Ein neuer Brief an eine Botschafterin
16. April 2009
von Wilhelm Friedemann
Der uns allen bekannte Bekämpfer des Welterbes Herr Jan Mücke hat wieder einmal einen Brief geschrieben. Diesmal an Frau María Jesús San Segundo, die Botschafterin Spaniens bei der UNESCO. Ihn zu kommentieren ist eine undankbare aber leider notwendige Aufgabe. Da will ich mich nicht drücken.
Sehen wir uns einige Kernsätze an:
Wie Sie sicherlich wissen, droht der Stadt Dresden … die Aberkennung des Welterbetitels.
Schon haben wir seine Denkweise erfasst. Zunächst meine ich: Es gibt keinen „Welterbetitel“! Was es gibt, ist ein Eintrag in die Welterbeliste der UNESCO, der auf den Antrag Dresdens, Sachsens und Deutschlands erfolgte. Ein solcher Eintrag verpflichtet die Beteiligten alles in ihrem Vermögen Liegende zu tun, um das eingetragene Kulturgut zu schützen und zu bewahren. Aber auch wenn man den ehrenvollen Eintrag auf der Welterbeliste als „Welterbetitel“ bezeichnet, so gilt er in diesem Fall nicht der Stadt Dresden, sondern der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal. Die liegt zwar auf dem Gebiet der Stadt Dresden, ist aber dennoch nicht auf die Stadt Dresden beschränkt, sondern weist über sie hinaus. Das Welterbe gehört eben der gesamten Menschheit und die Stadt Dresden ist gehalten, es zu hegen und zu pflegen – nicht aber, es zu zerstören.
Herr Mücke meint nun, dass Brückenbau und Welterbe durchaus vereinbar wäre. Um das zu belegen, bringt er die alte Geschichte, die UNESCO sei informiert gewesen, ins Spiel und kommt dann auf den Bürgerentscheid von 2005 zu sprechen, um vermutlich unfreiwillig aber richtig festzustellen, dass dies nur ein scheinbares Problem sei:
Die Stadt Dresden jedoch war zu diesem Zeitpunkt bereits an den Bürgerentscheid gebunden und damit gänzlich unverschuldet in einem scheinbar ausweglosen Dilemma gefangen.
Er hat natürlich recht, denn das Problem hätte ja durchaus mit demokratischen Mitteln gelöst werden können.
Dann bringt er die Formulierung von der „sich weiterentwickelnden Kulturlandschaft“ ins Spiel. Er scheint sie so zu interpretieren, als sei nun jede Veränderung zulässig. Aber jede Entwicklung muss sicher stellen, dass es bei einer Kulturlandschaft bleibt, die den Kriterien für ein Welterbe genügt.
Jetzt aber zeigt Herr Mücke wie er sich die Beschaffenheit der Welt denkt. Er verweist auf das Archaeological Ensemble of Mérida:
Eine vergleichbare Situation bestand in Mérida, Spanien. Die Stadt, deren Bauten der Römerzeit und des frühen Mittelalters 1993 UNESCO-Weltkulturerbe wurden, errichtete im Jahre 1991 die „Puente de Lusitania“, die keine 500 m neben der römischen „Puente Romano Mérida“ gebaut wurde, um dem dort aufkommenden motorisierten Verkehr gerecht zu werden. Ein Bild beider Brücken hintereinander sowie einen genauen Übersichtsplan finden Sie auf der Website http://www.panoramio.com/photo/4860141. Die Brücken selbst können Sie unter http://www.panoramio.com/photo/2449738 (Puente Romano) und http://www.panoramio.com/photo/2449617 (Puente de Lusitania) betrachten.
Der Unterschied zwischen den beiden Welterbestätten ist ihm vermutlich nicht aufgegangen. Ihn zu verstehen bedeutet auch zu verstehen, was im Fall Dresden eigentlich das schützenswerte Gut ist. Aber am Verstehen fehlt es ja leider.
