Advocatus Diaboli
8. März 2009
Beim Kampf für das Gute:
„Ein Sachse ist immer dabei.“
Johannes Hellmich erinnert
an ein Lied von Otto Reutter.
Wer sprachlos zur Kenntnis nimmt, dass sich gewählte Vertreter dieser Stadt auf die Streichung von der Welterbeliste wie auf einen lange geplanten Scheidungstermin vorbereiten, rätselt vielleicht auch, was genau diejenigen umtreibt, die Verantwortung für das Gedeihen der sächsischen Metropole tragen. Die Brückenbauer formieren sich zu einem monolithischen Block, dessen wahre Motivation kaum erkennbar ist. Gebetsmühlenartig hören wir die Saga vom Respekt vor dem Bürgerwillen, der allerdings andernorts mit merklich weniger Verbissenheit verteidigt wird.
Sich mit der Banalität der Ignoranz abzufinden, wäre zu einfach. Der Profilierungszwang einer rechtsliberalen FDP ist auch keine Erklärung. Unter Bedingungen einer aufgeklärten politischen Streitkultur würde er kaum wahrgenommen. Unerklärlich bleibt indes bis heute die Entschlossenheit, mit der die Dresdner Union ihr Selbstverständnis an jene Brücke klammert. Die mediale Eigendarstellung der CDU bestätigt diese Schicksalsgemeinschaft eindrucksvoll. Aber nur vereinzelt werden die Motive dieser Fixierung sichtbar.
Die Einblicke in tiefere Schichten des Seelenlebens einer dem Bürgertum verbundenen Partei, die wir in seltenen Momenten gewinnen, machen uns nachdenklich. Manchmal sind die Vorstellungen, die zu Tage treten, sehr grundsätzlicher Natur. Was sonst den Esprit eines Provinzstädtchens versprüht, bekommt dann sogar einen globalen Zusammenhang. Es dürfen dann auch ungewöhnliche Wege sein, über die Erhellendes transportiert wird. 2006 schrieb der damalige Pressesprecher der Dresdner Union, Maximilian Krah, in einem Leserbrief an das Zentralorgan der Nationaldemokraten, die „Junge Freiheit“:
Vor lauter schiefem Blick auf die CDU ist dem Autor leider der eigentlich spannende Punkt der Debatte entgangen: wer in einer deutschen Stadt über die Stadtplanung entscheiden darf – die Bürgerschaft oder eine supranationale Organisation. CDU und FDP kämpfen für die Umsetzung eines Bürgerentscheides, der eine Zweidrittelmehrheit zugunsten des seit 1910 an dieser Stelle geplanten Brückenschlages ergeben hat. SPD, Grüne und PDS streiten für ein Verständnis von Denkmalpflege, das in Dresden darauf hinausliefe, dass quer durch eine aufbrechende Stadt ein Riegel gezogen würde, in dem keinerlei bauliche Veränderung mehr zulässig würde. Aus einer lebendigen Stadt würde ein bewohntes Museum, Gestaltungswille würde durch Stillstand ersetzt.
Der Streit um die Dresdner Brücke ist damit ein kleines Lehrstück für das Ringen um die Zukunft unseres Landes. Es geht um die Behauptung der Handlungshoheit gegen den Verzicht auf eigene Gestaltungsspielräume, um den Mut zur Zukunft gegen das Eingraben in einem Trugbild der Vergangenheit.
Sehr schön formuliert. Man möchte hinzufügen: „Melde: Stellung gehalten!“ Die nationale Attitüde mag mancher für einen Werbegag halten, der den rechten Rand vom patriotischen Ernst der Gemeinschaftsaufgabe Aufbau Ost überzeugen soll. Die Pressemeldungen der letzten Tage werfen auf das Engagement des Christdemokraten aber noch ein anderes Licht:
Maximilian Krah ist nicht nur Mitglied des Kreisvorstandes der CDU Dresden; er ist hauptberuflich Rechtsanwalt. Als solcher schaffte er es Ende Februar in die internationale Presse. Die Situation war allerdings etwas kompromittierend. Der britische Holocaust-Leugner David Irving hatte ausgeplaudert, dass Pius-Bruder Williamson (noch von Argentinien aus) den „German Lawyer Krah“ kontaktiert hatte. Ja, richtig: Williamson ist jener Kirchenmann, der weltweit für Aufsehen sorgte und Papst Benedikt in Erklärungsnot brachte. Kennengelernt hatten sich Williamson und Irving bei einer Gartenparty des Historikers. Unser Dresdner Jurist vertritt seit Jahren die anwaltlichen Interessen der Pius-Bruderschaft. Auch er hat dem Pius-Mann Geschichtskenntnisse vermittelt. Die Illustrierte Stern veröffentlicht dazu folgendes:
Er [Maximilian Krah] habe Williamson darauf hingewiesen, dass „mittlerweile niemand mehr“ die Existenz der Gaskammern I und II in Auschwitz bestreite. „In diesem Zusammenhang hatte ich explizit darauf hingewiesen, dass selbst David Irving, der als Holocaustverharmloser bekannt ist, mittlerweile die Existenz dieser beiden Kammern anerkennt.“ Krah versichert, er habe seinem Mandanten zudem empfohlen, bei Irving nachzufragen, wenn er weiterhin Zweifel an der Existenz dieser beiden Gaskammern habe.
