Kultur als (vertane) Chance
25. Mai 2009
von Eduard Zetera
In ihrer Ausgabe vom 16.05.2009 berichten die Dresdner Neuesten Nachrichten unter dem Titel „Kultur im demographischen Wandel“ über „Hoffnung und Ernüchterung bei einer Tagung ,Kultur als Chance‘ im Hygienemuseum“ am 14./15.05.2009. Im Beitrag wird Ministerpräsident Stanislaw Tillich mit folgenden Worten zitiert:
Der Staat hat keine ureigene Zuständigkeit für Kultur, genauso wenig wie für Werte, Anstand, Sitte oder Religion.
Er führt weiter aus, bei staatlicher Förderung müsse man sich stets fragen: „Wem nützt sie?“ Das lässt aufhorchen.
Dass Stanislaw Tillich die Kultur nicht eben zu seiner Herzensangelegenheit erklärt, überrascht wenig. Eine vornehme Distanz zur Kultur hat in der sächsischen Regierungsspitze eine gewisse Tradition. So bekannte Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf im Interview im Deutschlandfunk am 26.06.2008 freimütig: „Kulturpolitiker bin ich nie gewesen.“ Sein Nachfolger, Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt (seines Zeichens Finanzpolitiker), darf seit seiner Einschätzung: „Der Welterbetitel ist verzichtbar.“ auch nicht mehr als Schöngeist gelten. Man könnte geneigt sein, zumindest Kurt Biedenkopf charakterliche Größe zu attestieren, schätzt er doch seine Schwächen richtig ein. Spätestens für Stanislaw Tillich darf das aber nicht mehr gelten: Wenn der oben angeführte DNN-Beitrag hier von einem „streitbaren Satz“ spricht, ist das nichts anderes als ein Euphemismus. Nein: Stanislaw Tillich macht Kulturlosigkeit zum politischen Programm. Und das in Dresden! Fein, fein.
Wer (spätestens) jetzt an der Haltung der Union in Kulturfragen verzweifelt, der wird in den Worten von Bundestagspräsident Norbert Lammert (gleichfalls CDU) auf der Frühjahrstagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung am 22.05.2009 in Berlin vielleicht ein wenig Trost finden:
Das, was ein Land im Inneren zusammenhält, ist bei genauerem Hinsehen nicht Politik, und ganz sicher nicht die Wirtschaft, und schon gar nicht das Geld. Das, was die Gesellschaft zusammenhält, ist Kultur, ein Mindestbestand an gemeinsamen Erfahrungen und Überzeugungen, an Traditionen, die über Generationen und Jahrhunderte gewachsen sind.
Nun könnte man sich wünschen, dass Norbert Lammert seinen sächsischen Parteilkollegen in Kulturdingen den Kopf einmal ein wenig zurechtrückt. Doch das ist nicht zuallererst seine Aufgabe. Warum?
Erinnern wir uns: Die Grundsätze CDU-dominierter (Bau-) Kultur sind nicht etwa nur abstrakt aus der Literatur bekannt, sondern sie haben sich mittlerweile ganz konkret im Stadtbild Dresdens manifestiert. Die UNESCO steht kurz davor, derlei kulturelle Glanzleistungen mit der Aberkennung des Welterbetitels zu honorieren. Und die Stadt selbst hat sich für die vielen kleinen Fehlleistungen gar einen eigenen Architekturpreis geschaffen: die goldene Kloschüssel. Nun ist es doch wohl am Souverän – dem Dresdner Wähler – dies alles angemessen zu würdigen. Man sollte ihn da nicht aus seiner Pflicht entlassen.