Schuld sind immer die anderen
10. Dezember 2009
meint Eduard Zetera
Nachdem im Umfeld der Albertbrücke – nicht wirklich überraschend; vielleicht sogar gewollt – die Verkehrssituation eskaliert, läuft die lokalpolitische Schuldzuweisungsmaschine wieder einmal auf Hochtouren.
Interessant daran ist vor allem, wen es dieses mal trifft:
Zunächst einmal natürlich die üblichen Verdächtigen: die grünen Fortschrittsverhinderer, welche zwar keine vorgeblich bedrohten Lurche oder Fledermäuse aus dem Hut zaubern, es aber zumindest wagen, die Notwendigkeit eines überbreiten Ausbaus der Albertbrücke in Zweifel zu ziehen.
Neben den Grünen hat sich CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns noch einen weiteren Beteiligten als Sandsack zurechtgerückt, um sich daran abzuarbeiten: den bösen, bösen Denkmalschutz. Dass der gar nicht als Verhinderer taugt, weil er (wie wir beispielsweise gesehen haben) bei der Waldschlößchenbrücke schlicht umgedreht und beim Kulturpalast einfach kaltgestellt wurde und bei der Albertbrücke (nach eigenem Bekunden) gar kein Vetorecht hat, kümmert Herrn Brauns wenig, solange er erst einmal jemanden zum Draufhauen hat. Nicht nur die Art, wie er in SZ und DNN um sich schlägt, sondern auch der Umstand, dass sein kleiner Sekundant im Sächsischen Boten wieder anfängt herumzugeifern, deutet an, dass Herr Brauns einen leicht erhöhten Rechtfertigungsdruck verspürt.
Und diesen Rechtfertigungsdruck verspürt Hans-Joachim Brauns – seines Zeichens baupolitischer Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion – zurecht: Er wirft anderen, die eine Verbreiterung der Albertbrücke um beidseitig 1,80 Meter für bedenklich und/oder unnötig halten, Verhinderungstaktik vor. Er selbst ist aber nicht bereit, von der Forderung nach einer derartigen Verbreiterung auch nur einen Millimeter abzurücken. Die Begründung ihrer Notwendigkeit ist er bislang schuldig geblieben und nun hofft er darauf, dass der durch jahrelange, bewusste Untätigkeit künstlich herbeigeführte Stau ihm die notwendigen Argumente nachliefert.
Die augenblickliche Situation um die Albertbrücke sollte über folgendes nicht hinwegtäuschen:
- Die Albertbrücke war bislang grundsätzlich breit genug für das anstehende Verkehrsaufkommen.
- Die Straßenanbindungen auf beiden Seiten der Albertbrücke können gar nicht so weit ausgebaut werden, um ein wesentlich größeres Verkehrsaufkommen aufzunehmen.
- Die Waldschlößchenbrücke, so wurde uns vorgerechnet, soll gerade der Albertbrücke die größte Entlastung bescheren.
- Alle Notwendigkeiten werden, wenn überhaupt, mit Daten aus einem Verkehrskonzept von 1994 begründet. Das ist schlicht lächerlich.
Jenseits der Diskussion um den Ausbau der Albertbrücke sollten wir uns schon einmal darauf einstellen, dass der Verkehr auf ihrer Neustädter Seite geradewegs in ein Stadtgebiet geleitet wird, dessen Bewohner ab 2011 von der EU eine Handhabe erhalten, ihr eigenes Recht auf saubere Atemluft gegen das Recht anderer auf automobile Freiheit durchzusetzen. Und das werden sie auch tun.
Mit Stau ist es dann erst einmal vorbei. Wenn sich dann aber die Dresdner in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlen, wird es nicht etwa an der automobilfixierten städtischen Verkehrs- bzw. freistaatlichen Förderpolitik Brauns’scher Couleur liegen, welche andere Verkehrsträger systematisch vernachlässigt wenn nicht gar behindert. – Nein, schuld ist dann allein die böse, böse EU.