NO8DO
20. April 2009
von Johannes Hellmich
Es ist eine der berühmteren Filmszenen: Mit dem gerade noch geglückten Diebstahl eines Kolliers startet Agent Ethan Hunt seine zweite Mission Impossible. Während des turbulenten Coups findet er sich auch unter der verführerischen Nyah liegend wieder. Ein knisternder Moment. Die Regie aber lässt ihnen keine Zeit. Beide brauchen einander noch. Wer wen warum benutzt, bleibt vorerst unklar. Gedreht wurde das legendäre Intro im spanischen Sevilla, das nun zunehmend in den Fokus Dresdner Aufmerksamkeit rückt und auf dessen Stadtflagge ein rätselhafter Schriftzug prangt: NO8DO – „Sie hat mich nicht verlassen.“ Im Englischen könnte es allerdings auch bedeuten: Es hilft alles nichts. Halten wir uns lieber an das bessere spanische Omen für unsere schreibfreudigen Welterberetter von Union und FDP, die, wie Tom Cruise, mit hochriskanten Kommandounternehmen das Unmögliche doch noch zu erreichen hoffen.
Bekannt ist Sevilla als Heimat einer traditionsreichen Musikkultur, in der Gesang und Tanz nicht selten unerfüllte Sehnsucht und Liebeskummer verkörpern. Auch der Brief unseres temperamentvollen Freidemokraten Mücke an die spanische UNESCO-Botschafterin verrät trotz einiger Unaufrichtigkeiten die Leidenschaft eines Flamencos. In der Liebe aber und offenbar auch in Sachen Welterbe sind fast alle Mittel erlaubt. Manchmal jedoch gibt es auch ein „Zu spät.“ Und so würden vermutlich auch die halsbrecherischsten Argumentationsfiguren wenig daran ändern, dass in Sevilla der Scheidebrief für Dresdens Elbtal ausgestellt wird.
In dem Maße, wie die Frist abläuft, an deren Ende die Streichung von der roten Welterbeliste steht, werden auch die Versuche der sächsischen Politbürokratie und ihrer Brückenfreunde hektischer, die UNESCO doch noch umzustimmen. Die Brückenfraktion erfüllt nunmehr alle Klischees des Verlassenen, welcher der Davongelaufenen die Verantwortung am Scheitern einer missratenen Beziehung gibt und das selbst verursachte Ende nicht akzeptieren will. Wir erleben das klassische Trennungsszenario: verunglimpfen, jammern, erpressen und bestechen. Peinliche Stalkingversuche bei allen Welterbeinstanzen machen alles nur noch schlimmer. Selbstgerechtigkeit verwehrt bis zum Schluss die Möglichkeit der Umkehr und des Zueinanderfindens.
Ganz von Sinnen scheinen die Brückenbauer dennoch nicht zu sein: Vorsorglich wird schon mal die Schuld an der Trennung auf das Umfeld verteilt. Hatten nicht auch die Brückengegner die patriotische Pflicht, die Niederlage beim Tunnelkompromiss einzugestehen und gemeinsam mit Landesregierung, Landesdirektion und Stadtverwaltung alles für den Welterbeerhalt zu tun? Hat es ihr Anführer Blobel von den sogenannten Friends of Dresden nicht schon einmal geschafft, die UNESCO umzudrehen? In den neuen Kapiteln, welche die Union während des Wahlkampfs der nächsten Wochen aufschlagen wird, darf eigentlich eines nicht fehlen: eine zünftige Dolchstoßlegende.
Einen letzten Trumpf für die Brückenstrategen gibt es dennoch: Sollte es die UNESCO allen Warnungen aus Sachsen zum Trotz tatsächlich wagen, das Elbtal aus dem kulturellen Weltgedächtnis zu tilgen, stellt sich die Frage nach adäquater Reaktion. Die unmissverständlichste Lektion, die wir für mangelnden Gehorsam erteilen können, wäre der Austritt des Freistaats aus jener intransparenten, demokratisch nicht legitimierten und – wie es bei Unionsfreund Krah so schön mehrdeutig heißt – supranationalen Organisation. Ein Referendum könnte den raschen Ausstieg bestätigen. Das nun wäre fast ohne Risiko durchführbar: Der juristische Vorrang des so artikulierten Volkswillens vor völkerrechtlichen Verpflichtungen darf hierzulande als sicher gelten. Neuland würde mit solch einem Denkzettel auch nicht betreten: Schon einmal haben sich Deutsche erfolgreich gegen Gängelung und Hineinregieren durch den Völkerbund gewehrt. Schon einmal auch hat das Volk dieser Befreiung vom Joch der Staatengemeinschaft zugestimmt – mit 95-prozentigem Jawoll! Das war am 12. November 1933. Friedrich Nietzsche sah einst in seinen Sachsen die geistigen Feldwebel Deutschlands. Ein wenig von dieser Dienstbeflissenheit klingt nach, wenn uns auf Dresdens Straßen Kleingewerbetreibende mit großen Aufklebern unermüdlich mahnen, dass Brücken verbinden. Wie es nun scheint, umsonst. Das arrogante Welterbekomitee soll also sehen, was es davon hat. Das schließt den Kreis zu Mission Impossible: Pardon wird bei Tom Cruise nicht gegeben.