Dresden bleibt Weltkulturerbe der Herzen
21. Juni 2009
Ein Beitrag
von Eduard Zetera
Unter den Titel „Dresden bleibt Weltkulturerbe der Herzen“ bietet die SZ vom 20.06.2009 dem FDP-Stadtrat und Bundestagsabgeordneten Jan Mücke ein Plätzchen, um kurz von der UNESCO-Entscheidung zum Welterbe Dresdner Elbtal einmal mehr seine Meinung abzusondern. Eine Auseinandersetzung mit dem Beitrag in der Sache, lohnt der Mühe nicht. Alle Argumente sind bekannt und längst ausgetauscht. Das weiß der geneigte Leser, das weiß die Redaktion der SZ und auch Jan Mücke selbst weiß, dass er sich argumentativ auf sehr dünnem Eis bewegt.
Dennoch ist der Beitrag durchaus zu kommentieren:
Der Oberdemokrat
Es macht schon stutzig: Jan Mücke verwendet viel Mühe darauf, sich selbst als Fürsprecher einer schutzlosen, unterdrückten Zwei-Drittel-Mehrheit der Dresdner Bevölkerung zu inszenieren, die vorgeblich nichts sehnlicher wünscht, als einen vollendeten Brückenbau. Er tut das, indem er die Welterbefreunde diffamiert:
Eine Diktatur der Minderheit, die aus einem kulturell oder ästhetisch begründeten Überlegenheitsanspruch heraus meint, es besser zu wissen als die überwiegende Mehrheit der Bürger, kann es in einer Demokratie nicht geben. Welche Überheblichkeit und Verachtung für das urdemokratische Prinzip der Stimmengleichheit spricht aus jenen, die nur zwanzig Jahre nach der glücklichen Wiedererringung der Demokratie heute glauben, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein und ihren Mitbürgern Vorschriften machen zu dürfen? Der damit zum Ausdruck gebrachte totalitäre Anspruch muss in einer offenen Bürgergesellschaft auf Widerspruch stoßen.
Was seine persönliche Zwei-Drittel-Mehrheit in Dresden zu solcherart Vereinnahmung meint, ließ sich zuletzt an den Ergebnissen der Stadtratswahl sehr gut ablesen: Die 12% liegen auch von den selbst gesteckten Zielen den FDP noch meilenweit entfernt – und das trotz eines hoch professionell geführten Wahlkampfes, der von manchem gar als Materialschlacht empfunden wurde.
Dass Jan Mückes Demokratiefähigkeit dort an seine Grenzen stößt, wo es gilt, andere Meinungen zu tolerieren, lässt sich im übrigen noch an einem anderen Beispiel sehr gut ablesen: In einer Pressemitteilung zu Protestaktionen der Dresdner Welterbebewegung während des Obama-Besuchs urteilt er:
Diese Pläne sind ungeheuerlich und infam …
Damit lassen Brückengegner und Grüne endgültig die Maske fallen und zeigen, dass sie „vaterlandslose Gesellen“ sind.
Drastischer kann man nicht mehr formulieren. Es bleibt abzuwarten, ob auch die Forderungen nach Konsequenzen für die „vaterlandslosen Gesellen“ noch ähnlich radikal werden.
Wer derart lautstark um die Definitionshoheit darüber ringt, was Demokratie und Bürgerwille bedeuten, wird schon seine Gründe haben. Treibt Jan Mücke etwa die Sorge um, dass er ab Herbst „Bundestagsabgeordneter der Herzen“ sein könnte?
Das Völkerrecht
Wenn Jan Mücke bei der UNESCO – deren Entscheidungen offensichtlich nicht ganz seinen Vorstellungen entsprechen – ein Demokratiedefizit diagnostiziert, dann übersieht er geflissentlich, dass die Entscheidungen des Welterbekomitees auf dem Urteil von Fachgutachtern beruhen, die nicht in dem Verdacht stehen, parteiisch zu sein. Wenn es denn bei der Beantragung des Welterbetitels Widersprüchlichkeiten gegeben hätte, die nicht ursächlich von Dresden zu vertreten wären, dann hätten die Vertreter der Landeshauptstadt und des Freistaats bei der Reinforced Monitoring Mission von ICOMOS am 04./05.02.2008 beste Gelegenheit gehabt, diese einfach aufzuklären. Doch der Bericht der ICOMOS-Gutachter spricht, wie schon das sog. Aachener Gutachten von 2006, eine klare Sprache: der Brückenbau zerstört das Welterbe. Das ist ein Fakt, an dem man auch mit einem Bürgerentscheid nicht vorbeikommt. Wer das dennoch meint, der muss sich schon fragen lassen, ob er die Sprengung der Buddha-Statuen von Bamiyan durch Taliban-Milizen im März 2001 denn für gerechtfertigt hielte, wenn es zuvor in Afghanistan einen Bürgerentscheid dazu gegeben hätte.
Selbst der direkten Demokratie sind Grenzen gesetzt: dort nämlich, wo völkerrechtliche Verpflichtungen berührt werden. Das ist Gemeingut, bei Jan Mücke ist diese Erkenntnis trotzdem noch nicht so recht angekommen. Wer wie er die UNESCO eben mal flapsig als „undemokratische Organisation“ abkanzelt, dem wird es vielleicht noch gelingen, am heimischen Stammtisch als „weltgewandt“ zu erscheinen – auf internationalem Parkett wird er so aber sicher nicht einmal mit einer Fußnote Würdigung erfahren.
Die Presse
Der Lokalpresse gelingt es schon lange nicht mehr, den Dresdner Brückenstreit sachlich, neutral, kritisch und distanziert zu begleiten. Stattdessen macht sie sich mal zum Sprachrohr der einen, mal der anderen Konfliktpartei, indem sie deren Stellungnahmen einfach abdruckt. Auf den ersten Blick scheint ein solches Geschäftsmodell genial: Man kultiviert einen Streit, indem man abwechselnd der einen und der anderen Seite ein Podium verschafft. So hat man immer etwas zu drucken, ohne dass man selber etwas schreiben müsste. Übersehen wird dabei zunächst, dass die journalistische Eigenleistung der Zeitung dann praktisch gleich Null ist. Aber irgendwann werden die Abonnenten beginnen zu fragen, wofür sie ihre Zeitung bezahlen, wenn sie die gleichen Informationen kostenlos im Internet finden – wie z.B. hier.
Ich höre schon die Lokalzeitungen in das Klagelied der Musikindustrie einstimmen, dass das böse, böse Internet sie ruiniert. Ich bin da frei von Mitleid: Wer sich selbst kaputt spart, darf sich schlussendlich nicht wundern, wenn von ihm nichts übrig bleibt.