Moderner Ablasshandel?
11. Januar 2009
Die werden samt ihren Meistern
in die ewige Verdammnis fahren,
die da vermeinen,
durch Ablaßbriefe ihrer Seligkeit gewiß zu sein.
Martin Luther, 32. These
In der Sächsischen Zeitung vom 10.01.2009 lesen wir unter der Überschrift „UNESCO-Botschafter verhandelt über Welterbetitel“:
Der vermutlich letzte Rettungsversuch für den Welterbetitel ist angelaufen. Der deutsche UNESCO-Botschafter Günter Overfeld befindet sich in Gesprächen zur Rettung des Titels. Das bestätigte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes auf SZ-Anfrage. Der Botschafter äußerte sich nicht.
Die Sprecherin sagte, Overfeld sei in einem „ergebnisoffenen Gedankenaustausch“ mit Vertretern der Staaten, die wie Deutschland einen Sitz im Welterbekomitee der UNESCO haben. Overfeld ist ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei der UNESCO. Er hat seinen Sitz in Paris. Dort ist das UNESCO-Welterbezentrum beheimatet.
Zu den bisherigen Resultaten und Verhandlungsansätzen sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes nichts. Dem Vernehmen nach will aber Deutschland seine Rolle als großer UNESCO-Beitragszahler betonen. In den kommenden Wochen will sich auch die Stadt direkt in die Verhandlungen einschalten, wie OB Helma Orosz (CDU) mehrfach angekündigt hatte. Im Sommer entscheiden die 21 Komitee-Staaten in Spanien über die Aberkennung des Titels für Dresden.
Das lässt aufhorchen: Deutschland will also seine Rolle als großer UNESCO-Beitragszahler betonen. – Ist das etwa der Einstieg in eine moderne Form des Ablasshandels?
Deutschland ist bei der UNESCO bekannt dafür, dass es gern Maßstäbe setzt. Soll das nun heißen, Drittweltländer müssen sich von Deutschland künftig nur noch so lange zum Welterbeschutz belehren lassen, bis sie genügend Beitrag zahlen, dass auch sie ihre Welterbestätten selbst zerstören dürfen?
Wir erleben gerade in der jüngsten Geschichte besorgniserregende Parallelen zu diesem Vorgang: Die Vereinigten Staaten „erkauften“ sich als einer der großen (und zumeist säumigen) Beitragszahler der UNO das Recht, im Zuge ihres Kampfes gegen den internationalen Terrorismus die UNO-Menschenrechtskonvention – vorsichtig formuliert – etwas großzügiger auszulegen.
Fein. In dieser Liga spielen wir jetzt also auch.
So, wie es aussieht, wird Deutschland als erste große Kulturnation in die Geschichte eingehen, die bewusst und ohne Not einen Teil des Welterbe der Menschheit zerstört hat. Das ist der zweifelhafte Verdienst unserer Entscheidungsträger in Dresden und Sachsen. Dabei sollte man es aber bewenden lassen. Es ist genug Schaden angerichtet. Den Bürgerinnen und Bürgern unserer Heimatstadt wird es schwer genug fallen, das in Einklang mit dem Selbstverständnis von Dresden als Kulturmetropole zu bringen.
Sollte es aber durch derart fragwürdige diplomatische Manöver gelingen, zudem die Autorität der UNESCO in Zweifel zu ziehen, wäre der Schaden noch ungleich größer. Es bleibt zu hoffen, dass die Mitglieder des Welterbekomitees sich der Brisanz und Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst sind.