Vom Spaß zum Glück
9. April 2009
von Eduard Zetera
Der Arbeitspsychologe Peter Kruse hat eine Methode entwickelt, Veränderungen in den Wertvorstellungen der Bevölkerung empirisch zu erfassen. Darüber berichtete er kürzlich im Interview im Deutschlandfunk.
Ausgangspunkt war die Frage: Wie bewertet die Bevölkerung denn die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland? Hierzu meint Peter Kruse:
Das war ein etwas frustrierendes Bild, und zwar aus einem sehr einfachen Grund, weil die Menschen sehr frustriert sind … und das bezieht sich tatsächlich auf so Größenordnungen von zwei Drittel der Befragten, die wirklich genervt sind. Die sind nicht, damit wir uns nicht missverstehen, politikmüde, sondern sie sind enttäuscht und manchmal sogar ein bisschen wütend über die Situation, die wir da hergestellt haben.
Und was hat das mit Dresden zu tun und mit der Debatte um das Welterbe – die in ihrem Kern ja eine Wertedebatte ist, welche sich am Brückenbau letztlich nur entzündet hat? Auch dazu gibt das Interview einen Hinweis:
Aber ich glaube mal, dass man sich dort neue Gedanken darüber machen muss, wie wir unsere Sinnstiftung miteinander betreiben. Ich glaube, dass diese Ausrichtung auf Leistung, wie wir das die letzten Jahrzehnte betrieben haben, und wie wir versucht haben, Eigenverantwortung über Leistung zu definieren, heute nicht mehr reicht. Die Menschen haben heute einen gewaltigen Umschwung in ihren Wertesystemen, und das ist zwar eine Folge der Krise, aber nicht nur zurückzuführen auf die Krise. Wir haben einen Umschwung in Richtung Nachhaltigkeit, Sinnstiftung, Gemeinschaft, und wenn dort von der Politik keine Antworten gegeben werden, wenn dort keine Resonanz entsteht, wenn dort die alten Antworten bestehen bleiben, dann driften die Dinge eben sehr, sehr heftig auseinander.
Wieder übersetzt auf die Dresdner Debatte könnte das bedeuten, dass es scheinbar nicht mehr Ziel allen Strebens ist, möglichst effizient und bequem von A nach B zu gelangen. So glaubt auch Peter Kruse:
… was die Leute nicht mehr wollen ist diese Wohlfühlgesellschaft. Es geht nicht darum, sich wohl zu fühlen, sondern es geht darum, miteinander Sinn zu stiften. Die Menschen sind sehr, sehr sensibel geworden, bezogen auf Lebenssinn. Das heißt, die Grundsatzfrage ist nicht Spaß, sondern Freude und Glück. Spaß haben wir viele Jahre lang versucht, miteinander zu realisieren. Spaß bedeutet immer, wenn Sie so wollen, keine Anstrengung, man fährt sozusagen bergab, wunderschön, das gleitet. Aber die Leute wollen heute wieder bergauf. Die Leute wollen kulturelle Reichhaltigkeit aufbauen. Die wollen, wenn Sie so wollen, vom Spaß zum Glück.
Nun sollte sich jeder Dresdner selbst fragen, ob die Betrachtung einer vierspurigen Autobahnbrücke in einem Landschaftsschutzgebiet geeignet ist, Glücksgefühle bei ihm auszulösen. Und wenn das nicht der Fall ist, dann sollte er sich fragen, ob denn der erhöhte Spaßfaktor, über diese Brücke durch das Landschaftsschutzgebiet zu brausen, geeignet ist, das wett zu machen.