Man wird ja wohl mal etwas übersehen dürfen!
12. Januar 2010
Freilich darf man das.
Manchmal muss man es sogar.
Meint Eduard Zetera.
Als Grund für die zuletzt eingetretenen Verzögerungen beim Bau der Waldschlößchenbrücke wurden Planungsfehler beim Straßenbauamt angeführt. Der in solchen Situationen reflexartig geäußerte Verdacht der Schlamperei in der Stadtverwaltung ist sicher nicht unbegründet, im vorliegenden Fall aber vielleicht eben doch eher unzutreffend. Warum?
Erinnern wir uns: Das Verwaltungsgericht Dresden hatte am 30.10.2008 geurteilt, dass „der Planfeststellungsbeschluss zur Dresdner Waldschlößchenbrücke von den Naturschutzverbänden nicht mit Erfolg angegriffen werden kann.“ Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Planfeststellungsbehörde im Jahr 2004 korrekt zwischen den Alternativen Brücke und Elbtunnel abgewogen habe und der Brückenbau auch unter Naturschutzaspekten tatsächlich die Vorzugsvariante darstelle. Die Begründung überraschte seinerzeit besonders die Fachleute: Eine permanente Flächen-Inanspruchnahme und Verlärmung der Elbauen durch ein Brückenbauwerk sollte einer vorübergehenden Inanspruchnahme von Flächen für den Elbtunnelbau, welche sich danach wieder regenerieren können, vorzuziehen sein? Nun, es scheint, wenn man Justitia die Augen nur fest genug verbindet, gelingt es der Dame, selbst derart Merkwürdiges zu erkennen. Zumindest in Dresden.
Sei’s drum – die Vertreter vierspuriger Verkehrsbauprojekte aus den Reihen von CDU und FDP waren auf einmal grüner als die Grünen und erklären den Umweltverbänden, wie man Naturschutz buchstabiert. Unsere Brückenfreunde frohlockten im März 2009 auf ihrer Website:
Seit mehr als einer Woche liegen nunmehr die Gründe des Verwaltungsgerichtsgerichts zu seinem Urteil vom 30.10.2008 vor und es ist nicht verwunderlich, dass man von Seiten der Brückengegner hierzu nichts hört. Wir veröffentlichen es an dieser Stelle. So kann sich jeder selbst ein Bild davon machen, wie seriös die Aussagen derjenigen sind, die meinen, der Tunnel sei eine Alternative. Das Urteil des Verwaltungsgericht ist eindeutig: Die Umweltschützer wollen etwas, was aus Umweltschutzgründen nicht geht! Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann ein Peinlichkeitsstadium erreicht ist, das selbst die hartgesottensten Brückengegner nicht erreichen wollen.
Ein zentrales Argument in der Urteilsbegründung setzte den Hebel denn auch geschickt an folgender Stelle an: Der sog. LRT 3270 (der Lebensraumtyp „Flüsse mit Schlammbänken mit Pioniervegetation“ der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU) würde nur im Falle eines Tunnelbaus erheblich in Anspruch genommen – wohingegen eine Elbbrücke engelsgleich vom Himmel einschwebt ohne auch nur im Mindesten Einfluss auf diesen – zweifellos schützenswerten – Lebensraumtyp zu nehmen.
Der Kreis schließt sich, die Erkenntnisse der vergangenen Woche erscheinen in einem anderen Licht. In den DNN vom 07.01.2010 lesen wir vom Straßenbauamtsleiter:
Koettnitz geht optimistisch an die Sache heran. „Der Eingriff betrifft das Flora-Fauna-Habitat 3270“, erklärt er, gemeint sei Uferschlamm im Bereich der Flusslandschaft – Schlamm, der weggebaggert werden müsste, um das eine Ende der Strombrücke auf Pontons setzen zu können. Es sei nur ein temporärer Eingriff, so der Amtsleiter, …
„Temporäre Eingriffe“ in den LRT 3270 sind also doch nicht so schlimm – solange es um den Brückenbau geht. Weiter heißt es in den DNN zum „temporären Eingriff“:
… und planbar gewesen sei er nicht. „Erst gab es den Planfeststellungsbeschluss und danach die Ausführungsplanung. Darin wurde das technische Konzept für den Brückenbau entwickelt“, erklärt er.
Demnach wurde erst bei der Ausführungsplanung für den Brückenbau festgestellt, dass es mit dem engelsgleichen Einfliegen von Brückenteilen noch Probleme gibt. Also müssen irdischere Lösungen her. Die bedeuten aber, dass man auch beim Brückenbau im Elbschlamm wühlen muss. In erheblichem Umfang. In einem Umfang, der vom Planfeststellungsbeschluss nicht erfasst wurde. Und von Justitia Dresdensis?
In den DNN schließt der bereits zitierte Absatz mit der Aussage:
Warum niemand auf die fehlende Übereinstimmung mit dem Feststellungsbeschluss gestoßen ist, kann er [Koettnitz] nicht erklären. „Da hat es Defizite gegeben“, räumt er ein.
Das kann der Herr Koettnitz sich also nicht erklären. Dem Beobachter fällt es allemal schwer, da einfach nur an Schlamperei zu glauben.
Die Brückenfreunde jedenfalls haben keinerlei Grund zur Klage. Sie werden genau mit den Maßstäben gemessen, die sie an andere anlegen. Es sieht ganz danach aus, dass sie einige Monate Zeit haben werden, um sich zu überlegen, wie sie den von ihnen selbst postulierten Ansprüchen gerecht werden wollen. Noch ist keine Woche vergangen seit der Einstellung der Arbeiten im Uferbereich der Elbe. Schon jetzt ist aber klar, dass der Brückenbau mehr als nur witterungsbedingt ins Stocken gerät. Wir warten gespannt auf das, was wir dazu auf der Website unserer Brückenfreunde als Erklärung lesen dürfen.