Der Freistaat Sachsen, die Bundesrepublik und das Welterbe
17. August 2009
Ein Beitrag von
Eva Jähnigen
Das Desaster um das Dresdner Welterbe war für mich einer der Gründe, derentwegen ich mich entschieden habe, für den sächsischen Landtag zu kandidieren. Im Landtag möchte ich insbesondere die zahlreichen Dresdnerinnen und Dresden vertreten, die sich über viele Jahre hinweg für das Welterbe in Dresden eingesetzt haben. Das Engagement dieser Bürgerinnen und Bürger wurde zunichte gemacht – die Regierungen von Freistaat und Bundesrepublik haben den Welterbetitel verspielt.
In Dresden gab es ein lang anhaltendes Tauziehen um die Waldschlösschenbrücke. Der Stadtrat hat – auch mit unseren grünen Stimmen – mehrere Beschlüsse gefasst, um den Bürgerentscheid von 2005 Welterbe-verträglich zu gestalten. Zuerst wurde eine etwas schönere und vor allem schmalere Brücke geplant, später die Umplanung der vierspurigen Querung zum Tunnel initiiert, inklusive eines entsprechenden Bürgerentscheids zum Erhalt des Welterbes.
Dem gingen viele Jahre Kampf mit dem Freistaat voraus. Der wollte nur diese Brücke und die nur an diesem Standort fördern. Die Stadt wurde unter Abwehr besserer Konzepte regelrecht erpresst. Damals stimmte die Dresdner SPD einer zweispurigen Brücke mit Straßenbahn zu. Jetzt wird eine autobahnartige Brücke gebaut …
Ausschlaggebend für diese Entwicklung war, dass der Bau sich nach den selbstdefinierten Förderkriterien des Freistaates an dieser breitesten Stelle der Elbe „rechnet“. Voraussetzung: Man prognostiziert ein riesiges Verkehrsaufkommen! Dass die Brücke gar nicht in das Dresdner Verkehrsnetz passt, spielte bei allen Diskussionen absurderweise keine Rolle. Mit all den Mitteln, die bis jetzt ohne großen Nutzen verschwendet wurden, hätte die notwendige Sanierung des Blauen Wunders, wie von uns Grünen vorgeschlagen, längst erledigt sein können!
Doch wieder einmal hat die Landespolitik den Dresdnern „dazwischengefunkt“: Im Sommer 2007, unmittelbar nachdem das Dresdner Welterbe auf die rote Liste kam, verpflichtete der Freistaat Sachsen die Stadt Dresden zur Vergabe der Bauverträge und damit de facto zum Bau der Brücke. Verantwortlich für dieses Vorgehen waren das Innenministerium von Albrecht Buttolo (CDU) und das nachgeordnete Regierungspräsidium Dresden. Die Stadt hat sich gegen diesen Zwang zum Brückenbau und die Einschränkung ihrer kommunalen Entscheidungshoheit bis vor das Bundesverfassungsgericht gewehrt, leider ohne Erfolg.
Die Fördermittel für den Brückenbau stammen aus dem so genannten Gemeindeverkehrsfinanzierungs-Gesetz. Sie wurden vorab vom Verkehrsministerium des Bundes pauschal zugesagt. Zu einem Überdenken der veralteten, verkehrsplanerisch aus den 90er Jahren stammenden Förderkriterien kam es nicht. Verantwortlich hierfür sind zwei SPD-Politiker: Bundesverkehrsminister Tiefensee und Landesminister für Wirtschaft und Verkehr Jurk. SPD-Politiker in Land und Bund forderten zwar immer wieder das Engagement für das Weltkulturerbe, scheuten dann jedoch die Konfrontation in der Regierungskoalition.
Vertreter des vom Vizekanzler Walter Steinmeier geleiteten Bundesaußenministeriums waren bei vielen Gesprächen zum Erhalt des Welterbes anwesend, in Dresden und andernorts. Die Beamten äußerten Besorgnis über die Situation und verhaltene Kritik am Vorgehen vor Ort. Zu einer offiziellen, politischen Aufforderung an den Freistaat Sachsen, das Welterbe zu erhalten und die Entscheidungslage zum Brückenbau zu verändern, kam es jedoch leider nie. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) qualifizierte die Entscheidungen um das Dresdner Welterbe gar gleich als „regionale Angelegenheit“ ab und ließ damit der Regierung von Milbradt und Jurk freie Hand.
