Die Roten Karten sind verteilt
4. Januar 2009
Landtagssitzung am 13.11.2008
Die Debatte ist im Plenarprotokoll 4/123 des Sächsischen Landtags ab Seite 10137 wörtlich wiedergegeben – und unbedingt lesenswert. Leider wenig überraschend aber dennoch bemerkenswert ist, dass im Ergebnis der Beschlussantrag
Der Sächsische Landtag begrüßt die Entscheidung des UNESCO-Welterbekomitees vom 3. Juli 2008, die Streichung des Dresdner Elbtals von der Liste der Welterbestätten zu verschieben, um den Erhalt des Welterbetitels zu ermöglichen.
keine Mehrheit gefunden hat. Noch mal: Der Sächsische Landtag begrüßt die Bemühungen um den Erhalt des Welterbetitels nicht.
Einem einigermaßen klar denkenden, gebildeten und kultivierten Menschen stellt sich nun die Frage, die Cornelia Ernst in ihrem Redebeitrag im Landtag sehr treffend formuliert: „Ich frage Sie: Wie wollen Sie, wie wollen wir künftigen Generationen erklären, dass wir allen Ernstes für eine Brücke den Weltkulturerbetitel Dresdens verschleudert haben? Erklären Sie das doch einmal jemandem – wie denn?“ Es wäre zu ergänzen, dass es schon heute schwer fällt, auswärtigen Freunden oder gar internationalen Gästen unserer Stadt diese Frage plausibel zu beantworten.
Eine Mehrheit des Sächsischen Landtags weiß dennoch eine Antwort und gibt sie unmittelbar im Plenum als Zwischenruf kund. Aus der FDP-Fraktion ist dazu zu vernehmen: „Ach!“ Soviel zum Kleingeist der FDP. Und aus der CDU-Fraktion ist dazu zu hören: „Die Mehrheit will das!“ Soviel zum Demokratiebegriff der CDU. Ob diese Mehrheit auf redliche Weise gewonnen wurde und ob sie heute noch existiert, darf zumindest bezweifelt werden. Sicher ist nur, dass die Bindungswirkung der Mehrheitsentscheidung vom Februar 2005 im Februar 2008 auslief und dass seither die Dresdner daran gehindert werden, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen.
Darüber hinaus sind folgende Punkte erwähnenswert:
- Die Fehlleistung von Lars Rohwer, Kreisvorsitzender der CDU Dresden, in seinem Redebeitrag ist hier bereits kommentiert worden. Sie belegt auf unterhaltsame und zugleich überzeugende Weise, dass die CDU den Herausforderungen der Welterbediskussion wohl intellektuell nicht gewachsen ist. Wer das nicht glauben mag, sollte sich das o.g. Plenarprotokoll tatsächlich einmal zu Gemüte führen.
- Die Frage: „Wenn überhaupt, ist denn dann nicht eher die Dresdner Altstadt rund um die Frauenkirche das Welterbe Dresdens, das es in seinem alten und schönen Glanz zu erhalten und zu schützen gilt?“ von René Despang (NPD) belegt, dass er zu jenen gehört, die noch immer nicht begriffen haben, was das Dresdner Elbtal in den Rang des Welterbes der Menschheit erhebt. Zur Wiederholung: Eine Bewerbung Dresdens um einen Welterbetitel für das historische Stadtzentrum war erfolglos geblieben. Einzigartig ist vielmehr die Stadtlandschaft im Elbtal mit ihren weiten, (nun wohl nicht mehr lange) unverbauten Elbauen. Das ist das Welterbe. Dafür gab es schließlich den Titel. Und das wird halt kaputt gemacht, wenn man eine Autobahnbrücke durchbaut. So einfach ist das.
- Martin Dulig von der SPD erklärt sein Abstimmungsverhalten u.a. wie folgt: „Dass wir als Fraktion hier einer Koalition angehören und uns nicht zu einer Zustimmung verständigen können, wird Sie doch jetzt nicht überraschen. Dass aber das inhaltliche Anliegen nach wie vor von uns getragen wird, habe ich auch symbolisch für meine Fraktion und natürlich persönlich mit meiner Stimmenthaltung deutlich gemacht.“ Er belegt damit, dass die Haltung der SPD zur Welterbefrage zumindest differenziert ist. Er ist im übrigen nicht der erste SPD-Landespolitiker, der seinen Bemühungen um den Welterbeerhalt mit Verweis auf die Koalitionsdisziplin beklagenswert enge Grenzen setzt.
- Johannes Lichdi (GRÜNE) wendet sich in seinem Schlusswort zur Debatte an die Fraktion der CDU mit den Worten: „Das … zeigt, wie weit Sie tatsächlich von der Vorstellung entfernt sind, was es heißen würde, sich in einer weltoffenen Stadt zu bewegen und sich auch entsprechend zu verhalten. Sie zeigen hier einen eingeübten provinziellen, machtarroganten und bornierten Geist, den ich mir für Dresden und für ganz Sachsen nicht wünsche.“ Das ist schon starker Tobak. Aber es bringt die aktuelle Verfassung der sächsischen Politik exakt auf den Punkt. Leider.