Der Spiegel geht auf die juristischen Folgen des Interviews ein, das den Stein ins Rollen brachte. Die bayerische Justiz ermittelt seit dem 23. Januar wegen des Verdachts auf Volksverhetzung gegen Williamson. Ihm droht nach deutschem Recht eine Geld- oder Haftstrafe. Sein Dresdner Anwalt argumentiert, dass das Gespräch auf Englisch aufgezeichnet wurde und deshalb nicht von einer Ausstrahlung in Deutschland ausgegangen werden konnte. Darüber hinaus hat Krah am Landgericht Nürnberg einen Antrag gestellt, dass der schwedische Sender SVT das Interview von seiner Homepage nehmen muss.
In einem Leserbrief an den Rheinischen Merkur gibt der Jurist Anfang dieses Jahres Auskunft über seine seelische Not. Dieser Leserbrief wird derzeit auch in Sachsen diskutiert. Darin heißt es:
Wer sich mit offenen Augen umsieht, erkennt, dass wir heute vor einer religiösen Katastrophe stehen. An normalen Sonntagen liegt der Anteil der Katholiken, die zur Messe gehen, knapp über fünf Prozent, zu viele von ihnen sind alte Menschen. In Frankreich, das sich wegen der dort unbekannten, das System stabilisierenden Kirchensteuer sehr gut als Gradmesser eignet, gibt es Diözesen, in denen weniger als zehn aktive Priester übrig geblieben sind, von denen keiner jünger als 60 Jahre ist und im Schnitt 60 Pfarreien betreut. Klöster sterben aus, das religiöse Leben bricht zusammen.
Ein völlig anderes Bild bietet da die Bewegung der Piusbrüder, die sich entweder direkt oder zumindest in der Sache auf Erzbischof Marcel Lefebvre beruft und der Errungenschaften des „Konzils“ [gemeint ist das Zweite Vatikanische Konzil] entbehrt.
Der Niedergang Europas hat natürlich einen Grund. Pater Franz Schmidberger, der oberste deutsche Pius-Bruder, antwortete im Februar 2009 für „report Mainz“ auf die Frage nach der liberalen, offenen Gesellschaft: „Ich denke, dass der Liberalismus sich sehr, sehr nachteilig für unsere Gesellschaft ausgewirkt hat.“
Die anwaltliche Betreuung der Pius-Gemeinschaft ist zunächst eine professionelle Entscheidung. Sie zu beenden ebenso. Auch für restaurative Zeiten gilt selbstverständlich: Glaube ist Privatsache. In öffentlichen Angelegenheiten aber darf Konfession keine Rolle spielen. Diese Trennung ist eine der teuer erkauften Errungenschaften der Zivilgesellschaft. Die hiesigen Christdemokraten sollten die demokratischen Werte uneingeschränkt bejahen, die ihnen in Sachsen seit fast zwanzig Jahren das Regieren ermöglichen.
Das Motiv der Disziplinierung unbotmäßiger Bürger scheint in der Brückenfraktion immer wieder durch. Es reicht von jenem „Wer zahlt, schafft an“ bis zum Wertediktat einer kleinbürgerlichen Mittelschicht. Politiker wie Maximilian Krah stehen für eine weitere Facette: Vielleicht sollen ja widerspenstige Dresdner Bürger die Aberkennung des Welterbetitels als heilsamen Akt der Domestikation verstehen.
Es wäre schade, wenn eine geschützte Kulturlandschaft für Feldversuche einer anachronistischen Gegenreformation herhalten müsste.