Dabei war die Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt schon unter Druck geraten: Die Weltkulturerberichtlinie der UNESCO ist Völkerrecht. Sie muss von den Vertragsstaaten umgesetzt werden. Unser wohlhabendes Land gehört zu den Ländern mit den meisten Welterbestätten weltweit. Aus Angst vor den sich daraus ergebenden Verpflichtungen ist die bindende Richtlinie bisher nur halbherzig umgesetzt wurden. Von Anfang an haben sich Bund und Länder gegenseitig die Verantwortung zugeschoben. Grüne Initiativen zur Umsetzung der Konvention fanden im Bundestag ebenso wie im sächsischen Landtag nicht die Zustimmung der jeweiligen CDU-SPD Koalition. Kein Wunder: Denn wäre, wie von uns Grünen vorgeschlagen, im Sommer 2008 das sächsische Denkmalschutzgesetz um das Schutzziel des Welterbes ergänzt worden, hätte dies Einfluss auf die gerichtliche Abwägung laufender Klagen gegen die Brücke gehabt!
Es gibt im deutschen Recht viele Möglichkeiten, baulich und ökologisch wertvolle Bereiche des früheren Welterbegebietes im Einzelnen zu schützen. Aber kein Schutzstatus verbindet die Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes so umfassend und klar mit denen des Denkmalschutzes und der baulichen Qualität wie die Welterberichtlinie. Dass die SPD jetzt im Dresdner Stadtrat beantragt, Elbhänge und Wiesen mit einer Denkmalschutzsatzung in der Fläche zu schützen, ist ehrenhaft. Ich werde diesem Antrag selbstverständlich zustimmen. Aber das ändert nichts am Versagen bei der Umsetzung der UN-Konvention und den damit verschenkten Möglichkeiten. Die Denkmalschutzsatzung ist dagegen nur ein schwaches Werkzeug.
Dresden hat sich ebenso wie Sachsen blamiert. Doch die Langzeitfolgen gehen darüber hinaus. Der Freistaat, hat bei der Anerkennung der UNESCO-Konvention versagt und seine Glaubwürdigkeit als Partner der UNESCO deutschlandweit und international verspielt. Andere Regionen Sachsens, die auf Tourismus setzen, wie die Sächsisch-Böhmische Schweiz oder die Montanregion Erzgebirge, hoffen noch auf den Erfolg ihrer Welterbebewerbungen. Auf die Regierung des Freistaates brauchen sie dabei nicht zu zählen. Die hielt es nicht einmal für notwendig, bei der letzten Sitzung des Welterbekomitees in Sevilla 2009 aufzutreten. Die Dresdner Oberbürgermeisterin musste allein den Kopf hinhalten.
Aus Sevilla kommend verkündete Helma Orosz, sie wolle nun in Stadt und Freistaat über eine Neubewerbung für den Welterbetitel mit der fertiggestellten Waldschlösschenbrücke diskutieren. Von Problembewusstsein oder Nachdenken über eigene Fehler – keine Spur. Dabei ist klar: Die besondere Schutzwürdigkeit des Dresdner Elbtals beruht aus Sicht der UNESCO gerade aus der Einheit von historischer Bebauung, vielfältiger Nutzung und erhaltener, naturnaher Landschaft.
Das traurige Beispiel des Dresdner Welterbes zeigt deutlich, wie sehr die Planungs-, Bau-, Denkmal- und Naturschutzpolitik von der sächsischen Landespolitik und der Praxis ihrer Behörden geprägt wird; beim Erteilen von Genehmigungen ebenso wie beim Verteilen von Fördergeldern. Neue Bewerbungen um den Welterbetitel haben nur mit einer anderen Politik eine Chance. Dafür möchte ich kämpfen.