Beim Welterbe Dresdner Elbtal handelt es sich um ein zusammenhängendes Gebiet, welches in seiner Gesamtheit zu sehen ist. Die einzelnen Elemente dieses Gebietes sind für sich gesehen nicht so bedeutend. Was bedeutend ist, ist der Zusammenklang aller der Elemente: Das durchgehende Band der Elbwiesen, die Villen im Osten der Stadt, die Elbschlösser, die Blickbeziehungen aus der Innenstadt heraus und in die Stadt hinein usw. Das gegenwärtige Problem ist es, dass durch die Waldschlößchenbrücke gerade dieser Zusammenklang zerstört wird.
Wie ist es nun in Mérida? Hier handelt es sich gerade nicht um ein zusammenhängendes Gebiet. Vielmehr ist es eine Anzahl über die Stadt verstreuter Objekte, die nicht in räumlichem Zusammenhang zueinander stehen. Jedes Objekt steht für sich und ist nur für sich Bestandteil des Welterbes. Gemeinsam ist ihnen, Zeugnis der römischen Geschichte Spaniens zu sein.
Es müsste nun klar sein, dass die polemische Gegenüberstellung der Bilder eine völlig abwegige Parallelität vorgaukelt. Vergleichbar mit der Waldschlößchenbrücke wäre es allenfalls, wenn den Spaniern einfiele, etwa aus der Puente Romana einen Bogen heraus zu nehmen, um die Schifffahrt zu erleichtern. Aber so etwas wäre vermutlich nur möglich, wenn diese Brücke in Dresden stünde.
Dass er jetzt die falsche Interpretation des Urteils des Verwaltungsgerichts („der Tunnel sei nicht genehmigungsfähig“) heran zieht, um die UNESCO unter Druck zu setzen, ist schon eine Ungeschicklichkeit. Glaubt er, eine Botschafterin bzw. das spanische Außenministerium hat keine Mitarbeiter, die in der Lage sind, ein deutsches Urteil zu lesen? Das Welterbebüro in Paris, das ihr zuarbeitet, wird es sicher schon getan haben. Geradezu grotesk ist aber der erneute Versuch, die UNESCO zu kaufen:
Generell vorstellbar wäre die Errichtung eines Fonds, aus dem die UNESCO zur Rettung bedrohten Welterbes an anderer Stelle schöpfen könnte.
Interessant ist aber die Frage: Warum kommt Herr Mücke gerade jetzt mit einem Beispiel aus Spanien? Nun, es zeigt sich, dass er den Artikel von Eduard Zetera nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Dort steht: „Regel Nr. 2: Drohe einem Botschafter nie, auch nicht andeutungsweise!“
María Jesús San Segundo übernimmt die Leitung der Sitzung des Welterbekommitees in Sevilla. Wer wissen will, wer oder was sie ist, kann selbst einmal nachsehen. Und der Herr Mücke, dessen Website man nur entnehmen kann, was er nicht ist? Er erweckt den Eindruck, als wolle er sagen: „Jetzt hören Sie mal zu, Maria! Wenn Sie nicht so handeln, wie wir das so wollen, dann werden wir einmal in Spanien etwas genauer hinsehen. Das bringt uns zwar nichts, aber Sie werden deshalb dort schon genügend Ärger bekommen.“ Ob er das mit dem Außenministerium abgesprochen hat? Ich glaube es nicht. Vermutlich hat er auch nicht mit seinen Parteifreunden Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher oder Klaus Kinkel gesprochen, die ja auch gewisse Erfahrungen in der Außenpolitik haben.
Was will Herr Mücke eigentlich erreichen? Er scheint eine Verständigung mit der UNESCO zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser, sonst verfasste er nicht ein solch haarsträubendes Schreiben.
Anmerkung: Dieser Beitrag wurde ursprünglich für das Forum der DNN geschrieben.