Eine kleine Blütenlese
10. November 2009
von Wilhelm Friedemann
Was ist normal?
Die Wochenzeitung Die Zeit möchte in der Zukunft eine spezielle Beilage für Sachsen herausgeben. Das nimmt die Sächsische Zeitung zum Anlass ein Interview mit dem Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zu machen. Darin findet sich die folgende interessante Passage:
Giovanni di Lorenzo: Die meisten neuen Leser haben wir in den letzten Jahren unter Studenten gewonnen. Außerdem gibt es eine selbstbewusste, gut gemischte bildungsbürgerliche Schicht in Ostdeutschland, für die wir uns natürlich sehr interessieren.
Sächsische Zeitung: Für die normalen Ossis interessieren Sie sich also nicht?
Giovanni di Lorenzo: Ich bitte Sie: Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass ein gebildeter und neugieriger Mensch kein normaler Ossi sein kann!
Ich habe schon immer die Vermutung gehabt, dass es einigen Dresdner Zeitungen an Achtung vor ihren Lesern fehlt. Aber so deutlich wie hier wollte ich es eigentlich nicht bestätigt bekommen.
Man könnte über die Denkweise der SZ lächelnd hinwegsehen, wenn sie nicht Ausdruck eines grassierenden Minderwertigkeitskomplexes wäre. Möglicherweise ist der bei den Fragestellern auch berechtigt.
Oh dieser Ungehorsam!
Besonderes Mitleid mit Herrn Marx ist gewiss unangebracht. Da macht mir der Herr Wagner viel mehr Sorgen. Wird er doch in der Sächsischen Zeitung so zitiert:
Alt-OB Herbert Wagner nannte die Kritiker in den eigenen Reihen Aufschneider und Prahlhänse. Er verurteilte auch das Verhalten des Baubürgermeisters Jörn Marx, der auf dem Parteitag nicht erschien, scharf. Die „Ungehorsamen im Amt“ dürften nicht länger „Hü“ sagen und „Hott“ machen.
Auch hier ist die Deutlichkeit auffallend, mit der die Musterdemokraten der CDU auf „Gehorsam“ setzen. Das ist doch eigentlich keine demokratische Kategorie!
Wie geht es weiter?
Auch die Chefin der CDU-Stadtratsfraktion, Christa Müller, kritisierte Marx. Dessen Geschäftsbereich brauche einen starken Chef, der jetzt mit eisernem Besen durchkehren müsse.
Wenn das keine Drohung ist! Aber Gehorsam muss eben durchgesetzt werden! Wird es jetzt Haue geben? Nein:
„Wir sind heute nicht mehr die Betonköpfe von einst, und das dürfen wir auch nie wieder werden“, sagte Müller. „Die CDU muss sich aber jetzt verlässliche Partner in der Sache ins Boot holen. Dafür müssen wir freundlicher und kompromissbereiter werden.
Ob Frau Müller das gelingt? Warten wir es ab! Aber der Beton liegt immer noch in den Elbwiesen. Da könnte sie doch zeigen, dass sie wirklich kein Betonkopf mehr ist.
Versuchen Sie es doch einmal Frau Müller!