Auf ein Neues?
28. Juni 2009
von Johannes Hellmich
Dann sagte er sich noch: Ich glaubte, ich sei reich durch eine einzigartige Blume, und ich besitze nur eine gewöhnliche Rose. Sie und meine drei Vulkane, die mir bis ans Knie reichen und von denen einer vielleicht für immer erloschen ist, das macht aus mir keinen sehr großen Prinzen … Und er warf sich ins Gras und weinte.
aus: „Der Kleine Prinz“
von Antoine de Saint-Exupéry
Wer in diesen Tagen nach Sevilla, des öffentlichen Bedauerns und der austarierten und aufgehobenen Schuldabwägung überdrüssig, nach weiteren Erklärungen für das Fiasko sucht, findet Anhaltspunkte eher etwas abseits. In heißlaufenden lokalen Gesprächsforen vor allem ist zu erfahren, was die Dresdner Bürgerseele vom Welterbeverlust hält und welchen Stellenwert das verlorene Prädikat in Teilen der Einwohnerschaft hat. Hier darf sich lang angestaute Verärgerung ohne Rücksicht auf kulturelles Räsonnement enthemmt freie Bahn brechen. Die Palette der Stoßseufzer ist überschaubar: Endlich vorbei, jetzt möge Ruhe einkehren und immer wieder auch Abrechnung mit der Welterbeidee und einer anmaßenden UNESCO. Statt Betretenheit angesichts der Blamage herrschen Triumphgefühl und Launigkeit vor.
Dass die Dresdner Oberbürgermeisterin von dieser Seite noch einmal Zustimmung für das Welterbeprogramm erhalten könnte, um ein weiteres Bewerbungsverfahren in Gang zu bringen, darf bezweifelt werden. Den Dresdnern nun ein neues Welterbe besorgen zu wollen, nachdem das alte kaputtgegangen ist, zeigt zudem, dass Frau Orosz offenbar die Handlungsmuster ihrer ursprünglichen Profession weiter auf das geistig-kulturelle Selbstverständnis einer Großstadt übertragen will. Dabei haben die letzten Kommunalwahlen der Union trotz massiver Begünstigung durch die Lokalpresse deutlich die Grenzen ihrer Ambitionen aufgezeigt. Die OBin kann nicht dauerhaft gegen große Teile der Bürgerschaft regieren. Das Ergebnis der Konservativen in jungen, familienorientierten Stadtteilen sollte auch für verkehrspolitische Dogmatiker in der Union ein Hinweis auf den Kurs der Wählerentwicklung sein. Ein Beharren auf der Brückenrealisierung könnte Stuttgarter Verhältnisse im Stadtrat eher noch beschleunigen.
Von der Welterbebewegung darf Orosz für ihre Idee, nach geeigneten Objekten für ein unverfängliches Welterbeetikett zu suchen, vermutlich ebenfalls kaum Unterstützung erwarten. Warum sollte, auch nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, das Ziel der Unversehrtheit der Elbwiesen am Waldschlösschen aufgegeben werden? Die Befürwortung eines Welterbeantrags light käme indes einer weiteren Beschädigung und Abwertung des Welterbeprogramms und der UNESCO gleich. Tatsächlich gibt es für Frau Orosz, wenn sie diese mitverschuldete Malaise konstruktiv auflösen will, letztlich nur die Alternative des angestrebten Baustopps oder die Einsicht, den weiteren Dresdner Weg für eine/n Nachfolger/in freizumachen, der oder die zumindest in der Lage ist, Gerichtsurteile seriös zu interpretieren. Das wäre ein Anfang.
Den Bürgerinitiativen ging es zu keinem Zeitpunkt um ein werbeträchtiges, austauschbares Etikett. Das hat man in der Union offenkundig bis heute nicht verstanden. Die Elbwiesen am Waldschlösschen gehören zu einer städtischen kulturellen Identität; sie sind umso kostbarer geworden, je mehr sich Bürger für ihren Erhalt engagiert haben. Daran ändert auch das beschämende Ergebnis von Sevilla nichts. Gleichwohl waren es nur noch wenige, die sich zuletzt aktiv für den Schutz des Elbtals im Sinne des Welterbegedankens einsetzten und den Stolz auf die internationale Ehrung nicht nur als Lippenbekenntnis ausgedrückt haben.
Eine erneute Bewerbung für Teile des Elbtals oder exponierte Baudenkmale im Stadtgebiet wäre ausschließlich parteipolitisch motivierte Schadensbegrenzung zum Nutzen von CDU und FDP; also ausgerechnet jener Kräfte, die ohne Bedenken die Konfrontation mit der UNESCO herbeigeführt haben in der Annahme, ein inkonsequentes und beeinflussbares Welterbekomitee würde vor der Streichung zurückschrecken. Diese Bewerbung wäre eine Ablenkung ohne Wert. Frieden brächte sie nicht, eher weitere Demütigungen. Der alte Hut vom verkleinerten Welterbegebiet ist indes von Seiten der UNESCO mehrfach zurückgewiesen worden. Auch den Imageschaden, den Dresden erleidet, könnte diese Farce nicht korrigieren; im Gegenteil – Dresden machte sich erneut lächerlich vor aller Welt.
Eine Verständigung der Stadtverwaltung mit den Bürgerinitiativen bleibt auf der Tagesordnung. Frau Orosz sollte möglichst noch vor einem Ansehensverlust ihrer Person beginnen, endlich verantwortlich nach einem Kompromiss im Welterbekonflikt zu suchen. Dresden hat noch immer die Chance, verlorene Reputation zurückzugewinnen.