De Maizière: Verlust ist zu verschmerzen
2. Juli 2009
von Wilhelm Friedemann
Der Minister im Bundeskanzleramt, Thomas de Maizière, hat der Chemnitzer Freien Presse ein Interview gegeben. Dieses Interview unter der Schlagzeile „De Maizière: Verlust ist zu verschmerzen“ erlaubt einen bemerkenswerten Einblick in seine Gedankenwelt. Sehen wir es uns einmal genauer an:
Freie Presse: Die Aberkennung des Titels für das Dresdner Elbtal ist jetzt Realität: Wie weit reichen die Folgen dieser Entscheidung?
De Maizière: Ich bedauere dieses Votum sehr. Es ist auch ein unfreundlicher Akt gegenüber der Bundesrepublik im Ganzen.
Das ist nun erst einmal keine Antwort auf die einleitende Feststellung und die daraus folgende Frage. Herr de Maizière bedauert also dieses Votum. Was hat er gegen die Ursachen für dieses Votum unternommen? Hat er nicht seine Position im Bundeskanzleramt genutzt, dem Bundespräsidenten und der Bundeskanzlerin zu vermitteln, es handele sich um ein regionales Problem und die Bundesregierung sei nicht zuständig? Hat er nicht massiv Einfluss auf Außenministerium und Verkehrsministerium eingewirkt, um Aktivitäten zum Schutz des Welterbes zu verhindern? Hat er nicht tatenlos zugesehen, wie seitens maßgebender sächsischer Politiker die UNESCO, ein Vertragspartner der Bundesrepublik, fortwährend verunglimpft wurde? Was hat er gegen diese unfreundlichen Akte unternommen? Nein Herr de Maizière! Unfreundlich war es vielmehr (und das ist freundlich formuliert), trotz der eindeutigen Stellungnahmen aller Fachleute, aller an der Schönheit der Stadt Dresden interessierten und vor allem der UNESCO an dem zerstörerischen Bauwerk festzuhalten, obwohl es Alternativen gab und gibt, welche es ermöglichten, die Interessen der Verkehrsplanung mit denen des Schutzes der gewachsenen und gestalteten Schönheit der Stadt zu verbinden.
Freie Presse: Hatten Sie mit einem weiteren Aufschub gerechnet?
De Maizière: Ja, und das hätte auch Sinn gemacht. Ein profundes Urteil über die Einvernehmlichkeit von Brücke und geschütztem Gebiet kann man erst dann treffen, wenn diese tatsächlich steht.
Was ist das für eine Vorstellung? Architektur ist eine Kunst, in der Fehler nicht erlaubt sind. Wenn ein schlechter Entwurf realisiert ist, dann ist der Schaden eingetreten. Ein Architekt muss sich also schon vor dem Bau klar machen, wie er wirken wird. Glücklicherweise gibt es heute dafür das Handwerkszeug. Das sind Simulationen und Gutachten von ausgewiesenen Fachleuten. Und die haben eindeutig ergeben, dass mit dieser Brücke das Welterbe zerstört wird. Das ist ein Befund, der sich mit dem deckt, was jeder empfindet, der sich die Umgebung mit offenem Auge und Herzen ansieht. Es sieht so aus, als wolle Herr de Maizière die experimentelle Architektur einführen: Bauen wir erst einmal und dann überlegen wir, ob wir es so gewollt haben. So mag er als kleiner Junge mit seinen Bauklötzen gespielt haben, im wirklichen Leben aber ist das schlicht verantwortungslos.
Freie Presse: Hat die UNESCO das Debakel mit zu verantworten?
De Maizière: Die Brücke am Standort Waldschlößchen war Bestandteil der Antragsunterlagen für den Welterbestatus. Insofern hat die UNESCO ihr ursprüngliches Urteil, das ja auch Grundlage des überwältigenden Votums der Dresdner für den Brückenbau war, geändert und damit den leidigen Streit mit zu verantworten.
Kein Wort davon, dass in den Antragsunterlagen die Brücke nur in wenigen Nebensätzen als potentielle Möglichkeit erwähnt wurde, dass keine Angaben über ihre Gestaltung gemacht wurden und dass sie durch eine falsche Lageangabe außerhalb des Welterbegebietes verortet wurde. Und mit dem so erschlichenen Welterbestatus wurde die Dresdner Bevölkerung manipuliert und zu ihrem Votum verführt. Es passt in das übliche Muster: Schuldig sind nicht die Brückenbauer, sondern alle anderen, insbesondere die UNESCO und alle, die vor den Folgen des Brückenbaues warnten.
Freie Presse: Welche Folgen hat die Aberkennung für Dresden und seine Attraktivität als Tourismusziel?
De Maizière: Dresden wird immer eine Kulturmetropole ersten Ranges bleiben. Deswegen halte ich den Verlust des Welterbe-Titels auch unter touristischen Aspekten für verschmerzbar.
Hier sehen wir, wie die „Freie Presse“ ihre Schlagzeilen generiert. Aber Herr de Maizière hat durch sein „auch“ die Möglichkeit dazu geboten. Glauben wir es zunächst: Herr de Maizière wird den Verlust des Welterbetitels verschmerzen. Möglicherweise wird er auch die Zerstörung des Welterbes und der Schönheit des Elbbogens verschmerzen, er wird sie vermutlich noch gar nicht wahrgenommen haben. Wenn auch Experten Auswirkungen auf den Tourismus prognostizieren und Herr de Maizière dies leugnet: Es ist irrelevant. Relevant ist die Tatsache, dass Dresden aus Gedankenlosigkeit und Machtbesessenheit um sein Erbe betrogen wird.
Freie Presse: Wird die Stadt zu ihrem inneren Frieden zurückfinden?
De Maizière: Dass eine Brücke wirklich den inneren Frieden einer Stadt stört, das kann ich mir nicht vorstellen. Im Übrigen: Nahezu alle europäischen Metropolen liegen an Flüssen und haben sich beiderseits des Flusslaufes entwickelt. Und Brücken gehören dazu, um Flussufer und Menschen miteinander zu verbinden. Deswegen bedauere ich es, dass die UNESCO der Stadt Dresden die Zeit verweigert hat, um nach dem Bau der Brücke festzustellen, dass sich diese doch sehr harmonisch in das Elbtal einfügt.
Ist es Irrtum oder bewusste Täuschung? Was den inneren Frieden der Stadt stört, ist dass gegen alle Vernunft ein Projekt durchgepeitscht wird, das der Stadt Dresden und ganz Deutschland schweren Schaden zufügt, dass dazu demokratische Mittel missbraucht werden und damit auch dem Ansehen der Demokratie geschadet wird, dass alle warnende Stimmen ignoriert und beleidigt werden und dass ein uninformierter Teil der Bevölkerung zu Worten aufgehetzt wurde, die mancher einmal bedauern wird.
Und endlich sollten die Welterbezerstörer einmal klarstellen, ob sie die Streichung aus der Welterbeliste bedauern wollen oder verschmerzen können. Aber schlechte Verlierer neigen zu Widersprüchen.
Dieses Interview erschien am 25.06.2009 am Tag der Streichung des Dresdner Elbtals von der Welterbeliste, für die Thomas de Maizière eine hohe Mitschuld trägt.