Wie schreibt man einem Botschafter?
29. März 2009
Einige wenige stilistische Hinweise
gibt Eduard Zetera
Ach ja, die Sprache der Diplomaten ist eine feine, reich an Andeutungen und subtilen Zeichen. Von daher ist es gar nicht so leicht, einen gelungenen Brief an einen Botschafter zu entwerfen. Wie er jedenfalls gerade nicht aussehen sollte, dafür haben wir nun ein besonders prominentes Beispiel: Die Dresdner Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz, Jan Mücke und Andreas Lämmel haben am 27.03.2009 an alle 154 in Deutschland akkreditierten Botschafter der UNESCO-Mitgliedsstaaten folgendes Schreiben verschickt:
Exzellenz,
den Medien ist zu entnehmen, dass Sie kürzlich von einer Gruppe von Dresdner Bürgern gebeten wurden, sich gegen die Fertigstellung der Dresdner Waldschlößchenbrücke und für den Abriss der bereits fertig gestellten Teile derselben einzusetzen. Wir bitten Sie, dieses Ansinnen abzulehnen.
Die Bürger der Stadt Dresden haben mit einer Mehrheit von 67,9% am 27. Februar 2005 den Bau dieser Brücke beschlossen. Wir bitten Sie, diese demokratische Entscheidung der Dresdner Bürger zu achten und sich von der in einem demokratischen Verfahren unterlegenen Minderheit nicht für deren politische Ziele instrumentalisieren zu lassen.
Die Brücke selbst ist in Ihrer architektonischen Gestaltung den Erfordernissen der Landschaft und des Siedlungsumfeld vorzüglich angepasst und bereichert in ihrer Einheit von Funktion und Formgebung die Dresdner Kulturlandschaft. Sie wird die Dresdner Verkehrssituation an wesentlichen Punkten entlasten und so einen wichtigen Beitrag zu Verbesserung der Umweltsituation in Dresden und damit zum Schutz der Dresdner Kulturgüter leisten. Sie ist seit November 2007 im Bau und soll im Jahre 2011 für den Verkehr freigegeben werden.
Die Argumente der Brückengegner zielen ins Leere. Bedauerlicherweise hat jedoch die widersprüchliche Haltung des UNESCO-Welterbekomitees in dieser Frage für unsere Stadt enormen politischen Schaden angerichtet, den wir Sie herzlich bitten nicht zu vermehren. Wir versichern Ihnen, dass auch wir stets dafür eintreten werden, dass die demokratischen Entscheidungen in Ihrem Staat von den Repräsentanten Deutschlands respektiert werden.
Mit freundlichem Gruß
Andreas Lämmel, Jan Mücke & Arnold Vaatz
Autsch! Da haben sich die drei Herren aber ein wenig vertan. Wer es besser machen will, möge folgende Hinweise beherzigen:
Regel Nr. 1: Sage einem Botschafter nie, was er zu tun und zu lassen hat!
Schon der Respekt vor der Person des Botschafters sollte die Annahme nahelegen, dass er das selbst am besten weiß. Im obigen Schreiben finden sich hingegen solche Passagen wie: „Wir bitten Sie, … abzulehnen.“ oder „Wir bitten Sie, … zu achten und … zu lassen.“ Es steht so ganz in der unglücklichen Tradition der Briefe Dresdner Politiker, die meinen, die Welt über ihre (ein wenig einseitige) Sicht auf die Dinge belehren zu müssen – erinnert sei nur an das etwas missratene Schreiben von Frau Orosz an Franceso Bandarin, den Direktor des Welterbezentrums in Paris.
Regel Nr. 2: Drohe einem Botschafter nie, auch nicht andeutungsweise!
