Was wäre, wenn …
16. Januar 2009
Ein Stimmungsbild,
gemalt von
Johannes Hellmich
„Das Geld könnt Ihr euch sparen!“, rief mir der Kollege zu. Die Einladung zum Neujahrsempfang der Welterbe-Bewegung hatte ich ihm, dem Brückenfreund und Kontrahenten aus Tagen hitziger Wortgefechte, an den Arbeitsplatz gehängt, ironisch und etwas provokativ. „Was bildet Ihr Euch denn ein …“ setzte er nach, ungläubig, meiner offensichtlichen Naivität wegen. Ich antwortete nichts mehr.
Was er hoffentlich nicht ahnte: Für mich war es nur ein Pflichttermin, nicht mehr. Zu ernüchternd war der Ausgang der Gerichtsverfahren gewesen, zu enttäuschend die Wirkung der Aktionen der Welterbefreunde – einer immer kleiner werdenden Schar scheinbar Unbelehrbarer im vergangenen Herbst.
Aufmunterungen würde es also auf diesem Empfang vermutlich geben, die bitter machen konnten: Jetzt nach vorne schauen, wird es heißen, sich weiter einbringen, den einzigartigen Ruf der Kulturstadt Dresden wahren und so weiter. Ausgerechnet im Festsaal des Rathauses! Ich gratulierte in Gedanken dem Ideengeber; konsequent im vermeintlichen Größenwahn war diese Vorstellung schon wieder lustig. „Das bezahlt alles die Stadt“, fiel mir erst jetzt eine gute Antwort für den Kollegen ein.
Wer allerdings durch die Goldene Pforte und das großzügige Foyer des Rathauses nach oben gelangt, kann sich auch im Vorübereilen der Wirkung einer wunderbaren Ton-in-Ton-Malerei mit all ihren Brechungen, mit der das Treppenhaus gestaltet ist, nicht entziehen. Hier erwartet der Dresdner, der die Resultate zermürbender und kleinlicher Debatten im Welterbestreit kennt, zuletzt eine fast feierliche, jedenfalls friedliche Stimmung.
Und dann passierte das nicht mehr für möglich Gehaltene: Ein übervoller Saal, eine fröhlich-aufgeregte Atmosphäre, sympathisches Stimmengewirr, Menschen in wunderbarer Unterschiedlichkeit. Alle Frustration der vergangenen Wochen und Monate war spätestens nach jenem Kurzfilm verflogen, der mit unglaublicher Leichtigkeit eine Einladungsfahrt durch Dresden erzählte.
Und da waren wieder die Protagonisten, welche so oft die Skeptiker unter uns aufgerüttelt hatten: Thomas Löser, der mit seinem angedeuteten Backenbart und etwas Phantasie wie ein Idealist der 48er Revolution wirkt und im Handumdrehen Begeisterung entfachen kann, Susanne Knaack, die uns so eindringlich den Wert dessen fühlbar macht, was einer starrsinnigen Verkehrspolitik geopfert werden soll. Der Mahner Klaus Gaber muss genannt werden, dessen Einsichten ins Mark treffen und Achim Weber, der mit wenigen Worten aufrichtet und mit seiner stillen Art ein großes, buntes Völkchen zusammenhalten kann. Sie und die anderen haben mehr als einmal den Horizont aufgeschoben und jeder Rückblick war irgendwie auch Ausblick auf Kommendes. In diesem vergangenen Jahr hat sich eine lebendige demokratische Kraft artikuliert, die sicher nur wenige für möglich hielten. Eine Rückkehr in die Zeit des stillen Duldens, in dem sich viele Dresdner eingerichtet hatten, schien unmöglich.
Einer muss noch genannt werden, denn er war der Mutigste, er ging noch einen Schritt weiter: Was wäre, wenn noch nichts verloren ist, was wäre, wenn wir noch einmal unsere Kräfte zusammennähmen und für das Unwahrscheinliche mobilisieren; was wäre, wenn es doch gelänge, unser Elbtal zu bewahren und jenen Titel? Ist das möglich? Weckte Michael Kaiser falsche Hoffnungen? Sollten wir nicht endlich den Verlust akzeptieren? „Optimist!“ murmelte jemand neben mir.
Ob eine Fußgängerbrücke eine kluge Lösung wäre oder ob man die Fährverbindung für ausreichend hält – darüber kann man diskutieren. Was spricht aber dafür, dass angesichts des Baufortschritts ein Volltunnel noch immer möglich sein soll?
Nun, vor Jahresfrist hoffte mancher, dass ein Tunnel überhaupt möglich sei – hoffte es mehr, als dass er von den Machbarkeitsstudien und technischen Erläuterungen überzeugt war. Wer zudem eine „Null-Lösung“ favorisierte, steckte in einer absurden Situation: Er trat mit schwer nachprüfbaren Fakten engagiert für einen Kompromiss ein, den die Gegenseite für nicht realisierbar erklärte, ja sogar als Beweis ansah, dass man die nie bestrittene „Null-Lösung“ wolle.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass alles, was Michael Kaiser zum Thema Elbtunnel sagte, letztlich bestätigt wurde gegen alle Zweifel, die gesät wurden von der Union und ihrer willigen Infrastruktur und die nicht selten auch bei uns auf fruchtbaren Boden fielen. Warum sollte man jetzt auf die hören, die immer schon vorher wussten, dass alles vergebliche Mühe ist? Dass eine Ministerin dieser sächsischen Landesregierung selbst jetzt noch von einem Kompromiss spricht, macht Hoffnung. Ich jedenfalls werde mit dem Stadtrat, den ich kenne, Kontakt aufnehmen.