In großer Betroffenheit: Einer der Aufrechten
25. Mai 2009
Jochen Flade
vom Dresdner Elbhang
Übe dich in Vorsicht bei deinen Geschäften.
Die Weisheit ist voller Tricks und Betrug.
Aber werde nicht blind für das,
was dir an Tugend begegnet.
Desiderata
Dresden wird eine Schmach ohne Ende erleiden, wird das Welterbesiegel – Prädikat auch für die Bewahrung der Schöpfung, kulturelle Identität und Verständigung – durch die UNESCO demnächst auf der entscheidenden Sitzung in Spanien für unsere Stadt an der Elbe endgültig gestrichen.
Die Dimension dieses Verlustes dürfte wohl denen, die bis heute noch immer und unbeirrt auch ganz öffentlich ihr Hohelied des Ungeistes, der Verblendung und Borniertheit verkünden, in aller Tragweite unklar sein – sie würden ansonsten in Demut schweigen und allmählich begreifen, was da an essentiellem Schaden mit brachialer Gewalt dieser Stadt und deren Menschen angetan wurde mit der Gigantomanie einer Elbquerung an hochsensiblem Bereich, die nur sekundär einer verkehrstechnischen Entlastung dienen soll (und nicht wird!), mehr denn aber primär einem Kurzzeitgedächtnis von Machtbesessenheit und politischer Willkür entspringt, was hoffentlich einem temporären Zeitgeist anzulasten ist; leider gehen diese verirrten Geister dahin – die Waldschlösschenbrücke wird bleiben und das Welterbezertifikat ist verloren.
Der Atem stockt dem Zuhörer, verkündet die derzeitige Fraktionsvorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion Christa Müller auf einer öffentlichen Kandidatenvorstellung am Elbhang noch immer, ihre Partei kämpfe nach wie vor für den Erhalt des Welterbetitels und ihre Oberbürgermeisterin Frau Orosz wird dafür sorgen mit ihrem hoffnungsvollem Engagement, dass die UNESCO den Titel nicht streichen wird. Und: Selbstverständlich wird die Brücke gebaut, da gibt es kein zurück.
Diese provinzielle Selbstdarstellung und selbstredende Weltfremdheit, gespeist durch nicht mehr nachzuvollziehenden Realitätsverlust bringt nur noch stummes Kopfschütteln hervor.
Und diese grenzenlose Ich-Verliebtheit erfährt dann auch noch durch den artig sekundierenden Dr. Gebel (FDP) mit bedenkenloser Lockerheit – die banalen Floskeln immer wieder aus der rhetorischen Schatzkiste hervorkramend – Beistand mit der laschen Bemerkung: Dresden an sich sei Welterbe, dazu brauche es keinen Titel, und die Amerikaner und Japaner kämen auch ohne Welterbetitel nach Dresden.
Eigentlich hätte man spätestens hier aufspringen müssen, um mit der gebotenen Abwendung die Unerträglichkeit solcherart Verflachung und unerschrocken vorgebrachter Banalität zu demonstrieren – mindestens aber vor Verlassen des Auditoriums klar zu machen, dass solche Parteien unwählbar seien!
Nirgendwo mehr Weisheit, nur noch Blindheit und Abwendung von immer wieder neuen, unaufhaltsam aufrüttelnden Mahnungen und geradezu flehendlichen Bitten, endlich die Ratio, nicht mehr nur die parteipolitischen Arroganzen sprechen zu lassen.
Die sogenannte „Diktatur der Minderheiten“ (gemäß FDP-Stadtrat Mücke) – Laut Grundgesetz jedoch die Menschenwürde und die Freiheit des Wortes, die sich hier in Dresden seit Jahren aufbegehrend Raum schaffen, weil diese Rechte unantastbar und garantiert sind! – erfährt Demütigungen und Angriffe, selbst vor bedrohlichen Telefonaten ist der freie Bürger, der sich zu Wort meldende Aufrechte, nicht mehr sicher.
Da schwankt der Mensch im Glauben, ob die Aufmunterungen eines Horst Köhler, sich ehrenamtlich und bürgerschaftlich zu engagieren, auch tatsächlich von Staat und Partei respektiert werden. Resignation, Entmutigung, Verzweifelung – ist dies wirklich so gewollt?
Was das leichtfertige und selbstherrliche Agieren im Umgang mit der UNESCO und dem Welterbe betrifft, offenbart sich in Dresden und Sachsen eine Geisteshaltung, die so bisher nicht anzutreffen war. Alle Welt begreift nicht, kann nicht begreifen, was hier geschieht. Und Generationen nach uns werden feststellen, wie unselig diese Entscheidung des 21. Jahrhunderts für eine Stadt war, die bereits schlimme Wunden und elendige Schicksale erdulden musste.
In Umkehrung eines Zitates soll hier stehen:
Herr Gott, vergib ihnen nicht,
denn sie wissen, was sie tun.