In Beton gegossene Geisteshaltung
22. April 2009
von Eduard Zetera
In der SZ vom 20.04.2009 lesen wir unter dem Titel „CDU will Park statt Bürohaus von Robotron“ folgendes:
Das Blümchen-Klo hat die Diskussion um mehr Grün in Dresden entfacht. Die Dresdner Union kommt nun mit neuen Vorschlägen.
Dresden dürfe nicht zur Betonwüste mit technisch unausgereifter Brunnenarchitektur wie am Postplatz verkommen, fordert der Dresdner CDU-Chef Lars Rohwer. Auch Mitglieder seiner Partei äußerten seit Langem ihren Unmut über fehlendes Grün in der Stadt. „Wir wollen deshalb auch eine schnelle Lösung für den Wiener Platz“, sagt Rohwer. Das Loch zuschütten und eine Grünfläche schaffen, sehe er als Möglichkeit. Darüber hinaus gebe es eine starke Lobby für einen neuen Bürgerpark in Richtung Hygienemuseum. Dazu sollte das Robotron-Atriumgebäude abgerissen werden.
Rohwer geht davon aus, dass dieses Thema und weitere Fragen zum Stadtgrün auf dem CDU-Parteitag am Freitag diskutiert werden. Ab 17 Uhr soll im Kongresszentrum das Kommunalwahlprogramm 2009 bis 2014 beraten und verabschiedet werden. Das Protest-Klo, das Unbekannte am 1. April auf dem Postplatz aufgestellt hatten, bezeichnet Rohwer als ein Signal der Unzufriedenheit. Allerdings verweist er darauf, dass sich Oberbürgermeisterin Helma Orosz bereits im OB-Wahlkampf für mehr Stadtgrün eingesetzt habe. Erste neue Bäume wurden bereits gepflanzt. Weitere sollen folgen sowie Bänke und Brunnen aufgestellt werden.
Der Vorstoß des Dresdner CDU-Chefs ist symptomatisch und zeigt, wie geschickt die CDU versucht, sich aufkeimende Stimmungen zu eigen zu machen. Wird sonst bei jeder denkbaren Gelegenheit der vierspurige Straßenbau vorangetrieben, surft Lars Rohwer nun plötzlich ganz oben auf der Grünen Welle. Unschwer kann man sich schon das Resümee der ersten Amtszeit von Helma Orosz vorstellen: Die Oberbürgermeisterin, welche Bäumchen, Bänke und Brunnen pflanzte. Und ansonsten? „Scheiße gebaut, Stadt versaut.“
Doch nicht nur das Protestklo wird die Bilanz verhageln – nein, eine schnelle Umkehr in der Stadtentwicklung ist weder einfach möglich noch wirklich gewollt. Warum das?
Ganz einfach: Architektur und Städtebau formen das steinerne Abbild der Geisteshaltung einer jeden Epoche. So, wie der Detailreichtum des Zwingers den feinen Kunstsinn barocker Herrscher wiedergibt, ist z.B. die Berliner Stalinallee ein beredtes Zeugnis für die brutale Gewalt eines totalitären Systems. Dresden geht es da nicht besser. Es hat in den zwei Nachwende-Jahrzehnten seine Prägung durch die CDU-Dominanz in Stadtrat und Stadtverwaltung und durch das Wirken der CDU- (geführten) Staatsregierung erhalten, die nur zu gern das Geschehen in der Landeshauptstadt mitbestimmte. Das Ergebnis des Wirkens einer derart gesteuerten Stadtentwicklungs-Technokratie dürfen wir heute besichtigen: der Umbau des Dresdner Stadtzentrums zur hocheffizienten und zugleich seelenlosen Konsummaschine kommt prächtig voran. Der feucht-kalte Atem dieses Apparats entsteigt dem Wiener Loch, er weht durch die Schluchten von Prager Straße und Seestraße, umstreicht den Armleuchter auf dem Altmarkt um sich schließlich im städtebaulichen Nichts des Postplatzes zu verlieren.
Die hiesige Stadtplanung folgt dem Dogma der autogerechten Stadt, das wir aus der Entwicklung westdeutscher Großstädte in der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kennen – und längst vergessen glaubten. In Dresden erlebt dieser Ungeist seinen zweiten Frühling, er wird in Beton gegossen und gleichermaßen mühevoll wie phantasielos mit Sandsteinplatten verkleidet.
Lieber Herr Rohwer: Es ist schlicht naiv, zu glauben, man könne den Blick auf derartige Armutszeugnisse einfach mit ein paar Blumenkübeln verstellen!