Rettet das Dresdner Elbtal
7. Juni 2009
Ein Beitrag von
Günter Blobel in
The New York Times
vom 04.06.2009
(Übersetzung)
Auf der jährlichen Tagung der Welterbekomitee der UNESCO am 23. Juni wird voraussichtlich das Dresdner Elbtal aus der Welterbeliste gelöscht.
Dies ist die Folge des Baus einer übergroßen vierspurigen Autostraßenbrücke, die die Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ an ihrer empfindlichsten Stelle zerteilt und damit eine der letzten innerstädtischen Flusslandschaften zerstört.
Letztlich verantwortlich für das bevorstehende Elend ist Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst. Als Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union unterließ sie es, die fehlgeleitete Politik ihrer Parteikollegen in Dresden, der Hauptstadt des Bundeslandes Sachsen zu korrigieren. Sie widersprach nicht öffentlich deren zahlreichen Provokationen gegenüber der UNESCO. Und mit ihrer Behauptung, dass es sich um ein „regionales“ Problem handele, ignorierte sie Deutschlands vertragliche Verpflichtungen gegenüber der UNESCO.
Hier ist eine kurze Zusammenfassung des Konflikts. Auf Antrag Sachsens und der Bundesregierung, wurde 2004 von der UNESCO dem Teil des Elbtals, in dem sich Dresden befindet, der Titel „Welterbe“ verliehen. Es ist eine wunderbar erhaltene natürliche Umgebung eines mäandrierenden Fluss, umgeben von weiten Wiesen und sanften Hügeln, mit kulturell bedeutenden jahrhundertealten Villen und Schlössern, die die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs überstanden.
Im Jahr 2005 hat der ADAC gemeinsam mit der Dresdner Niederlassung der Christlich-Demokratischen Union eine Volksabstimmung initiiert. Durch eine Desinformationskampagne gelang es dieser Koalition, die Mehrheit der Stimmen für den Bau einer Autostraßenbrücke inmitten der Welterbestätte zu erhalten.
Mit diesem Abstimmungsergebnis bewaffnet und damit juristisch berechtigt, den Widerstand des Dresdner Stadtrates zu umgehen, ordnete die CDU-Landesregierung von Sachsen den Bau der Brücke an. Im Jahr 2007, reagierte die UNESCO mit einer Warnung, indem sie das Dresdner Elbtal auf die Rote Liste der gefährdeten Weltkulturerbe-Stätten setzte. Aber die Regierungskoalition begann mit dem Bau der Brücke im Welterbegebiet reale Tatsachen zu schaffen
Die UNESCO hatte keine andere Wahl, als die Welterbestätte 2008 noch nachdrücklicher auf die Rote Liste zu stellen. Für das Jahr 2009 kündigte die UNESCO an, dass der Welterbetitel genommen wird, wenn der Bau der Brücke nicht gestoppt wird. Aber unvermindert wird der Bau fortgesetzt. Auf zwei Protestbriefe habe ich eine standardisierte Antwort von der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten erhalten, es handele sich um ein regionales Thema.
Was steht auf dem Spiel? Nach der nahezu völligen Zerstörung im Feuer des alliierten Bombardements im Februar 1945 glaubten nur wenige Menschen, dass Dresdens Schönheit jemals zurückkäme. Dresdens bedächtiges aber stetiges Wiedererstehen begegnete großer Unterstützung. Nach und nach wurden die meisten der großen Gebäude wieder aufgebaut, was 2005 seinen Höhepunkt im Wiederaufbau der Seele von Dresden, der Frauenkirche, buchstäblich aus einem Haufen von Schutt und Asche fand. Mit ihrer einzigartigen glockenförmigen Kuppel, ist die herrliche Stadtsilhouette wieder erstanden, die durch viele von Bernardo Bellotto berühmten Veduten unsterblich wurde.
Darüber hinaus löste der Wiederaufbau der Frauenkirche breite internationale Unterstützung aus. Besonders durch Amerika und Großbritannien wurden Millionen dazu beigetragen. Dresden wurde ein starkes Symbol der Versöhnung.
Es wird dies das erste Mal sein, dass die UNESCO eine Weltkulturerbestätte aus der Liste von mehreren hundert Stätten löscht. Der Verlust wird ein ernsthafter Makel auf Dresdens Ruf als kulturelle Ikone sein. Dresdens Botschaft für Versöhnung wird deutlich an Wirkung verlieren.
Für Deutschland wird der Schaden sogar noch größer. Hier ist ein reiches Land, das gewaltige Summen ausgibt, eine seiner Welterbestätten zu zerstören, während viele ärmere Länder sich abmühen ihre eigenen zu erhalten.
Was kann getan werden? Bundeskanzlerin Merkel sollte ihren Kollegen in Dresden sagen, dass der Verlust des Titels für das Dresdner Elbtal für Deutschland nicht akzeptabel ist und besonders Dresden schadet.
Günter Blobel, Professor an der Rockefeller Universität in New York City, erhielt den Nobelpreis 1999 in Physiologie und Medizin. Er ist Gründer der „Friends of Dresden“.