Der obige Brief schließt mit dem Satz: „Wir versichern Ihnen, dass auch wir stets dafür eintreten werden, dass die demokratischen Entscheidungen in Ihrem Staat von den Repräsentanten Deutschlands respektiert werden.“ Jetzt könnte man erwarten, dass sich die Herrscher der nicht ganz lupenreinen Demokratien dieser Welt nun entspannt zurücklehnen, weil ihre drei Dresdner Freunde ihnen fürderhin die deutsche Diplomatie vom Halse halten. Alle anderen könnten das aber als unverhohlene Drohung deuten: „Wenn Du Dich trotzdem bei uns einmischst, dann gucken wir mal nach, wie’s bei Dir so ausschaut.“ Also bitte! Das klingt nun aber wirklich undiplomatisch.
Regel Nr. 3: Diskreditiere nie international anerkannte Organisationen!
Unsere drei Abgeordneten schreiben doch tatsächlich: „Bedauerlicherweise hat jedoch die widersprüchliche Haltung des UNESCO-Welterbekomitees in dieser Frage für unsere Stadt enormen politischen Schaden angerichtet.“ Das ist dreist. Zunächst einmal ist das Welterbekomitee von den verantwortlichen Politikern Dresdens und Sachsens lange bewusst im Unklaren über das tatsächliche Ausmaß des „Verkehrszugs Waldschlößchenbrücke“ gelassen worden. Gerade das ist der Verdienst unserer drei Briefeschreiber und ihrer Parteifreunde und nun wirklich hinlänglich bekannt. Als die Sache schließlich ruchbar wurde, hat das Welterbekomitee getreu seiner Statuten eine Nachbegutachtung des Dresdner Welterbeantrags veranlasst – und als diese dann (wenig verwunderlich) nicht zu dem von den hiesigen Politikstrategen gewünschten Ergebnis führte, begann man damit, die UNESCO zu beschimpfen. Das setzt sich bis zum heutigen Tage und in diesem Schreiben fort.
Regel Nr. 4: Entferne Dich nie zu weit von der Wahrheit!
Diese Regel sollte im Leben grundsätzlich gelten. Nun haben wir bereits gelernt, dass die Brückenfreunde da eine ganz eigene Vorstellung von Entfernungen haben. In ihrem Brief lesen wir: „Die Bürger der Stadt Dresden haben mit einer Mehrheit von 67,9% am 27. Februar 2005 den Bau dieser Brücke beschlossen.“ Das ist für sich genommen richtig und dennoch nur die halbe Wahrheit. Den Dresdnern war bei ihrer Abstimmung im Jahr 2005 gar nicht bewusst, dass sie damit das Welterbe Dresdner Elbtal in Gefahr bringen. Wer das nicht glaubt, kann gern einmal im Informationsheft zum Bürgerentscheid Waldschlößchenbrücke nach dem Begriff „Weltkulturerbe“ suchen.
Zudem sind nicht nur Juristen der Meinung, dass ein Bürgerentscheid, dessen Ergebnis internationales Recht bricht, schlicht unzulässig ist. Auch in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages vom 19.06.2007 findet sich die Anmerkung, die Bundestags-Fraktion der FDP „appelliere an die verfassungsrechtlich zuständigen Länder, einen nationalen Regelungsrahmen zu schaffen, der Bürgerentscheide von vornherein unmöglich macht, falls mit ihnen die Pflicht zum Schutz des Welterbes ausgehebelt werden sollte.“ Hört, hört!
Wir fassen zusammen: Wer sich auf internationalem Parkett bewegen will, sollte die Spielregeln kennen und sich daran halten. Mit ihrem Schreiben zeigen die Dresdner Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz, Jan Mücke und Andreas Lämmel, dass sie diesen Herausforderungen nicht gewachsen sind. Schlimmer noch: sie meinen vermutlich, sich darüber hinweg setzen zu können. Wer noch immer nach einem Beleg dafür sucht, wie provinziell die sächsische und Dresdner Politik tatsächlich ist, hat hier ein wirklich überzeugendes Beispiel gefunden.