Eine Zeit-Anzeige (Nachtrag)
31. Oktober 2008
Dem aufmerksamen Leser von Nr. 45 der „Zeit“ vom 30.10.2008 wird auf Seite 76 ein Beitrag mit dem Titel „Dresden ist fortbestehende Kulturlandschaft“ aufgefallen sein. Wenn er wirklich aufmerksam war, wird der Leser auch bemerkt haben, dass es sich um eine Anzeige (Original: jpg-Datei, 412 kB) im Rahmen des „Anzeigenspezial des Zeitverlags: UNESCO“ handelt. Dann weiß der gut informierte Leser auch, dass man es an solcher Stelle mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Damit setzt diese Anzeige einen befremlichen Kontrapunkt zur journalistischen Qualität, die man ansonsten von der „Zeit“ gewohnt ist.
Der Anzeigentext beginnt mit einer anrührenden Schilderung des ach so schönen Dresdner Elbtals. Das zieht sich hin bis zur dritten Spalte, in der wir lesen: „Die Dresdner Politik entschied daraufhin, diese Brücke zu bauen.“ Das ist so ziemlich der letzte Satz, der der Wahrheit entspricht – zumindest wenn man unter „Dresdner Politik“ die in Dresden beheimatete Landesregierung versteht. Die hat entschieden und regiert in der Sache bis heute durch.
Danach kommen einige Aussagen, die man mit Vorsicht genießen sollte:
- „Die Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner stimmte [im Referendum von 2005] für den Bau [der Brücke].“ – Das ist zwar nicht falsch, aber dennoch irreführend: Wenn man in der Abstimmungsbroschüre nach „Weltkulturerbe“ sucht, findet man drei Stellen. Keine davon weist auf die drohende Beschädigung des Weltkulturerbes hin, was wenig verwunderlich ist, denn zu jener Zeit war den Dresdnern dieser Aspekt ihrer Entscheidung gar nicht bewusst.
- „Alle gerichtlichen Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht haben den Status des Bürgerbegehrens und somit dessen Ergebnis bestätigt.“ – Das stimmt so nicht, denn das Bundesverfassungsgericht schreibt: „In Anbetracht dieses völkerrechtlichen Rahmens ist es verfassungsrechtlich möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürgerwille, als authentische Ausdrucksform unmittelbarer Demokratie, in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kulturlandschaft durchsetzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zuvor in einem Verhandlungsprozess erfolglos nach einer Kompromisslösung gesucht wurde.“ Diese Kompromisssuche hat es bis heute nicht gegeben. Im Gegenteil: Der Landesregierung und der Stadtverwaltung ist seither von verschiedenster Seite und aus gutem Grund immer wieder Sturheit vorgeworfen worden.
- „An diesen Auftrag [zum Bau der Brücke] ist die Stadt Dresden bis heute gebunden.“ – Auch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Landeshauptstadt und der Freistaat lieben Verweise auf rechtliche Zwänge geradezu. Dabei handelt es sich aber stets um den Versuch, sich der politischen Verantwortung zu entziehen. Politisch ist nach wie vor alles möglich – selbst der Bau des Elbtunnels –, wenn man denn nur will. Im übrigen wird gern übersehen, dass die Bindungsfrist des Referendums von 2005 im Februar 2008 abgelaufen ist, dass die Dresdner heute vielleicht ganz anders entscheiden würden und dass man sie einfach daran hindert.
Das widersprüchlichste an der ganzen Anzeige ist aber die Kontaktangabe. Es wird auf www.welterbezentrum-dresden.de verwiesen. Und dort finden wir auch den Beschluss des Welterbekomitees vom 12.07.2006, in dem es u.a. heißt: „Das Welterbekomitee …
- stellt fest, dass der Bau der ‚Waldschlösschenbrücke‘ den Wert und die Integrität des Schutzgutes … irreversibel schädigen würde,
- fordert den Vertragsstaat und die städtischen Verantwortlichen auf, umgehend das Bauprojekt zu stoppen und Gespräche mit allen Beteiligten aufzunehmen, um alternative Lösungen zu finden, die den Erhalt der Kulturlandschaft des Elbtals und seinen außergewöhnlichen universellen Wert sichern sowie Details zu diesem Prozess und einen zeitlichen Rahmen … zu benennen …“
Dass das bis heute nicht ansatzweise geschehen ist, wissen wir. Dass davon nichts in der Zeit-Anzeige zu lesen ist, versteht sich von selbst. Schließlich handelt es sich ja um eine Anzeige. Und an solcher Stelle nimmt man es mit der Wahrheit halt nicht so genau.
Nachtrag
In den DNN vom 05.11.2008 heißt es zum Thema: „Laut Rathaussprecher Kai Schulz hatte ‚Die Zeit‘ der Stadt angeboten, diese Anzeige zu schalten, um so auch auf das Welterbe Dresdner Elbtal aufmerksam zu machen. ‚Dieses Angebot wurde durch die Stadt angenommen und ein Text gemeinsam mit dem Welterbezentrum verfasst. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Image-Anzeige für das Welterbe‘, sagte Schulz gestern auf Anfrage. 7.100 Euro bezahlte die Stadt für die Werbung, die ein Viertel der Zeitungsseite in Anspruch nimmt.“
In den DNN vom 06.11.2008 lesen wir weiter: „Nach der heftigen Kritik … an einer Anzeige der Stadtverwaltung … hat sich nun auch der Sprecher des Welterbezentrums Andreas Friedrich zu Wort gemeldet. Er widersprach der Aussage von Dresdens Stadtsprecher Kai Schulz, dass der Text für das lnserat gemeinsam mit dem Welterbezentrum verfasst wurde. ‚Die Autoren der Stadt haben lediglich Textabschnitte des Welterbe-Faltblattes des Welterbezentrums verwendet und abgewandelt. Die Anzeige wurde ohne jegliche Abstimmung mit uns veröffentlicht und verfehlt mit ihren verkürzenden Aussagen zum Brückenbau ihren werbenden Zweck‘, erklärte Friedrich gestern in einer Richtigstellung.“
Woran erinnert uns das? Richtig: An die kleinen Dreistigkeiten unserer Stadtverwaltung, an die wir uns inzwischen schon fast gewöhnt haben. Allein die Glaubwürdigkeit der politischen Akteure bleibt auf der Strecke. Aber viel zu verlieren haben sie da ohnehin nicht mehr.
Lesen Sie weiter: Pressemitteilung vom 07.11.2008