Welterbe der Herzen
1. März 2009
Johannes Hellmich
ist geteilter Meinung
Die Dresdner SPD entwirft einen Plan für die Zeit danach:
Wir sehen der Situation nüchtern ins Auge: Der Bau an der Waldschlößchenbrücke schreitet fort, der Welterbestatus wird damit wohl verloren gehen. Da machen wir uns keine Illusionen.
So wird Peter Lames von der SPD am Wochenende in der DNN zitiert. Dieser Realismus des Dresdner Sozialdemokraten ist nicht neu. Er hat sich bereits mit der Auflösung des Welterbekuratoriums, dem er angehörte, angekündigt, besonders aber mit dem Beschluss der UNESCO-Kommission in Québec im Sommer letzten Jahres. Peter Lames ist zweifellos einer der aufrichtigsten Lokalpolitiker. Er bekannte sich offen zum Welterbe, auch als der politische Gegenwind besonders heftig war. Das ist ihm hoch anzurechnen. Seine Vision einer Satzung zum Schutz der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal ist dennoch schwierig in dreierlei Hinsicht.
Zunächst: Der Gedanke einer Satzung fände auch in den anderen Fraktionen (des Stadtrates) breite Zustimmung, erfahren wir und weiter: auch bei Befürwortern der Waldschlösschenbrücke. Was zunächst aufhorchen lässt, hat eine einfache Erklärung. De facto hakt die Dresdner SPD mit ihrem Vorstoß das Welterbe ab, obwohl noch mehrere Monate Gelegenheit ist, eine welterbeverträgliche Lösung zu finden. Das hört man auf Seiten der Brückenfreunde natürlich gern. Offene Gespräche über eine Satzung können die bittere Pille des Welterbeverlustes leichter erträglich machen. Dass die Brückenfraktionen jede Chance wahrnehmen, ihren Ruf als Welterbezerstörer loszuwerden, vermag nicht zu überraschen. Auch die Union will, die Zukunft fest im Blick, alte Gräben endlich schließen. Die Handreichung durch Herrn Lames bietet dafür Gelegenheit.
Dass mit der neuen Satzung das Elbtal genauso geschützt werden soll, wie derzeit durch die Welterbe-Konvention irritiert vielleicht. War es nicht gerade die Formel von der sich entwickelnden Kulturlandschaft, die Brückenfreunde einem vermeintlichen UNESCO-Dirigismus entgegenstellten? Galt es nicht Baufreiheit gegen Fremdbestimmung zu verteidigen auch um den Preis einer irreparablen Schädigung des Ansehens Dresdens? Die Betonung ästhetischer Gesichtspunkte im Vorstoß von Peter Lames offenbart zudem ein altes Missverständnis. Im Welterbestreit geht es eben nicht um ein schönes Elbtal als Staffage für eine schöne Semperoper und eine noch schönere Frauenkirche. Das wissen natürlich auch die Brückenfreunde. Zudem werden sie letztlich bestimmen, was satzungsverträglich ist oder nicht. Kann die SPD wenigstens politisch von diesem „Welterbe Light“ profitieren? Nun, es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich am Ende die Union an die Spitze dieser neuen Welterbebewegung stellen wird. Frau Orosz hätte das Zeug dazu. Einer weiteren Elbvertiefung zum Beispiel stünde das nicht entgegen.
Die Touristenbusse
kommen trotzdem!
Der ebenso selbstgewisse wie trotzige Schlachtruf der Brückenfraktion ist längst klammheimlich aus dem Argumentationsrepertoire verschwunden. Die Besucherzahlen in Dresden gehen konstant zurück. Dafür gibt es, wie immer, tausend Gründe. Das Welterbe spielt bis heute im städtischen Marketing keine Rolle. Im Gegensatz zu allen anderen Welterbestätten glaubt die Stadtverwaltung mit ihrer inzwischen insolventen DWT, auf eine aktive Präsentation des Dresdner Elbtals verzichten zu können. Grünes Gewölbe, Frauenkirche und Sächsische Schweiz müssen reichen. Die Überheblichkeit des Hauses Hilbert ist in der Öffentlichkeit bis heute nicht hinterfragt, der kommerzielle Schaden nicht seriös benannt. Auch wenn uns Union und FDP über Jahre glauben machen wollten, das Welterbe sei ökonomisch ohne Bedeutung (die Protokolle der Landtagsdebatten zum Thema belegen das eindrucksvoll), gibt es doch neben dem ideellen auch einen materiellen Wert, der den Unterschied ausmacht zwischen einem Welterbe und einer löblichen Satzung zum Erhalt des Elbtals.
Der dritte Aspekt des Vorstoßes von Peter Lames ist besonders problematisch. Er berührt die SPD als handelnde Kraft direkt. Zum einen hat der Realismus der Dresdner Sozialdemokraten natürlich etwas mit erhoffter Wählbarkeit zu tun. Zugleich ist er aber auch eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Ein wahrscheinliches Ergebnis wird von Akteuren vorweggenommen, die den Verlauf des Geschehens durchaus auch in andere Richtung beeinflussen können.
Es bleibt als wichtig festzuhalten: Sowohl politisch und juristisch als auch praktisch bestehen noch immer Möglichkeiten, den Brückenbau zugunsten einer Tunnellösung zu stoppen. Und solange die geringste Chance besteht, das Elbtal am Waldschlösschen in Unversehrtheit zu bewahren und darüber hinaus das Prädikat des Welterbes für Dresden zu erhalten, bleibt das Engagement für einen Kompromiss Bürgerpflicht. Erst wenn Dresden dieses Prädikat tatsächlich verloren hat, dann und nur dann sollte überlegt werden, wie es weitergeht.