Frau Orosz und die Demokratie …
18. September 2008
… ist ein Thema für sich.
Frau Orosz hat einen Brief an Franceso Bandarin, den Direktor des Welterbezentrums in Paris, geschrieben. Und der Brief hat es in sich.
Das Erfreuliche vielleicht zuerst: Der Brief zeichnet sich durch seine sprachlich-stilistische Qualität aus. Ähnlich Bemerkenswertes war bislang eher selten aus dem Dresdner Rathaus zu vernehmen. Da haben mit Frau Orosz und ihrem Ghostwriter wohl zwei rechte Schöngeister Einzug gehalten.
Alles andere an dem Schreiben ist weniger erfreulich:
Frau Orosz nutzt die Gelegenheit, Herrn Bandarin über die Grundlagen der Demokratie aufzuklären. Dass sie diese Belehrung für notwenig hält, mag vielleicht verwundern – es erscheint aus der Perspektive von Frau Orosz aber naheliegend, da sie sich nun einmal in Kreisen bewegt, in denen die UNESCO als finstere, undemokratische und selbstherrliche Macht angesehen wird.
Geradezu erschütternd ist jedoch, dass Frau Orosz mit ihrem Brief ein höchst ambivalentes Verhältnis zur Demokratie dokumentiert: Während sie einerseits für die Achtung des Bürgerwillens plädiert, ignoriert sie andererseits die 55.000 Unterzeichner des Elbtunnel-Bürgerbegehrens, lässt das zweimalige Votum des Stadtrats für ebendieses Bürgerbegehren unerwähnt und verschweigt, dass nach den Ergebnissen der jüngsten wissenschaftlichen Umfrage von Soziologen der TU Dresden die Mehrheit, welche sie zu vertreten vorgibt, überhaupt nicht existiert.
Demokratie Oroszscher Art bedeutet, alles auszublenden, was nicht den eigenen Vorstellungen entspricht und sich auf die Mehrheit von dem zu berufen, was übrig bleibt.
Unglaublich, meinen Sie? Keineswegs: Tatsache. Lesen Sie selbst den Brief von Helma Orosz und die Kommentare von Ralf Weber!
Es ist nicht das erste mal, dass die Landeshauptstadt und der Freistaat versuchen, durch die gezielte Verbreitung von Halbwahrheiten die UNESCO vorzuführen. Der Versuch, mit unvollständigen Angaben in der Bewerbung um den Welterbetitel das wahre Ausmaß des Brückenprojekts zu verschleiern, darf hierzu nur als Auftakt gelten. Er ist gescheitert. Nur ein weiteres prominentes Beispiel ist der Besuch der Herren Biedenkopf, Sagurna, Vogel und Feßenmayr im April in Paris. Sie wollten der UNESCO Kompromissbereitschaft vorgaukeln, während sie zu Hause das blanke Gegenteil praktizierten: Sie schufen weiter Tatsachen und trieben ihren Brückenbau aggressiv voran. Auch mit diesem Vorstoß hatten sie keinen Erfolg.
Die politisch Verantwortlichen in Landeshauptstadt und Freistaat meinen, Kontinuität in ihrem Handeln zu wahren, indem sie den gleichen Fehler ein drittes, viertes und fünftes Mal wiederholen. Insofern sind sie tatsächlich berechenbar und verlässlich, es schützt sie aber nicht vor dem schon oft geäußerten Vorwurf der Sturheit. Unbelehrbarkeit könnte man hinzufügen.
Wenn alles so weiter läuft wie gewohnt, brauchen wir nur darauf zu warten, dass die UNESCO aus den Reihen der sächsischen CDU heraus einmal mehr als arrogante und undemokratische Organisation attackiert wird. Wer bitte will diesen Unfug eigentlich noch hören?