Die Mathematiker
17. Mai 2009
Wie fängt ein Mathematiker einen Elefanten? Ganz einfach: Er fährt nach Afrika, baut einen Käfig, setzt sich hinein und definiert Außen als Innen.
An diesen Witz fühlt man sich erinnert, wenn man dieser Tage hört, wie die Dresdner Brückenbauer der Welt erklären, warum Dresden auch mit Brücke UNESCO-Welterbe bleibt.
Dresden wird bei der kommenden Sitzung des Welterbekomitees vom 22.06. bis 30.06.2009 in Sevilla der Status einer UNESCO-Welterbestätte aberkannt. Warum ist das so? Ganz einfach:
Bereits am 04./05.02.2008 fand eine „Reinforced Monitoring Mission to the Dresden Elbe Valley World Heritage Property“ statt. Bei diesem Besuch informierten sich unabhängige Gutachter im Auftrag der UNESCO über den Welterbe-Konflikt und mögliche Lösungsmöglichkeiten vor Ort in Dresden. Das Treffen fand vollständig abgeschottet von der Öffentlichkeit statt. Beteiligt waren Vertreter der Stadtverwaltung, der Landesregierung und des Außenministeriums; Befürworter der Tunnelalternative bzw. Gegner des Brückenbaus hingegen hatten keinerlei Kontakt zu den Gutachtern. Selbst wenn man unterstellt, dass die UNESCO bei der Aufnahme des Dresdner Elbtals vollständig über die Brückenbaupläne informiert gewesen ist (was zweifelsfrei widerlegt ist), dann wäre das doch für Dresden und Sachsen (und Deutschland) die ideale Gelegenheit gewesen, alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und einen Kompromiss zu finden. Das jedoch ist nicht geschehen.
Die Fraktion der Brückenbauer verstand damals nicht und versteht bis heute nicht, was den Wert des Welterbe Dresdner Elbtal ausmacht(e): Es ist der wundervolle Landschaftsraum inmitten einer Großstadt mit seinen ungestörten Blickbeziehungen. Der Verlust dieses Wertes bedrückt und bewegt alle, die sich gegen einen Brückenbau engagieren, und er bedeutet die Zerstörung eines Teils des Welterbe der Menschheit – denn dieser Wert war es, welcher die UNESCO zu der außergewöhnlichen Auszeichnung für das Dresdner Elbtal veranlasste.
Weil die Fraktion der Brückenbauer das nicht verstand, glaubte sie tatsächlich, mit der kosmetischen Änderung des Projekts zur so genannten „Burger-Brücke“ die UNESCO von der Welterbeverträglichkeit des Brückenbaus überzeugen zu können (oder gar – vollkommen abstrus – sich nach dem Motto „Wir haben mit Brückenplanung beantragt, also dürfen wir auch bauen.“ den Titel „einklagen“ zu können). Dabei wäre nichts anderes als eine Luftbrücke oder eben der Elbtunnel die einzig denkbare Möglichkeit einer welterbe-erhaltenden Elbquerung an dieser Stelle. Genau das sagen schließlich auch die „Conclusions“ im Bericht zum Besuch der Gutachter (Seite 20/21):
In conclusion, the Mission is of the opinion that the solution of the Elbe crossing which is being implemented would through its location have a considerable negative and irreversible impact on the Outstanding Universal Value of the World Heritage property. This would result from an encroachment upon the integrity of the cultural landscape whose harmonious and picturesque combination of urban and natural features appears to have been carefully preserved over the centuries-long history of the City of Dresden. …
The mission encourages the authorities to come to a rapid decision to halt the construction of the current bridge and to reconsider alternative options. The mission encourages the authorities to consider the existing tunnel option as a priority.
Das Welterbekomitee folgte den Einschätzungen seiner Fachgutachter und kam daher bei seiner Sitzung vom 02.07. bis 10.07.2008 in Québec zwangsläufig zu dem Entschluss (Seite 35/36):
The World Heritage Committee … regrets the fact that the authorities, having allowed the [bridge] construction works to proceed, have seriously compromised the Outstanding Universal Value of the property; … strongly urges the State Party to reconsider the alternative tunnel option; … further decides to retain the Dresden Elbe Valley (Germany) on the List of World Heritage in Danger, with the deletion of this property from the World Heritage List at its 33rd session in 2009, if the planned works on the bridge continue and the damage already caused is not reversed.
Das bedeutet im Klartext für die anstehende Sitzung des Welterbekomitees ab 22.06.2009 in Sevilla: Über Dresden ist entschieden: Es bedarf keiner weiteren Verhandlungen mehr. Das Welterbe ist zerstört. Der Titel ist weg. Punkt. Die UNESCO kann es sich überhaupt nicht leisten, noch irgendwelche Zugeständnisse zu machen – nicht nur, um sich selber treu zu bleiben, sondern schon, um weiteren Schaden vom Welterbeprogramm als Ganzes abzuwenden.
Jetzt wäre man geneigt, den Brückenbauern Realitätsverweigerung vorzuwerfen, weil sie diese Fakten nicht anerkennen wollen. Dem ist nicht so: In diesen Kreisen wird die tatsächliche Lage viel genauer eingeschätzt, als man glauben macht. Auch dort weiß man: Der Titel ist weg. Aber: Bevor er weg ist, ist noch Kommunalwahl in Dresden. Die brückenbauenden Fraktionen von CDU und FDP werden sich doch nicht die Blöße geben, mitten im Wahlkampf die Verantwortung für die internationale Totalblamage Dresdens zu übernehmen. Helma Orosz hat schon vor Monaten unter vorgehaltener Hand eingestanden, dass sie nicht glaubt, den Welterbetitel halten zu können. Das öffentlich einzugestehen, dafür ist nach dem 07.06.2009 noch genügend Zeit.