Alles Lüge
18. Dezember 2008
Auf der Internetseite der Bürgerinitiative Pro Waldschlößchenbrücke findet sich ein Beitrag von Dr. Hans-Joachim Brauns vom 12.12.2008, in dem er in gewohnt virtuoser Weise mit der Wahrheit umgeht. Daher sollte der Beitrag besser nicht unkommentiert bleiben. Lassen wir aber zuerst das Traktat auf uns wirken …
Auch der erneute Versuch der Brückengegner, im Stadtrat einen Baustopp durchzusetzen, ist gescheitert. Begründung des Antrags war – wie immer – die derzeitige Haltung der UNESCO und natürlich, der Tunnel sei doch der Kompromiss. Keine Mehrheit fand auch die Forderung, die Oberbürgermeisterin möge einen Bürgerentscheid für den Tunnel vorbereiten.
Über die Brückengegner kann man nur den Kopf schütteln. Sie verdrängen oder verschweigen bewusst, die bis jetzt nur mündlich bzw. in einer Presseerklärung gegebene Begründung des Verwaltungsgerichts für die Abweisung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss, nämlich dass der Bau eines Tunnels unter der Elbe aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig sei.
Es wird keinen Tunnel geben. Dies nicht zur Kenntnis zu nehmen grenzt an pathologischem Realitätsverlust.
Eine realitätsbezogene Politik für den Erhalt des Dresdner Elbtals in der Liste der Welterbestätte wäre die Unterstützung unserer Oberbürgermeisterin, bei der UNESCO für die Vereinbarkeit von Brücke und Welterbe zu werben. Was machen die Brückengegner? Sie fordern die UNESCO der Sache nach auf, hart zu bleiben! Das ist dann konsequent, wenn es ihnen allein darum geht, ihren „Sieg“, die UNESCO auf ihre Seite gezogen zu haben, koste es, was es wolle, zu verteidigen. Das ist schade, das ist peinlich und das schadet unserer Stadt.
Das Dresdner Elbtal ist in Kenntnis der UNESCO von den Planungen für die Waldschlößchenbrücke Welterbe geworden. Das Dresdner Elbtal ist also mit Brücke Welterbe. Wer nicht einmal gedanklich die Möglichkeit zulässt, dass das eine redliche Überzeugung ist, hängt selbstgerecht nur eigenen Anschauungen nach, negiert den Bürgerentscheid und redet damit antidemokratischen Strukturen das Wort. Diese Leute sollten endlich in sich gehen! Merken sie nicht, was sie alles kaputt machen? Um der Demokratie Willen ist gegenüber diesen Leuten Widerstand angezeigt.
… und schauen uns dann einmal seine Bestandteile genauer an:
- Die (schriftliche) „Begründung des Verwaltungsgerichts für die Abweisung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss“ liegt bislang noch nicht vor. Sie ist frühestens im Januar zu erwarten – und es sind vor allem die Naturschutzverbände, die recht gespannt auf sie warten. Bis dahin sollte auch Herr Brauns mit Interpretationen des Urteils vorsichtig sein.
- Herr Brauns stellt fest, „dass der Bau eines Tunnels unter der Elbe aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig sei.“ Das ist seine persönliche Auslegung der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts, in der es heißt: „Die von den Klägern favorisierte Tunnelvariante kommt nach Auffassung der Kammer als alternative Flussquerung nicht in Betracht, da diese zusätzlich erheblich in den geschützten Flusslauf der Elbe eingreifen würde.“ Dieser Passus überrascht zumindest in zweierlei Hinsicht:
- Gerade mit Verweis auf einen künftig möglichen (und keinesfalls unumstrittenen) Ausbau der Elbe für größere Frachtschiffe hatte das Wasser- und Schifffahrtsamt Dresden die geforderte Tunnelüberdeckung von 2,50 Meter auf 3,50 Meter erhöht. Man darf sich fragen, wie dieser Ausbau ohne erheblichen Eingriff in den geschützten Flusslauf erfolgen soll.
- Es sind gerade die Naturschutzverbände, für welche der Elbtunnel den geringeren Eingriff in die Umwelt darstellt. In Abwägung der Alternativen haben sie sogar bindend zugesagt, dass sie auf Klagen gegen einen Tunnelbau verzichten.
