Welterbe und Demokratie
21. Juni 2009
Ein Kommentar
von Susanne Knaack
zum Beitrag „Deutschland raus!“
in der Zeit vom 18.06.2009
Ich danke Frau Finger für diesen Beitrag. Ihre Haltung ist legitim und entspricht der meinen und der von vielen Dresdnern, nach mehr als 5 Jahren täglichen Kampfes – ja, Kampfes – für diese Landschaft. Das Dresdner Elbtal wird von der Verkehrstrasse dauerhaft beschädigt, ihr Standort, die Waldschlößchenwiesen, zerstört. Der Tunnel mit kleiner Fähre oder auch Brücke für Fußgänger/Radfahrer ist machbar.
Nach der Verhinderung des Bürgerentscheides über den Tunnel, nach dem Versagen der Sächsischen Ministerpräsidenten und der Bundesregierung, nach der Ablehnung des Umsetzungsgesetzes für UNESCO-Welterbeübereinkommen im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages (BT-Drucksache 16/13176) sowie dem Scheitern der Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz (BT-Drucksache 16/387) – beides diese Woche, wenige Tage vor der Tagung des Welterbekomitees in Sevilla – hat nicht nur Dresden, sondern auch mein Heimatland Deutschland diese Lektion verdient.
Es handelt sich hier um mehrere Probleme: (1) das der vergessenen, einzigartigen Kulturlandschaft des Großen Dresdner Elbbogens mit den Elbwiesen am Waldschlößchen als zentralem Raum, die bis 1945 „weltberühmter, einzigartiger Aussichtspunkt“, Ausflugsort und Festwiese war und (2) das demokratische Dilemma, dass ein Bürgerentscheid, dessen wesentliche Annahme der Welterbeverträglichkeit des Baus (Brücke) wenige Monate nach dem Bürgerentscheid hinfällig war, bis heute gilt und nach Ablauf von dessen Bindungsfrist der Bürgerentscheid zum Kompromissbau (Tunnel plus Fähre oder kleine Brücke zwischen den Radwegen) von der Sächsischen Landesregierung verhindert wurde, obwohl der Verlust von Landschaft und Welterbetitel droht.
Weil die deutsche Politik dem Welterbe Dresdner Elbtal und dem für das Welterbe kämpfenden Bürgern Dresdens sowie den sachverständigen Fachleuten (Architekten, Denkmalschützer) und umsichtigen Politikern (genannt seien hier die Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur Eva-Maria Stange, der Bundesminister für Bau und Stadtentwicklung Wolfgang Tiefensee, der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse) bis heute nicht wirksam half, ist die Aberkennung des Titels angebracht. Leider trifft sie das ganze Land, wie immer …
Nach drei Jahren Roter Liste ohne Fortschritt ist die Aberkennung gerechtfertigt, auch wenn sie sehr weh tut. Wir hoffen wie auch immer auf die Möglichkeit, den Tunnel zu bauen und hierüber in Dresden endlich den Bürgerentscheid durchzuführen oder auf ein vom Bundestag verabschiedetes Bundesgesetz oder Grundgesetzklausel für den wirksamen Schutz deutschen Welterbes, um so die alte, zeitlose und wunderbar zukunftsfähige Kulturlandschaft, zugleich Welterbe der Menschheit Dresdner Elbtal wie auch das Vertrauen in verantwortliche Demokratie zurückzuerlangen. Wir hoffen, dass der Fall Waldschlößchenbrücke ein positives Ende nimmt und zur Rückgewinnung der bis vor kurzem „himmlischsten Gegend“ (Friedrich Schiller) des Großen Dresdner Elbbogens für die ganze Welt führt. Wir hoffen, dass diese Prüfung unserer Zivilgesellschaft nicht umsonst geschieht.