Brücken verbinden
13. Mai 2009
von Eduard Zetera
Der 13. Mai 2009 ist für Rheinland-Pfalz ein ganz besonders erhebender Tag: Die Preisträgermodelle des internationalen Architektenwettbewerbs zum Bau einer Brücke im Oberen Mittelrheintal werden in der Berliner Landesvertretung vorgestellt.
Brücken verbinden ja bekanntlich.
Zu der Veranstaltung gibt es dennoch ein wenig dissonante Begleitmusik: Das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) spricht in einer Pressemitteilung vom 11.05.2009 von einem „Attentat auf das Welterbe Rheintal“ und schätzt ein:
Die angeblich an die 50 Millionen Euro teure Brücke, die als Querverbindung für die entlang des Rheins verlaufenden Bundesstraßen B 9 und B 42 auch der überregionalen Anbindung an die großen Verkehrsachsen A 3 und A 61 dient und nebenbei den Flughafen Hahn an die rechte Rheinseite anbindet, wird das bereits jetzt durch den Verkehr stark in Mitleidenschaft gezogene Rheintal zweifellos zusätzlich belasten. Das Projekt greift jedenfalls ganz erheblich in die von der besonderen geografischen Situation geprägte, seit Jahrhunderten auf rund 60 km Länge ohne feste Flussquerung auskommende historische Verkehrslandschaft ein und ruiniert zugleich die traditionellen Rheinfähren, die als wesentlicher Bestandteil der Welterbestätte zu betrachten sind.
Das alles kommt nicht wirklich überraschend. Bereits im „ICOMOS World Report 2006/2007 on Monuments and Sites in Danger“ heißt es (Seite 68): „In such a historic and romantically inflated landscape a technical construction like this bridge would inevitably be regarded as a disturbing intrusion. The visual integrity of the World Heritage would be seriously harmed. This evaluation applies to all the presented bridge alternatives …“ und im „Report on the advisory mission to the Upper Middle Rhine Valley“ vom 11.02.2008 noch etwas deutlicher (Seite 10f): „It should be absolutely clear and there can be no doubt that any alterations such as the erection of a modern bridge in the core of the World Heritage site would ruin the outstanding universal values which are inseparably connected with the Romantic perception of this landscape. A technical structure amidst the paradigm of a Romantic landscape would stand in total opposition to the Romantic view of nature … The oppressively large structure would not blend in with the surroundings, thus remaining a bad lesson pointing to its shortcomings that cannot be disguised. The harm done to this unique landscape would impact adversely on the outstanding universal value of the area.“ Noch deutlicher geht es wohl nicht.
Wenn verantwortliche Politiker angesichts solcher Einwendungen erklären, „man wolle die UNESCO nicht provozieren“ und vorgeben, im Falle einer unverändert ablehnenden Haltung der UNESCO eine Tunnelalternative oder gar den gänzlichen Verzicht auf eine Rheinquerung zu erwägen, dann werfen sie schlicht Nebelbomben. Der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig fabuliert von einem Brückenbauwerk, das „sich in eleganten Schwüngen in Grundriss und Ansicht in das Landschaftsbild einfügt“. Das erinnert uns doch all zu sehr an die „filigrane Einzigartigkeit“, die unser Dresdner Oberbrückenbaumeister Georg Milbradt in seiner Waldschlößchenbrücke zu erkennen glaubt. Also bitteschön: Wenn sich deutsche Provinzfürsten schon die Mühe machen, ihre Brückenbauplanungen in der Berliner Landesvertretung der Öffentlichkeit zu präsentieren, dann denken sie doch nicht im Ernst daran, einen Tunnel oder gleich gar nix zu bauen. Das alles kann nur eines bedeuten: Liebe Rheinländer, jetzt ist Schluss mit lustig!
Was nun folgt, kann man sich leicht ausmalen: Die Brückenbauer werden das ICOMOS-Gutachten als fehlerhaft, sein Urteil als unzutreffend kritisieren und sie werden der UNESCO Unbeweglichkeit vorwerfen. Sie werden sich ungerecht behandelt fühlen: Es kann doch nicht sein, dass sie tagein, tagaus mit den Unzulänglichkeiten des Rheintals leben müssen, aber die ganze Welt ihnen Vorschriften machen will, ob und wie sie da Abhilfe schaffen. Das Brückenprojekt wird durchgepeitscht. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das bedauerlich finden, eingreifen wird sie nicht. So etwas ist Ländersache, leider, leider. Den Bundespräsidenten (falls er weiterhin Horst Köhler heißt) wird das alles nichts angehen. Es bleibt nur noch abzuwarten, ob die Einlassungen Rheinland-Pfälzischer Politiker in der Angelegenheit das Dresdner Maß an Unappetitlichkeit erreichen. Das wird für sie bei alledem wohl die größte Herausforderung bedeuten.
Die österreichische Natur-, Kultur- und Landschaftsschutzorganisation „Alliance For Nature“ darf sich bestätigt fühlen. In ihrem Appell zum „Welterbe Dresdner Elbtal“ formulierte sie am 05.05.2009 die Sorge: „Denn im Falle eines Brückenbaues [in Dresden] würde die Wertigkeit der UNESCO-Welterbe-Konvention, dem bedeutendsten Übereinkommen der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres natürlichen und kulturellen Erbes, in Frage gestellt werden und sich möglicherweise ein internationaler Domino-Effekt mit unabsehbaren Folgen für viele weitere Welterbestätten in Europa als auch auf anderen Kontinenten einstellen.“ Ob es ihr Genugtuung verschafft, dass diese Sorge nicht unbegründet war, sei einmal dahingestellt.
Wir Dresdner jedenfalls dürfen stolz darauf sein, dass es unsere Landes- und Kommunalpolitik war, die den Gedanken des UNESCO-Welterbes sturmreif geschossen hat. Sie hat gezeigt, dass es nur genügend Kaltschnäuzigkeit braucht, um die UNESCO vor Ort einfach mal auszubooten. Die Lufthoheit über den lokalen Stammtischen behält man allemal, und was der Rest der Welt darüber denkt, ist unerheblich. Diese Politik des brachialen Durchregierens ist in den zwei Nachwendejahrzehnten in Dresden Methode geworden (sie hat im Angesicht der Stadt deutliche Spuren hinterlassen, die von Spaßvögeln inzwischen mit Kloschüsseln garniert werden). Nun macht das in ganz Deutschland Schule. Der Brückenbau an Elbe und Rhein folgt gleichen Regeln. So hat die Angleichung der Lebensumstände von West und Ost offensichtlich mehr Facetten, als man auf den ersten Blick erwarten mag: Liebe Brüder und Schwestern in den alten Bundesländern, herzlich willkommen im wirklichen Leben!