Die Roten Karten sind verteilt
4. Januar 2009
Stadtratssitzung am 11.12.2008
Allen voran wurde folgender Beschlussantrag mit 36 Ja- zu 31 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen:
Der Stadtrat stellt fest, dass sein Bemühen um Kompromisssuche zwischen dem Bürgerwillen für eine Elbquerung am Waldschlößchen und dem Erhalt des Welterbes Dresdner Elbtal von der Politik des Landes als auch des Bundes keinerlei Unterstützung erhalten hat und dass alle rechtlichen Wege für diese Ziel ausgeschöpft wurden. Der Stadtrat bekräftigt seinen Unmut darüber, dass der Weg eines erneuten Bürgerentscheids für eine welterbefähige Alternativlösung gleichermaßen verhindert wurde. Der Stadtrat ist besorgt, dass der ungelöste Konflikt dauerhaft das politische Klima und die demokratische Willensbildung in der Stadt Dresden beeinträchtigen wird.
Das ist auf den ersten Blick bemerkenswert, weil damit die Bankrotterklärung der Dresdner Lokalpolitik gewissermaßen ein amtliches Siegel erhält. Fakt ist, dass die im Stadtrat existierende Welterbemehrheit mithilfe des Regierungspräsidiums (heute der Landesdirektion) von der Landesregierung entmündigt wurde. Fakt ist aber auch, dass das Abstimmverhalten unserer Stadträte zu selten von Courage und zu oft von Opportunismus zeugte. Dazu gleich noch mehr. Die bedenkliche Nebenwirkung dieses Stadtratsbeschlusses besteht jedoch darin, dass er künftig einmal als Persilschein verwendet werden könnte („Ach, wir waren ja so machtlos …“). Und das vielleicht zuerst von jenen, die sich ganz besonders um das „politische Klima und die demokratische Willensbildung in der Stadt“ verdient gemacht haben, wie z.B. die Herren Jan Mücke oder Hans-Joachim Brauns (zu ihrer „Ehrenrettung“ sei aber angemerkt, dass sie vermutlich gegen den o.g. Beschlussantrag gestimmt haben).
Dass eine der beiden Stimmenthaltungen unserer Oberbürgermeisterin Helma Orosz zugeschrieben werden kann, ist bemerkenswert. Ein Versuch, das zu interpretieren muss aber ausbleiben: Es wäre Kaffeesatzleserei.
Wie zwiespältig die Haltung des Stadtrats ist, machen zwei weitere Abstimmungsergebnisse deutlich. Einerseits wurde mit 35 Ja- zu 31 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen der Beschlussantrag
Der Stadtrat nimmt die Beschlüsse und Empfehlungen aus der Sitzung des Welterbekomitees Anfang Juli in Quebec zur Kenntnis und bekräftigt unter Verweis auf seine früheren Beschlüsse aus den Jahren 2006-2008 seine Bereitschaft zur Kompromisssuche für den Erhalt des Welterbetitels.
angenommen, während mit 30 Ja- zu 38 Nein-Stimmen bei 1 Enthaltung folgender Beschlussantrag abgelehnt wurde:
Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt, unverzüglich alles ihr Mögliche zu tun, damit eine Tunnelplanung durch die Stadt veranlasst und in Angriff genommen werden kann, die Bereitschaft des Auswärtigen Amtes zur Moderation des Konfliktes baldmöglichst von der Landeshauptstadt Dresden aufgegriffen wird, eine Abstimmung zum gemeinsamen Vorgehen mit dem Freistaat Sachsen und der deutschen Bundesregierung unverzüglich erfolgt; hierbei ist insbesondere die Finanzierung der Umplanung zu einer Tunnelquerung zu prüfen.