Im übrigen erscheint es fragwürdig, wenn jemand, der den Bau einer vierspurigen Brücke durch ein Landschaftsschutzgebiet vorantreibt, über die täglich 45.000 Autos verkehren sollen, plötzlich sein Herz für den Naturschutz entdeckt. Das erinnert ein wenig an die Fürsorge der Brückenfreunde, die unvermittelt den Radfahrern zuteil wurde, weil eine Tunnellösung ihnen ja keine Flussquerung erlaube – obwohl sich der ADFC Dresden für derartige Argumentationen nicht vereinnahmen lassen will und für Radfahrer gangbare Alternativen zur Verfügung stehen.
- Herr Brauns diagnostiziert „pathologischem Realitätsverlust“ bei den Tunnelfreunden. Nun, für zarte Gemüter ging es im „Dresdner Brückenstreit“ schon immer etwas ruppig zu. Wem das befremdlich schien, findet hier eine Antwort: Herr Brauns zählt zu den exponierten Brückenfreunden und wie viele von ihnen pflegt auch er einen wenig respektvollen Umgang mit seinen Gegnern. Seine „Verdienste“ um die Streitkultur in dieser Stadt können von daher nicht hoch genug geschätzt werden.
- Herr Brauns fordert auf, „bei der UNESCO für die Vereinbarkeit von Brücke und Welterbe zu werben.“ Da hat er etwas nicht richtig verstanden. Den Welterbetitel hat Dresden weder für den Canaletto-Blick, noch für die Frauenkirche oder das historische Zentrum erhalten. Nein, es ist gerade die einzigartige Stadt-Landschaft, es sind die weiten, unverbauten Elbauen, die Dresden im Vergleich zu ähnlichen Großstädten auszeichnen. So ist es auch nicht überraschend, wenn die Fachgutachter der UNESCO urteilen, dass eine Brücke an dieser Stelle in jedem Fall eine irreversible Beschädigung des mit dem Welterbestatus versehenen Landschaftsraumes bedeutet. Die UNESCO kann gar nicht anders, als dieser Einschätzung zu folgen. Das ist jüngst noch einmal bei der Konferenz „UNESCO-Welterbe in Gefahr“ anlässlich der Jahrestagung der deutschen UNESCO-Welterbestätten am 22./23.10.2008 in Eisenach deutlich geworden – einer Veranstaltung, zur der es im übrigen Dresden nicht für notwendig erachtete, einen Vertreter zu entsenden. Zudem: Bevor Herr Brauns für die „Unterstützung unserer Oberbürgermeisterin“ in dieser Angelegenheit wirbt, sollte er sich bitte zuerst an Frau Orosz selbst wenden, denn sie lässt in Welterbe-Dingen offensichtlich einiges unversucht.
- Ein Klassiker: „Das Dresdner Elbtal ist in Kenntnis der UNESCO von den Planungen für die Waldschlößchenbrücke Welterbe geworden.“ Das ist die Lebenslüge der Brückenfreunde. Herrn Brauns und all jenen, die noch immer daran glauben, sei die Lektüre unseres Beitrags „Und die UNESCO war doch informiert!?“ wärmstens empfohlen.
- An einer Stelle hat Herr Brauns vollkommen Recht: Wer einen „Bürgerentscheid negiert, redet damit antidemokratischen Strukturen das Wort.“ Das möge er bitte zuerst einmal seinen Parteifreunden von der CDU in Leppersdorf erklären. Dort ist ein eindrucksvolles Beispiel zu besichtigen, wie die CDU einen Bürgerentscheid negiert. Und dann kann er seinen Parteifreunden von der Dresdner und der sächsischen CDU erklären, dass jemand, der ein Bürgerbegehren ignoriert, gleichfalls antidemokratischen Strukturen das Wort redet. Leider ist das Verhältnis seiner Partei zu demokratischen Prinzipien zu ambivalent, als dass er der Richtige für derartige Belehrungen wäre. Im übrigen ist seine Kritik an sich unzutreffend: Nach Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist und in einer vollkommen veränderten Ausgangslage (mittlerweile herrscht Klarheit über die Machbarkeit des Elbtunnels und die Welterbe-Relevanz der Bürgerentscheidung) steht nach dem Willen des Gesetzgebers den Bürgern das Recht zu, erneut zu entscheiden. Und genau das wird ihnen verwehrt. Von wem? Zuallererst von der CDU-Stadtratsfraktion.
Vergessen wir nicht: Herr Dr. Hans-Joachim Brauns ist nicht nur Vorsitzender der Bürgerinitiative Pro Waldschlößchenbrücke, er ist auch Stadtrat der CDU. Mit Blick auf das kommende Wahljahr sollten uns seine Worte in lebendiger Erinnerung bleiben:
Um der Demokratie Willen
ist gegenüber diesen Leuten
Widerstand angezeigt.