz Vogel beklagt. Doch gerade Interessen zu vertreten und Kompromisse zu schließen ist Aufgabe der Stadträte. Als Wahlempfehlung kann ihr Tun – und mehr noch ihr Unterlassen – ganz sicher nicht dienen.
Manch ein Stadtrat hofft darauf, dass sein Handeln schon bald unter dem „gnädigen Mantel des Vergessens“ verschwinden wird. Das Agieren der Stadträte ist aber kommunalpolitisch, außenpolitisch, kulturpolitisch, wirtschaftlich, ökologisch und am Ende auch historisch derart fatal, dass es lange in wacher Erinnerung bleiben wird. Und das gilt ganz ausdrücklich nicht nur für die Stadträte, die der Beschlussvorlage von Bündnis 90 / Die Grünen ihre Zustimmung verweigern, sondern auch für all jene Stadträte, die glauben, sich durch Enthaltung oder Abwesenheit ihrer Verantwortung entziehen zu können.