Ja, was nun? Wollen die Herrschaften einen Kompromiss oder nicht? Die Ansage der UNESCO ist eindeutig: Elbquerung: Ja. Brücke: Nein. Elbtunnel: Ja. Und diese Entscheidung fußt auf dem Urteil von Gutachtern, die gemeinsam mit Vertretern der Stadt, des Freistaats und der Bundesregierung (unter Ausschluss der Öffentlichkeit wie auch der Elbtunnel-Freunde) das Problem und die Lösungsalternativen am 04./05.02.2008 in Dresden diskutiert hatten. Wer da – wie z.B. unsere Oberbürgermeisterin Helm Orosz – glaubt (oder glauben macht), er bekommt die Brücke und den Welterbetitel, der hat die Realitäten noch nicht erkannt (oder streut dummes Pulver).
Schließlich wird mit 28 Ja- zu 40 Nein-Stimmen bei 1 Enthaltung der Beschlussantrag
Des weiteren wird die Oberbürgermeisterin beauftragt, unverzüglich alles dafür zu tun, dass ein Bürgerentscheid über den Bau eines Elbtunnels anstelle der Brücke im Verkehrszug Waldschlösschenquerung möglich wird und hierzu das Klageverfahren gegenüber dem Freistaat Sachsen zu betreiben.
abgelehnt.
Dieses Ergebnis überrascht auf den ersten Blick, denn es steht scheinbar im Widerspruch zu den Stadtratsentscheidungen vom 22.04.2008 und 30.04.2008. Das Abstimmungsverhalten einiger Abgeordneter folgt aber einer höheren Logik, die man erst einmal verstehen muss. Zur Erinnerung: Am 22.04.2008 hatten die Abgeordneten der Linksfraktion.PDS zwar für das Bürgerbegehren, aber gegen einen Baustopp votiert und damit bewusst in Kauf genommen, dass in den Elbauen weiter Tatsachen geschaffen werden. Ziel dieses merkwürdigen Manövers war es wohl, einerseits einen bürger- und demokratiefreundlichen Anschein zu wahren und andererseits der CDU den Weiterbau der Brücke nicht zu vermasseln. Dass im Gegenzug die Linksfraktion.PDS mit dem Posten des Kulturbürgermeisters für Ralf Lunau belohnt wurde, ist freilich nur ein Gerücht. Jedenfalls lehnt die gleiche Linksfraktion.PDS nun mit Verweis auf die zwischenzeitlich in den Elbauen geschaffenen Tatsachen das Bürgerbegehren als obsolet ab, was für sich genommen schon fragwürdig genug ist. Da ist es nur ein schwacher Trost, wenn sich um Rainer Kempe einige Mitglieder der selben Fraktion redlich um den Welterbeerhalt für Dresden bemühen.
Das Abstimmungsergebnis ist zugleich aber auch unerheblich, denn die Stadtverwaltung hatte nach der Entscheidung des Regierungspräsidiums das „Klageverfahren gegenüber dem Freistaat Sachsen“ ohnehin nur mit arg begrenzter Leidenschaft verfolgt.
Die 50.000 Unterzeichner unseres Bürgerbegehrens werden akzeptieren müssen, dass ihre Meinung von der Politik der Landeshauptstadt und des Freistaats glattweg ignoriert wird. Der Verein „Bürgerbegehren Tunnelalternative am Waldschlößchen e.V.“ ist unverändert der Auffassung, dass die Begründung der Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens substanzlos ist. Bislang hat das Verwaltungsgericht im Eilverfahren nur eingeschätzt, „dass der vom Oberbürgermeister gegen das Bürgerbegehren eingelegte Widerspruch [nicht] offensichtlich rechtswidrig oder willkürlich sei. Das Gericht hat in seiner Eilentscheidung allerdings ausdrücklich offen gelassen, ob die vom Oberbürgermeister vorgebrachten Bedenken gegen die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zutreffend sind.“ Das Oberverwaltungsgericht hat genau das bestätigt – und mehr nicht. Der Verein fühlt sich den Unterzeichnern des Bürgerbegehrens soweit verpflichtet, dass er eine Entscheidung der Gerichte im Hauptsacheverfahren herbeiführen wird – selbst, wenn eine Entscheidung dazu aufgrund der bis dahin geschaffenen Tatsachen in der Sache irrelevant wäre. Es geht vielmehr darum, offenzulegen, dass eine demokratiefeindliche Politik von der sächsischen CDU quasi routinemäßig praktiziert wird.